Viele politische Entscheidungsträger/innen sind bestrebt, mehr Lernende aus benachteiligten Gruppen zu erreichen. Wie ist das möglich? Wir hoffen, Ihnen nachstehend einige Lösungsansätze anbieten zu können. Sie verfügen wahrscheinlich über sehr gute Instrumente für die Planung, Organisation, Umsetzung und Monitoring von Initiativen. Wir, die Erwachsenenbildungsorganisationen und die Zivilgesellschaft, haben Know-how, Ideen und Ansätze, die Ihnen vielleicht nicht bekannt sind. Dementsprechend finden Sie nachstehend einige Vorschläge.
Wir möchten Sie auch auf die Sammlung von Beispielen „guter Praxis“1 hinweisen, die wir im Rahmen des Grundtvig-Netzwerks „Outreach – Empowerment – Diversity“ zusammengestellt haben und die eine breite Palette von Lösungsansätzen
aus verschiedenen europäischen Ländern enthält. Außerdem haben wir methodische Hilfestellungen für Anbieter und Ausbilder/innen im Bereich der Erwachsenenbildung ausgearbeitet, damit sie neue, Empowerment fördernde Methoden einsetzen können: Sie sind auf der Website des OED-Projekts 2 in Englisch3, Französisch4 und Deutsch5 abrufbar. Sie können diese beiden Publikationen natürlich nach Lust und Laune verbreiten.
1. Problembereiche identifizieren
Was sind die wichtigsten Bereiche, die Sie angehen möchten, und welche potenziellen Lernenden wollen Sie ansprechen?
- Anbieter wissen oft sehr gut, wen sie erreichen können und wen nicht. Sie können ebenso wie NROs eine wichtige Informationsquelle darstellen.
- Es ist ein differenziertes Bild jener Menschen zu entwickeln, die Sie ansprechen möchten, wobei die Zusammenfassung in nichtexistente Gruppen wie zum Beispiel „muslimische Frauen“ zu vermeiden ist.
2. Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und Ministerien
Menschen aus benachteiligten Gruppen sind oft mit einer Vielzahl von Herausforderungen und Hindernissen konfrontiert, eine Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und Ministerien ist daher sehr vielversprechend.
Auch Kooperationen über unterschiedliche Sektoren hinweg (z. B. Migrantinnen über die Schulen ihrer Kinder, Menschen im Allgemeinen über Gesundheitsdienstleister, Schulabbrecher/innen usw.) können oft zum Ziel führen. Für bestimmte potenzielle Lernende (Häftlinge, Flüchtlinge) ist auch eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien erforderlich.
Mögliche Kooperationspartner gibt es in folgenden Bereichen: Arbeitswelt (Beschäftigung), Kultur (Outreach, neue Lernumfelder), Gesundheit und Wohlbefinden (Outreach, aber auch Nutzen, aktives Altern), Verbraucherfragen (Verbraucherbildung, Kenntnisse in Finanzfragen und Outreach), Justiz (Gefangene), Soziales (Minderheiten, Verbindung mit Sozialarbeit, aktives Altern usw.).
3. Qualitative Zielvorgaben und Ziele einführen
Was möchten Sie erreichen? Die Festlegung quantitativer und qualitativer Ziele – gemeinsam mit der Zivilgesellschaft – kann bei der Umsetzung und beim Monitoring von Nutzen sein.
- Quantitative Ziele können gegenüber Fördereinrichtungen als Rechtfertigung für Projekte dienen.
- Qualitative Ziele können dazu beitragen, das allgemeine Verständnis einer Initiative zu verbessern. Beispielsweise, welchen Nutzen die Teilnehmenden ihrer Meinung nach gehabt haben. Geschichten der Lernenden zu sammeln, kann auch für die Bewusstseinsbildung sehr hilfreich sein, sowohl für die Lernenden selbst als auch für andere Gruppen.
