Regionalentwicklung und Erwachsenen­bildung

Regionalpolitik zielt darauf ab, Ungleichheiten zwischen Regionen auszugleichen und benachteiligten Regionen durch gezielte Förderungen Wirtschaftswachstum zu ermöglichen und Beschäftigung und Lebensqualität anzuheben. Dies ist das Ziel der Struktur- und Regionalpolitik (Kohäsionspolitik) der Europäischen Union, mit der exemplarisch begonnen werden soll. 

Ab 1989 wird eine systematisch betriebene Kohäsionspolitik verfolgt, um den wirtschaftlichen und sozialen Unterschieden zwischen ungleichen Regionen entgegenzuwirken. (Schwarz: 2014, S. 11). Die Regionalpolitik der EU gliedert sich in fünf Kernbereiche: 1) Investitionen in Menschen durch die Förderung von Beschäftigung, Bildung und Möglichkeiten zur sozialen Eingliederung; 2) Förderung kleiner und mittelständischer Betriebe; 3) Förderung von Forschung und Innovation in Form von Investitionen und forschungsbezogenen Arbeitsplätzen; 4) Verbesserung des Umfelds durch größere Investitionsvorhaben und 5) Modernisierung von Verkehr und Energiewirtschaft im Interesse des Klimaschutzes, insbesondere mittels erneuerbarer Energien und innovativer Verkehrsinfrastruktur.1 Mit dem Vertrag von Lissabon, der 2007 unterzeichnet wurde und mit Jänner 2009 in Kraft getreten ist, wurde die Kohäsionspolitik um eine dritte Ebene erweitert, um den territorialen Zusammenhalt.

Mit EU-Fonds werden die Mitgliedsstaaten und die Regionen bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unterstützt. Dazu gehören Regionen mit ernsthaften und dauerhaften naturbedingten bzw. demografischen Problemen (zum Beispiel Regionen mit niedriger Bevölkerungsdichte, Inselregionen, grenzüberschreitende Regionen oder Bergregionen); Regionen, die vom grünen und digitalen Wandel betroffen sind, und ländliche Regionen.

Über diese Fonds werden finanzielle Mittel zu Kohäsionszwecken bereitgestellt. Diese werden zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen oder regionalen Behörden ausgehandelt und von letzteren verwaltet. Hier sind folgende Fonds2 zu nennen: der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)3; der Europäische Sozialfonds4, der Europäische Kohäsionsfonds5 und der Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund – JTF), der im Rahmen des „green deals“ der Europäischen Kommission eingerichtet wurde und das Ziel verfolgt, in Regionen, die am stärksten vom Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft betroffen sind, einen nachhaltigen Strukturwandel in Richtung Klimaneutralität zu unterstützen und voranzutreiben. Umgesetzt wird der JTF als Schwerpunkt in den Programmen EFRE und ESF+.

Die Regionalentwicklung wird durch das Programm LEADER unterstützt. In Österreich sind für die jetzige Programmperiode 83 LEADER-Regionen definiert, in denen etwa fünf Millionen Menschen leben. Vorrangig geht es um Entwicklungsprojekte in ländlichen Regionen und in mittelgroßen Städten bis zu 110.000 Einwohner*innen. Eine Kooperation von Stadt und Land ist gewünscht und wird durch eigene Projektmittel ermöglicht. Ein zentrales Thema der aktuellen Förderperiode 2023 bis 2027 ist das Aktionsfeld „Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel“. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen von lokalen Entwicklungsstrategien durch lokale Aktionsgruppen.6 Die Projekte reichen von kleinen Projekten mit alltagsgeschichtlichen, zeitgeschichtlichen, volkskulturellen und anderen Inhalten bis hin zu größeren Entwicklungsprojekten wie beispielsweise lokale Kultur- und Bildungszentren. Eine exemplarische Auswahl einiger Projekte in den Themenfeldern „Chancengleichheit“ und „lebenslanges Lernen“ findet sich in einem eigenen nachfolgenden Beitrag.

