Aktueller Erkenntnisstand: Alter ist keine Krankheit. Altern lässt sich formen. Zwei Wege bieten sich dafür an: die Hightech-Anti-Aging-Medizin und/oder der eigene Lebenswandel. Wie man ein gesundes Alter von hundert Jahren erreichen sowie ein Verständnis für Altern und Langlebigkeit finden kann und könnte, schildert der versierte Journalist Thomas Schulz. Seine Expertise erstreckt sich auf internationale Wirtschaftspolitik, Medizin und speziell auf „Longevity“ (Langlebigkeit). Diesbezüglich hat er in den letzten Jahren als Sachverständiger des europäischen Forschungszentrums für „gesunde Langlebigkeit“ am Institut Hospitalo-Universitaire HealthAge an der Universitätsklinik Toulouse recherchiert und mit Forscher*innen und Super-Agern auf internationaler Ebene Interviews geführt.
Thomas Schulz kritisiert die aktuelle Schwemme an Informationen zu diesem Thema und versucht der Geschäftemacherei und Esoterik wissenschaftlich gesicherte Aussagen und Empfehlungen gegenüberzustellen. Dabei hat der Autor auch Forschungsergebnisse an sich selbst erprobt. Wie er sagt, mit einigem Erfolg. Seine Hoffnung lautet (S. 17), „mit diesem Buch Menschen zu erreichen, die wie ich selbst am Ende genauer hinschauen, was für ein vitales hohes Alter jetzt schon zu tun ist“.
Als Visiting Scholar am Center for European Studies/Harvard University hatte der Autor Kontakt zur Spitzenforschung, die einen neuen Blick auf das Altern wirft. Ein spezieller Forschungszweig betrifft die körpereigene Messung mittels Technologie, um z. B. auf Veränderungen des Stoffwechsels rascher reagieren zu können. Forschungen, die zum biologischen Alter – dem wahren Alter – unserer Zellen und Organe etwas aussagen, resultieren auf einer Kombination von Biochemie und Genetik, von Mathematik und Biostatistik. Interdisziplinarität und interdisziplinäre Orientierung gelten hierbei als Voraussetzung für wissenschaftlichen Erfolg und Fortschritt. Beispielhaft ist hierfür eine „epigenetische Uhr“, die es erleichtert, beschleunigende Faktoren des Alterns zu messen. Das Besondere daran: gemessen werden können Effekte ab dem Beginn einer Behandlung oder einer Umstellung des Lebenswandels.
Besondere Bedeutung erhält die Forschung über den Kampf gegen den Krebs. Denn er zählt zu den häufigsten Todesursachen im Alter. Krebs, der in etwa dreihundert unterschiedliche Arten auftritt, nennt Thomas Schulz eine „Langlebigkeits-Erkrankung“.
Übereinstimmend besteht bei Wissenschaftler*innen die Meinung, vermerkt Thomas Schulz, dass sie eine zunehmende Geschwindigkeit in allen wissenschaftlichen Forschungsprozessen wahrnehmen. Beschleunigtes Wissenschaftstempo entsteht durch das Zusammenwirken von neuen Entdeckungen und Technologien. Die „Genscherentechnik“ ist ein markantes Beispiel dafür. Die mit ihr verbundene Forschungsfrage lautet (S. 154): „Wie lässt sich Biologie umprogrammieren, um eine Krankheit an der Wurzel zu bekämpfen?“
In diesem Zusammenhang ist neben der Gentherapie die Stammzellenforschung, die Zelltherapie, zu erwähnen. Ihr Ziel ist es, den Körper mit Gewebe zu reparieren, das aus eigenen Zellen nachwächst. Letztere ist deshalb wichtig, weil die Ursache vieler Krankheiten – auch der altersbedingten – in der Verschlechterung der Zellgesundheit liegt. Schwerpunkt der Forschung liegt darauf, wie Zellen frisch gehalten beziehungsweise wie „seneszente Zellen“ abgestoßen werden können.
Ein weiteres aktuelles Forschungsthema sind die in der Bevölkerung ansteigenden Demenzerkrankungen. Gesund, aber ohne Gedächtnis? Der schnelle, vorbeugende Gesundheitstipp lautet: Neugierig sein, in Bewegung bleiben, Neues probieren, dadurch werden neue Verbindungen zwischen den Hirnzellen aufgebaut, das plastische Gehirn wird durch seinen Gebrauch stimuliert.
Der Autor schildert auch seine diversen Selbstversuche, wie er seine Gesundheit im Hinblick auf längere Lebenserwartung unterstützt. Er nennt Bewegung als die „effektivste Medizin“, plädiert dafür, Ausdauer, Kraft und Stabilität in den Alltag zu integrieren und gibt einen praxisorientierten Tipp: Sofort nach dem Essen bewegen, das baut am besten Kalorien ab! Mit Hinweis auf den japanischen Begriff „Ikigai“ – etwas haben, wofür es sich zu leben lohnt – zitiert Thomas Schulz das Ergebnis einer kanadischen Studie an Über-Siebzigjährigen (S. 193): „Wer einen klar erkennbaren und definierten Sinn in seinem Leben sah, war biologisch jünger.“
Gegen Ende des Buches diskutiert der Autor die sozialen Konsequenzen für eine Gesellschaft der Hundertjährigen. Keineswegs sollte diese mit eine negativen Narrativ konnotiert werden. Zu beachten sind Auswirkungen aufgrund sozialer Unterschiede. Höherer Bildungsstand bringt ein besseres Verständnis für gesundes Verhalten mit sich! Schließlich sollte das Alter keineswegs als ökonomische Belastung für die Gesellschaft gesehen werden. Längerer Verbleib in der Arbeitswelt und/oder langsames Auslaufen der Arbeitszeit im „Ruhestand“ sind nur zwei von verschiedenen noch denkbaren und zu entwickelnden Modellen.
Auf alle Fälle bedarf es einer neuen zeitigen Planung für das Leben Hundertjähriger. Doch dafür haben wir weder genug Erfahrung noch ausreichend Beispiele. Problemorientierte Forschung ist gefragt! Nicht zuletzt betrifft das auch die finanzielle private Altersversorgung und einen entsprechenden individuellen „Sparplan“.
Im letzten Kapitel resümiert Thomas Schulz analog zu den einzelnen Schwerpunkten des Buches übersichtlich die „Grundregeln“ für das Projekt Lebensverlängerung. Jeder einzelne Abschnitt – Altern verstehen, Krebsrisiko mindern, Gehirn gesund halten, Ernährung beachten, viel und richtig bewegen, Vorsicht bei Anti-Aging-Medikamenten, Karriere und Altersvorsorge überdenken – ist durch konkrete nützliche Vorschläge „Was sollten Sie tun“ komplementiert. Fazit: Man kann nicht früh genug damit anfangen, für ein gesundes Alter leben zu lernen!
Die davon ableitbare Checklist lässt sich sicherlich didaktisch unterstützend in Kurse für Gesundheitsbildung einbauen.
Insgesamt gibt das Buch Einblick in die sich rasant entwickelnde Forschung für Langlebigkeit und gesundes Alter – wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert. Für Veranstaltungen im Gesundheitsbereich aber auch für die Selbstregulation empfehlenswert. //
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