4. Zusammenarbeit mit anderen Akteuren
Akteure wie Sozialpartner, Bildungsträger und NROs können den Initiativen mehr Bürgernähe verschaffen und gewährleisten die reibungslose Umsetzung der Maßnahmen. Eine enge Zusammenarbeit mit ihnen trägt zum Erfolg bei. Gibt es in Ihrem Land eine Dachorganisation für Erwachsenenbildung? Die Unterstützung einer Dachorganisation kann sowohl für die Zivilgesellschaft als auch die politischen Entscheidungsträger eine Win-win-Situation sein. Die politischen Entscheidungsträger haben einen zentralen Ansprechpartner, mit dem sie zusammenarbeiten können und der seine Mitglieder koordiniert. Erwachsenenbildungsanbieter verfügen damit über eine Interessenvertretung und eine Networking-Plattform.
5. Hindernisse identifizieren
Was sind die Hauptursachen, die potenzielle Lernende, die sie erreichen möchten, von der Teilnahme abhalten? Es liegt bereits umfangreiches Datenmaterial aus Praxis und Forschung zur Frage der Hindernisse und ihrer möglichen Überwindung vor. Sie können also, nachdem Sie die Hindernisse einmal identifiziert haben, von den Erfahrungen aus ganz Europa (und darüber hinaus) profitieren, um geeignete und praktische Lösungen zu finden.
- Freizeitkurse sind oft das beste Mittel, um Menschen für das Lernen zu gewinnen. Politische Entscheidungsträger/innen unterschätzen häufig das Potenzial solcher Kurse zu Themen wie Bauchtanz, Yoga, Kochen oder Singen. Für Menschen mit negativen Schulerfahrungen können sie der Einstieg in die Weiterbildung und ein neues Leben sein.
6. Kapazitätsaufbau anbieten
Um die Umsetzung von Outreach, Empowerment und Diversität voranzubringen, benötigen Erwachsenenbildungsanbieter sowie ihre Mitarbeiter/innen und Ausbilder/innen möglicherweise Unterstützung und Zusatzausbildungen. Um die von den politischen Entscheidungsträger/innen für eine Initiative bereitgestellten Mittel bestmöglich zu nutzen, könnte in der Anfangszeit, und möglicherweise auch darüber hinaus, ein Kapazitätsaufbau erforderlich sein.
- In unseren methodischen Hilfestellungen6 finden Sie zahlreiche Anregungen.
- Kritisches Hinterfragen der eigenen Maßnahmen auf allen Ebenen, d. h. der Einrichtung, des Programm-Managements und der Lernhilfen, ist für eine positive Entwicklung der Initiative sehr hilfreich.
7. Mögliche Sensibilisierungsmaßnahmen
Erwachsenenbildung hat vielfältigen Nutzen – sowohl für die Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Eine Sensibilisierungskampagne kann hilfreich sein, um die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen. Die EAEA hat eine Reihe von bewährten Verfahren (wie die Woche der Erwachsenenbildung und den Erwachsenenbildungsbus) und Empfehlungen für Sensibilisierungskampagnen zusammengestellt.
8. Unbeabsichtigte Auswirkungen im Auge behalten
Beim Monitoring der Auswirkungen der Initiative ist auch nach möglichen unbeabsichtigten Folgen Ausschau zu halten: Hat sich die Initiative auf andere Zielgruppen ausgewirkt? Wie verhält es sich mit den Anbietern?
- Bestimmte Auswirkungen einer Strategie sind am Anfang nicht unbedingt absehbar. Wenn Anbieter beispielsweise nach der Zahl der Absolvent/innen eines Kursangebots bezahlt werden, führt dies höchstwahrscheinlich dazu, dass nur die Teilnehmenden mit den größten Erfolgsaussichten herausgepickt werden. Die „Schwierigeren“ fallen dann durch das Raster. //
Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Bemühungen.
Für Fragen oder Rückmeldungen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Wenn Sie sich dazu entschließen, unsere Vorschläge zu übernehmen, würden wir uns über Ihre Berichte freuen. Francesca Operti (francesca.operti@eaea.org) und Gina Ebner (gina.ebner@eaea.org) im Namen des OED-Netzwerks
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