Die aktuell 83 LEADER-Regionen sind (https://www.zukunftsraumland.at/themen/leader/):

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Bildung ist für den Demografen Wolfgang Lutz in der Entwicklung von Regionen und Ländern „die wichtigste Stellschraube“7. Lutz wurde kürzlich der renommierte Yidan-Preis für Bildungsforschung verliehen, das ist der weltweit höchst dotierte Preis für Bildungsforschung. Ausgezeichnet wurde er für seine „Arbeit zum Verständnis des langfristigen Nutzens kurzfristiger Bildungsinvestitionen“. Bildung ist für Lutz die „Grundlage des menschlichen Fortschritts. Meine Forschung soll politischen Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt Erkenntnisse über den Multiplikatoreffekt von Bildung für eine nachhaltige Zukunft liefern“8. Investitionen in Bildung wirken sich auf viele Lebensbereiche aus: Einkommen, Gesundheit, Demokratie. Bildung ist auch eine gute Grundlage, sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wehren.9

Zwischen ländlichen und städtischen Regionen sind Spaltungen sichtbar, die Bildung immer wichtiger werden lassen, die aber nicht alleine durch bildungspolitische Interventionen gelöst werden können. Diese Spaltungen gehen quer durch die Gesellschaft und trennen Städte und andere Regionen. Hier zeigen sich ökonomische Konflikte zwischen Gewinnern und Verlierern wirtschaftlicher Modernisierungsprozesse ebenso wie kulturelle Konflikte zwischen liberalen und autoritären Wertvorstellungen. Die Parteienlandschaften sind fragmentiert und die Regierbarkeit der europäischen Demokratien scheint gefährdet zu sein. Als ein Treiber dahinter wird eine Kluft zwischen Partikularismus und Universalismus identifiziert. Dahinter stehen Gruppenidentitäten und diese drehen sich vermehrt um kulturelle Überzeugungen, Werte und Offenheit (Bornschier et al.: 2024, S. 69). Unterschiedliche Gruppenzugehörigkeiten können beobachtet werden, zwischen Städten und ländlichen Regionen gibt es Spaltungen. Haffert (2022) spricht von „Schicksalsgemeinschaften“, und dass solche Identitätsquellen wichtiger werden, wenn andere an Bedeutung verlieren, wie beispielsweise Religion oder Klasse. Abstiegserfahrungen sind auszumachen und diese empören alle und nicht nur die vom Abstieg betroffenen (S. 12–17). 

Doch diese einfache Dichotomie von Stadt und Land trifft nicht gänzlich zu, denn viele Menschen leben weder in eindeutig städtischen noch in eindeutig ländlichen Kontexten. Vielmehr ist von einem Kontinuum von Stadt und Land auszugehen, das von den urbanen Innenstadtbezirken bis ausgeprägt ländlichen Gebieten jenseits des Einzugsgebiets von Städten reicht (ebd., S. 20). Allerdings finden sich in diesem scheinbaren Gegensatz von Stadt und Land grundlegende ökonomische und kulturelle Wandlungsprozesse, die miteinander verknüpft sind. Die Wirtschaftssektoren, die in den Städten florieren beschäftigen zu einem großen Teil Personen mit universalistischen Einstellungen. Die prototypisch „abgehängten“ Regionen erleben oft einen wirtschaftlichen und einen kulturellen Statusverlust. Ihr Lebensstil gilt nicht mehr als zeitgemäß, und umgekehrt sind die „prototypischen Grünenwähler“ in den urbanen Zentren ökonomisch und kulturell die Gewinner gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse (ebd., S. 88).

Für die Regionalpolitik stellen sich damit neue Aufgabenstellungen, die insbesondere den sozialen Zusammenhalt noch stärker in den Vordergrund rücken, als das bisher der Fall war. Und Strukturen, die von breiter Beteiligung vieler Stakeholder gekennzeichnet sind, aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen, zu denen auch die Volkshochschulen gehören, sind einzubeziehen. Der Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier geht in seinem jüngst erschienenen Buch „Aufstieg der Abgehängten. Wie vernachlässigte Regionen wieder erfolgreich werden können“ so weit, dass er die gängigen Wachstums- und Entwicklungstheorien nur als bedingt geeignet zur Erklärung regionalwirtschaftlicher Entwicklung sieht – seiner Einschätzung nach ist stärker auf den lokalen und regionalen Kontext abzustellen. Die regionale Entwicklung muss von unten nach oben gehen (Collier: 2024, S. 165 ff.).

Partizipative Governance-Strukturen ermöglichen eine bessere Steuerung regionaler Prozesse. Darüber hinaus ist eine Verwaltung gefordert, die nicht nur effizient, sondern auch kooperativ sein soll. Zwischen Unternehmen sind Kooperationsnetzwerke und Clusterbildungen zu entwickeln. Wichtig ist auch ein spezifisches und durchaus regionsgebundenes Humankapital („skills“, technisches Wissen). Intermediäre Einrichtungen, die Beratung, Aktivierung und Koordination anbieten, sind als Drehscheibe für die Regionalentwicklung wichtig. Darüber hinaus sind sogenannte „weiche“ Standortfaktoren von Bedeutung, wie: Bildung, Sicherheit, hoher Wohn- und Freizeitwert (Schwarz: 2014, S. 51). 

Bildung im Allgemeinen und Erwachsenenbildung im Besonderen können gute und wichtige Beiträge zu einer Regionalentwicklung leisten, die auf Prozessen basiert, die von vielen Akteuren entwickelt und getragen werden, die Kooperation auf Augenhöhe beinhalten und unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigen. Die österreichischen Volkshochschulen sind in vielen Regionen und Gemeinden aktiv und bieten sich – auch gemeinsam mit anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung – als wertvolle Partner für eine derartige Regionalentwicklung an.

Volkshochschulen und Regionalentwicklung

Die österreichischen Volkshochschulen sind in mehr als 780 Gemeinden tätig, in denen 73 Prozent der in Österreich lebenden Menschen wohnen. Bei rund 2100 Gemeinden ergibt das einen Anteil von rund 37 Prozent an Gemeinden, in denen die Volkshochschulen mit ihren Bildungsangeboten aktiv sind. Der vor kurzem erschienene „Teilhabeatlas Steiermark“ weist einen Anteil an 192 von 286 Gemeinden aus, in denen Volkshochschulen tätig sind, das entspricht 67 Prozent der steirischen Gemeinden. Damit sind die Volkshochschulen mit dem LFI (Ländliches Fortbildungsinstitut) und ihren 191 Standorten jene Erwachsenenbildungseinrichtung, die in der Steiermark am häufigsten in den Gemeinden mit Bildungsangeboten präsent sind (Bauer: 2024).10  Volkshochschulen sind der klassische Nahversorger für Erwachsenenbildung, die mit ihrem breiten Angebot die unterschiedlichen Bildungsinteressen in der Bevölkerung ansprechen und leistbare Teilhabe an Bildung außerhalb von Schule und Hochschule sowie Teilhabe durch Bildung ermöglichen. 

Weitgehend außer Frage steht, dass Bildung wirkt, dazu gibt es auch eine Reihe von Befunden aus der wissenschaftlichen Forschung im In- und Ausland. Christoph Bauer, der an der Universität Graz forscht, nennt in einem Beitrag für das Bildungsnetzwerk Steiermark mehrere Wirkungen: Bildung trägt zur Erweiterung der persönlichen, beruflichen und sozialen Handlungsmöglichkeiten bei und ermöglicht eine mehr oder weniger selbstbestimmte Lebensgestaltung. Bildung kann auf die Zukunft vorbereiten und kann zur Resilienz von Personen beitragen. Personen mit einem höheren Bildungsabschluss haben zumeist auch ein höheres Einkommen, Bildung spielt eine Rolle bei der Wahrnehmung der eigenen sozialen Verortung, Menschen mit höherer Bildung leben weniger oft alleine als andere. Und Bildung wirkt sich auch auf die Lebenserwartung aus und hat positive Auswirkungen auf die Lebensbiografie (Bauer: 2023, S. 1 f.). 

Die Forschungen zu den „wider benefits of learning“,11 die ab den 2000er Jahren anfangs im Vereinigten Königreich und in Finnland durchgeführt wurden, haben sich damit befasst, welche Effekte und Wirkungen sich aus den Bildungsbemühungen des Einzelnen ergeben. Die zentrale Frage lautete: „Welche Veränderungen werden durch Lerninterventionen bewirkt?“ (Schuller & Desjardins: 2010, S. 229 nach Kil et al.: 2013, S. 1). Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden (Kil et al.: 2013, S. 5):

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Mit den Wirkungen von allgemeiner Erwachsenenbildung befasst sich die von 2011 bis 2014 laufende BeLL-Studie („Benefits of Lifelong Learning“). Sie wurde in zehn europäischen Ländern durchgeführt (Manninen et al.: 2014).

Mehr als 8.000 Menschen haben in Fragebögen bekannt gegeben, welche Veränderungen der Kursbesuch bei Ihnen gebracht hat, offen gestellte Fragen konnten mittels 4.500 Fragebögen ausgewertet werden und 82 Personen haben persönlich vertiefende Interviews gegeben. Bis zu 87 Prozent haben von positiven Veränderungen durch den Kursbesuch bei der Lernmotivation, bei sozialen Kontakten, beim allgemeinen Wohlergehen und ihrer Lebenszufriedenheit berichtet; bis zu 42 Prozent haben gemeint, dass es Veränderungen in ihrer Arbeit bzw. in der beruflichen Karriere gegeben hat und beim staatsbürgerlichen Engagement. 

Besonders interessant ist, dass alle Gruppen von allgemeiner Erwachsenenbildung profitieren und dass alle Typen von Kursen Änderungen in der Selbsteinschätzung und in den Einstellungen ihrer Kursteilnehmer*innen zur Folge haben. Für die jüngeren Teilnehmer*innen fungiert die Erwachsenenbildung als Sprungbrett in die Gesellschaft, indem beispielsweise ihr Bewusstsein, das eigene Leben im Griff zu haben, verbessert wird. Bei älteren Menschen federt der Kursbesuch Übergänge etwa in die Pension, den Verlust von Freunden usw., ab. Die Veränderungen durch den Kursbesuch fallen umso höher aus, je niedriger das Niveau der Erstausbildung bei den Kursteilnehmer*innen ist. Benachteiligte Personengruppen profitieren am meisten vom Kursbesuch. 

Erwachsenenbildung hat Wirkungen auf den einzelnen Menschen, die stärkste dürfte wohl im Lernen selbst zu suchen sein. Wieweit Erwachsenenbildung allerdings kausal für die Erträge von Bildung ist oder ob nicht umgekehrt die bildungs- oder statusbezogenen Vorteile kausal für die Teilnahme an Erwachsenenbildung sind, ist noch zu untersuchen (vgl. Schrader: 2018, S. 133). 

Jedenfalls trägt Erwachsenenbildung mit ihren Angeboten zur Verbesserung des sozialen Zusammenhalts bei und unterstützt die Bereitschaft des Einzelnen, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Zudem unterstützt Erwachsenenbildung durch spezielle Programme die persönliche Weiterentwicklung, die Verbesserung der Chancen der Menschen im Alltag, im Beruf und in der Bildung. 

In den Jahren 2018 bis 2021 wurde die BeLL-Studie in österreichischen Volkshochschulen mit einem geringfügig adaptierten Fragebogen aus der europaweiten Studie durchgeführt und die Ergebnisse wurden großteils bestätigt (Keser Aschenberger & Kil: 2020) und darüber hinaus zeigte sich, dass die Volkshochschule als ein Raum der Diskussion, des Tätigwerdens, der Horizonterweiterung, der Neugierde und der Auffrischung erlebt wird (Vater: 2021).

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Quelle
Vater 2021, S. 45.

Bisher wurden die Wirkungen der allgemeinen Erwachsenenbildung behandelt, darüber hinaus wären auch die von beruflicher Erwachsenenbildung zu nennen, die zumeist mit beruflichen Verbesserungen und Einkommenszuwächsen einhergehen (vgl. dazu Motschilnig: 2012).

Doch um diese und andere Wirkungen entfalten zu können, bedarf es einiger Voraussetzungen. Besonders relevant ist die Erreichbarkeit der Bildungseinrichtungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Distanzradius bezüglich der Realisierung des Erwachsenenlernens hängt mit dem Bildungs- bzw. Kompetenzniveau der Menschen zusammen. Je höherqualifizierter die Menschen sind, desto höher ist die Bereitschaft, lange Anfahrtszeiten in Anspruch zu nehmen (vgl. Mörth et al.: 2005). Darüber hinaus ist auch eine gute Breitbandanbindung wichtig, um digitale Lernformen möglich zu machen. 

Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist in vielen ländlichen Gemeinden sehr problematisch, was umso mehr wiegt, wenn auch der Zugang zu infrastrukturellen Einrichtungen in diesen Gebieten schlecht ausfällt. 

Für ländliche Regionen zeigt sich jedoch, dass diese oft einen schlechteren Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln haben. Die geringere Anzahl an Erwachsenenbildungsangeboten in diesen Gemeinden verringert die Bildungs- und Verwirklichungschancen der Bevölkerung maßgeblich. Dies wird vor allem unter dem Aspekt klar, dass mit steigender Distanz zwischen Wohnort und Bildungsangebot die Teilnahmebereitschaft sinkt. Abgesehen von der geringeren Anzahl an Erwachsenenbildungsangeboten, ist auch die Anzahl an tätigen Erwachsenenbildungsanbieter*innen in den ländlichen Regionen geringer und konzentriert sich auf die regionalen Bildungszentren.

In der Steiermark, um bei diesem Beispiel zu bleiben, haben 72 Gemeinden, also 25 Prozent aller steirischen Gemeinden, mit einem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen. Der Zugang zum öffentlichen Verkehrsnetz ist genauso mangelhaft wie der Zugang zu infrastrukturellen Einrichtungen. Zudem ist die Breitbandverfügbarkeit verhältnismäßig schlecht und das kommunale Einkommen äußerst niedrig (Bauer: 2024, S. 204–224).

Damit die Erwachsenenbildung ihre Wirkungen voll entfalten kann, sind auch andere Politiken gefordert. In dem skizzierten Fall ist auf eine entsprechende Infrastruktur von hoher Bedeutung. Hinzuweisen ist allerdings auch auf eine bessere Finanzierung der Erwachsenenbildung. Seit Jahrzehnten wird von der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) eine Finanzierung in der Höhe von einem Prozent des Bildungsbudgets gefordert, eine Förderung, die auch jüngst, nicht zuletzt auf Initiative des VÖV, von der Kammer für Arbeiter und Angestellte wieder aufgegriffen wurde. Eine solche Mittelerhöhung kommt einer Verdoppelung des derzeitigen bundesweiten Budgets für Erwachsenenbildung gleich und sie ist keine bloße Subvention, sondern eine Investition, wie das auch in der jüngst von der Europäischen Kommission herausgegebenen Kommunikation „Union of Skills“12 formuliert wurde. 

Stellschraube Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung wird unter ihrem Wert geschlagen. Und viele Menschen können sich unter Erwachsenenbildung noch wenig vorstellen, teilweise gibt es noch Vorstellungen, wonach eine Klassenzimmer-Atmosphäre das vorherrschende Element in der Erwachsenenbildung sei. Es ist keine Frage, dass Erwachsene in Klassenzimmern und Kursräumen lernen, aber das Lernen unterscheidet sich doch in den allermeisten Fällen deutlich vom schulischen Lernen (vgl. Jütte: 2014). 

Erwachsenenbildung praktiziert erfolgreich Vernetzung, und alle Beteiligten, insbesondere die Lernenden, profitieren von Erfahrungsaustausch, von gegenseitiger Unterstützung. Ein gutes Beispiel gelungener Vernetzung ist das Programm „Level Up – Erwachsenenbildung“ (vgl. Piegler: 2025). Im Bildungshub Kärnten kooperieren Universitäten, Fachhochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung mit Betrieben.13 Volkshochschulen sind ein verlässlicher Partner der Gemeinden und Städte, sie decken grundlegende Bedarfe von Individuen und Kommunen ab (vgl. Panholzer: 2021). Mit ihrem breiten Angebot, das auf den Europäischen Schlüsselkompetenzen für das lebensbegleitende Lernen beruht und das die Aneignung von Lebenskompetenzen unterstützt, sind die Volkshochschulen einzigartig. 

Einrichtungen der Erwachsenenbildung und insbesondere Volkshochschulen wenden sich mit flexiblen Angeboten und wohnortnahe an die Menschen. In vielfältigen Settings gestalten sie auch bei der Kommunalentwicklung mit, durch Bildungsveranstaltungen, aber auch durch Plattformen, die Beteiligung fördern (vgl. Egger: 2021).

Eine besondere Aufmerksamkeit ist dem Thema „Lebenskompetenzen“ zu widmen. Viele Menschen müssen mit Lebensbedingungen zurechtkommen, die immer komplexer werden. Dazu kommt, dass viele lebenspraktische Skills zunehmend weniger von Eltern oder Großeltern vermittelt werden und daher eigens erworben werden müssen. Darunter fallen viele Aufgaben, die in Haushalten zu erledigen sind. Auch die Erziehung von Kindern wird immer komplexer, vielfach fehlen Grundlagen der Finanzbildung, wie komme ich mit dem zur Verfügung stehenden Geld aus, wie kann ich trotz knapper Finanzmittel ein zufriedenstellendes Leben führen. Die Palette an Themen ist sehr breit und es wäre sinnvoll eine Liste von möglichen Themen zu erstellen. Viele von ihnen werden in einzelnen Veranstaltungen in den Volkshochschulen angeboten. Sie zu bündeln und daraus etwas wie Basic Life Skills zu entwickeln und kompakt sowie gut sichtbar anzubieten wäre sicherlich auch ein Thema, das von der Regional- und Lokalpolitik bald eine Unterstützung findet.

Alles in allem: Eine erfolgreiche und nachhaltig wirksame Regionalpolitik kommt an der Erwachsenenbildung nicht vorbei. //

1   Siehe: https://european-union.europa.eu/priorities-and-actions/actions-topic/regional-policy_de [19.3.2025].

2   Siehe: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=LEGISSUM:economic_social_cohesion [19.3.2025].

3   Siehe: https://www.efre.gv.at/

4   Siehe: https://www.esf.at/

5   Siehe: https://www.oerok.gv.at/eu-fonds-2021-2027 [19.3.2025].

6   Vgl. https://www.zukunftsraumland.at/themen/leader/leader-in-oesterreich/ [19.3.2025].

7   Die Presse, 7. Dezember 2024, W1.

8   Siehe: https://science.apa.at/power-search/8382690161013301243 [19.3.2025].

9   Die Presse, a.a.O.

10   Bauer hat in seiner fundierten Dissertation zahlreiche Daten zur wirtschaftlichen Teilhabe, zur Versorgung, zur Mobilität sowie zur sozialen Teilhabe und zur Teilhabe an Bildung zusammengetragen und ausgewertet. 

11   Einen guten Überblick über die verschiedenen Studien gibt der Beitrag von Ricarda Motschilnig, verfügbar unter: https://www.dvv-international.de/en/adult-education-and-development/editions/aed-782012/benefits-of-adult-learning-and-social-inclusion/wider-benefits-of-adult-education-an-inventory-of-existing-studies-and-research/ [19.3.2025].

12   Siehe: https://commission.europa.eu/topics/eu-competitiveness/union-skills_en [19.3.2025].

13    Siehe: https://bildungshub-ktn.at/ 

Verwendete Literatur

Bauer, Christoph (2023): Bildung wirkt! – Überall? Verfügbar unter: https://erwachsenenbildung-steiermark.at/bildung-wirkt-ueberall/?highlight=christoph%20bauer [18.3.2025].

Bauer, Christoph (2024): Teilhabeatlas Steiermark. Teilhabemöglichkeiten und Bildungschancen der steirischen Bevölkerung. Visualisierung der aktuellen Situation in den steirischen Gemeinden als Grundlage und Hilfsinstrument zur regionalen Entwicklung. Diss., Univ. Graz. Verfügbar unter: https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/10599303 [18.3.2025].

Bornschier, Simon, Haffert, Lukas, Häusermann, Silja, Steenbergen, Marco & Zollinger, Delia (2024): Cleavage Formation in the Twenty-first Century. How social Identities shape voting Behavior in Contexts of electroal Realignment. Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781009393508 

Collier, Paul (2024): Aufstieg der Abgehängten. Wie vernachlässigte Regionen wieder erfolgreich werden können. München: Siedler.

Egger, Rudolf (2021): Bildungsarmut und Bindungslosigkeit lassen sich nicht wegimpfen. Ermutigungen zur Stärkung der Erwachsenenbildung in pandemischen Zeiten. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 72 (274), 9–12. Verfügbar unter: https://magazin.vhs.or.at/magazin/2021-2/274-herbst-2021/schwerpunkt-erwachsenenbildung-im-laendlichen-raum/bildungsarmut-und-bindungslosigkeit-lassen-sich-nicht-wegimpfen/ [24.3.2025]. 

Haffert, Lukas (2022): Stadt, Land, Frust. Eine politische Vermessung. München: C.H. Beck

Jütte, Wolfgang (2014): Gelungener Unterricht und zeitgemäße Lernkulturen an Volkshochschulen. Ergebnisse der Befragung von Kursleiter/innen der VHS Wien zu ihrem Verständnis und ihrer Einschätzung von gelungenem Unterricht. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 65 (251), 12–17. Verfügbar unter: https://magazin.vhs.or.at/wp-content/uploads/2015/03/OVH_Magazin_251_01_2014.pdf [24.3.2025].

Keser Aschenberger, Filiz & Kil, Monika (2020): Welche „Benefits“ für die Lernenden hat Erwachsenenbildung nach der Teilnahme am Kursangebot von Volkshochschulen? In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Sommer 2020, 71 (270), 4–13. Verfügbar unter: https://magazin.vhs.or.at/magazin/2020-2/270-sommer-2020/schwerpunkt-benefit-lernen-in-der-vhs/welche-benefits-fuer-die-lernenden-hat-erwachsenenbildung-nach-der-teilnahme-am-kursangebot-von-volkshochschulen/ [24.3.2025].

Kil, Monika, Motschilnig, Ricarda & Thöne-Geyer, Bettina (2013): What Can Adult Education Accomplish? The Benefits of Adult Learning – The Approach, Measurement and Prospect. Verfügbar unter: https://www.die-bonn.de/doks/2013-benefits-en-01.pdf [18.3.2025].

Manninen, Jyri, Sgier, Irena, Fleige, Marion & et al. (2014): Benefits of Lifelong Learning in Europe: Main Results of the BeLL-Project. Research Report. Verfügbar unter: http://www.bell-project.eu/cms/wp-content/uploads/2014/06/BeLL-Research-Report.pdf [18.3.2025].

Mörth, Ingo, Ortner Susanne & Gusenbauer, Michaela (2005): Niedrigqualifizierte in Oberösterreich – Der Weg in die Weiterbildung, Land Oberösterreich, Abteilung Jugend, Bildung & Sport – Servicestelle für Erwachsenenbildung, Weiterbildungssymposium 2005. Verfügbar unter: http://soziologie.soz.uni-linz.ac.at/sozthe/staff/moerthpub/WeiterbildungBuch.pdf [18.3.2025].

Motschilnig, Ricarda (2012): Wider Benefits of Adult Education – An Inventory of Existing Studies and Research. DVV International. Verfügbar unter: https://www.dvv-international.de/en/adult-education-and-development/editions/aed-782012/benefits-of-adult-learning-and-social-inclusion/wider-benefits-of-adult-education-an-inventory-of-existing-studies-and-research/ [19.3.2025].

Panholzer, Julia (2021): Erwachsenenbildung im ländlichen Raum am Beispiel der VHS Gutau. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 72 (274), 24–26. Verfügbar: https://magazin.vhs.or.at/magazin/2021-2/274-herbst-2021/schwerpunkt-erwachsenenbildung-im-laendlichen-raum/erwachsenenbildung-im-laendlichen-raum-am-beispiel-der-vhs-gutau/ [24.3.2025].

Piegler, Daniela (2025): Vernetzung bringt Vorteile für alle. Interview für das Bildungsnetz Steiermark. Verfügbar unter: Vernetzung bringt Vorteile für alle | Bildung für Erwachsene in der Steiermark [24.3.2025].

Schrader, Josef (2018) unter Mitarbeit von Anne Hild und Franziska Loreit: Lehren und Lernen in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Bielefeld: wbv Media.

Schwarz, Wolfgang (2014): Die sozio-ökonomische Entwicklung der Regionen in der Europäischen Union – Raum-zeitliches Mosaik der Ungleichheit. In: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, 156, 9–56. Verfügbar unter: https://oegg.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/k_oegg/MOeGG-PDFs/Band_156/M156_009-056_Schwarz.pdf [19.3.2025].

Vater, Stefan (2021): Die Volkshochschulen – ein offener Bildungsraum. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung, 72 (275), 40–45. Verfügbar unter: https://magazin.vhs.or.at/magazin/2021-2/275-winter-2021/bildungsthemen/die-volkshochschulen-ein-offener-bildungsraum/ [18.3.2025].

Bisovsky, Gerhard (2025): Zu dieser Ausgabe. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr 2025, Heft 284/76. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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