Rede zum Radiopreis der Erwachsenenbildung

Rede zum Radiopreis der Erwachsenenbildung

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Foto: Michaela Obermair

Als ich vor ein paar Monaten gebeten wurde, diese Rede zu halten, hatte ich keine Ahnung, dass das in einer gerade beginnenden neuen Weltordnung geschehen würde, in der plötzlich Dinge möglich sind, die wir noch vor einem halben Jahr für völlig unvorstellbar hielten.

Aber als ich begann, diese Rede zu schreiben, ging am Bildschirm-Hintergrund gerade die Inauguration von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten über die Bühne, fast reinweiße Chöre sangen und Eide wurden geschworen von einigen der reichsten Menschen der Welt. Ich schrieb diese Rede zu Ende kurz nachdem Donald Trump, umringt von sieben reichen, weißen Männern, mit seiner Unterschrift die Streichung der finanziellen Unterstützung für alle jene NGOs besiegelte, die im Ausland Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder Frauen über Abtreibungen informieren. Er setzte damit eines seiner Versprechen um – gegen Abtreibungen vorzugehen – und er rächte sich gleichzeitig an all den Frauen, die mit dem „March on Washington“ eine weit größere Menschenmenge angezogen hatten als Trump bei seiner Vereidigung. Dieses Bild dieser acht weißen Männer, die über Frauen, ihre Körper, ihre Reproduktionsorgane bestimmen, darüber, was Frauen tun dürfen und was sie nicht tun dürfen: Dieses Bild soll alle Frauen demütigen und es wirkt auch bei mir. Solche Bilder haben wir jetzt.

Als ich den Auftrag zu dieser Rede bekam, war dieses Bild aus dem Weißen Haus undenkbar. Es war nicht nur unwahrscheinlich, es war ausgeschlossen, eine irre Dystopie von ein paar hoffnungslosen Pessimisten und Talkshow-Hosts. Es war völlig klar, dass am 25. Jänner 2017 Hillary Clinton die erste weibliche Präsidentin der USA sein würde, und der Albtraum der Trump-Kandidatur wäre so verschwommen, dass man sich bald schon fragen würde: Kannst du dich noch daran erinnern, wie dieser Donald Trump einmal ernsthaft Präsident von Amerika werden wollte? Dieser Irre? Hahaha.

Und jetzt wachen wir jeden Morgen auf und Donald Trump, dieser Irre, ist immer noch Präsident von Amerika und er wird es auch morgen noch sein. Der Leader of the Free World. Der Albtraum geht immer weiter.

Plötzlich leben wir in einer Welt, in der man einen Preis für Erwachsenenbildung nicht vergeben kann, ohne auf deren Gegenteil einzugehen. Auf Erwachsenen-Unbildung. Auf Erwachsenenverdummung, die allen Erkenntnissen zufolge dazu geführt hat, dass wir stehen, wo wir stehen: paralysiert, im allmorgendlichen Trump-Schock, über das, was er gestern wieder gemacht hat, und in ängstlicher Erwartung dessen, was er heute wieder machen wird. Dass wir an diesen Punkt gekommen sind: Das hängt ursächlich mit gezielter, vorsätzlicher Erwachsenenverdummung zusammen, einer Verdummungskampagne, die noch nie so massiv und mit einem derartigen Engagement und Aufwand betrieben wurde, wie im vergangenen Jahr. Es war eine Verdummungsmaschine, die hier angeworfen wurde, um den Menschen Angst zu machen, mit falschen Zahlen und Lügengeschichten und erlogenen Tatsachen; um das Verhalten der Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen.

Das hat in Amerika funktioniert, und hier bei uns in Österreich zum Glück gerade nicht. Wie die Amerikaner standen wir an einem Scheidepunkt. In Österreich ging die Entscheidung, anders als in Amerika, schließlich zugunsten der Vernunft aus, der Besonnenheit, des Miteinanders und der Offenheit, Fakten gewannen bei uns letztlich gegen den Fake aus den sozialen Netzwerken.

Und die Erleichterung darüber wird größer:

– an jedem Tag, an dem wir Donald Trump seine Macht- und Rachephantasien ausleben und Amerika isolieren sehen,

– an jedem Tag, an dem vom blauen Pult des Weißen Hauses herunter neue Unwahrheiten behauptet werden – oder wie es jetzt heißt: „alternative facts“ – Tatsachen in Frage gestellt und belegbare Recherchen in Zweifel gezogen werden;

– an jedem Tag, an dem Medien diffamiert und mit Konsequenzen bedroht werden, wenn sie nicht im Sinne des neuen Präsidenten berichten,

– an dem Journalistinnen und Journalisten beschimpft und verklagt werden.

An jedem dieser Tage, jeden Tag jetzt, bin ich froh und erleichtert, dass wir hier in Österreich einer vielleicht vergleichbaren Situation noch einmal entkommen sind, jedenfalls bis zur nächsten Wahl. Vielleicht lag es tatsächlich daran, dass die Fake News hier über die echten Nachrichten nicht gewonnen haben, dass die Angst, die solche Falschmeldungen schüren sollen, nicht überhandgenommen, nicht gesiegt hat. Dass immer noch eine Mehrheit der Leute echten, recherchierten Nachrichten und Beiträgen aus richtigen Medien wie dem Radio mehr glauben , echten Zahlen, echten Fakten, sorgfältiger, objektiver Recherche, Reportagen, die sich an Orte wagen, von denen andere nur furchterregende Hörensagen-Geschichten erzählen. Wobei wir uns ohnedies nichts vormachen: Es wollten genug Menschen erfundene Schauergeschichten über Flüchtlinge und andere Ausländer glauben, es sind genug Menschen in den sozialen Netzwerken auf teilweise groteske Fake News hereingefallen, und es wurde viel zu viel Hass geschürt, der jetzt nicht einfach verschwunden ist. Aber letztlich hat eine Mehrheit die Verdummungsmaschine der Fake News erkannt.

Und das muss zu einem ganz klaren Bekenntnis zu einem echten, aufklärererischen, den Tatsachen verpflichten Journalismus führen, einem Bekenntnis zu unvoreingenommener Recherche und zu mutigem Investigationsjournalismus. Zu Erwachsenenbildung statt zu Erwachsenenverdummung. Das beinhaltet einen Auftrag an alle Journalistinnen und Journalisten, Reporterinnen und Reporter: Keinen Schritt zurückzuweichen, keine Recherche weniger zu machen, keine Frage weniger zu stellen oder zahmer. Es ist auch ein Auftrag an ein öffentlich-rechtliches Medium wie den ORF, an alle Medien, die sich unabhängigem, objektivem Journalismus verpflichtet haben: Nicht dort zu sparen, wo die Fakten geliefert werden, nicht bei denen zu sparen, die die notwendigen Fragen stellen, nicht sorgfältige Recherchen und aufwändige Reportagen als Luxus zu betrachten, den man sich nicht mehr leisten kann und auch nicht muss.

Man muss. Wir müssen uns das leisten. Wir brauchen das. Wir brauchen das dringender denn je. Damit wir auch weiterhin Beiträge und Geschichten zu lesen, zu hören und zu sehen bekommen, die der Wahrheit verpflichtet sind, und echten, nicht alternativen Fakten.

In diesem Sinne: Danke an alle Nominierten: Danke, für die Arbeit, die Sie machen, für den Aufwand, den Sie sich antun, sehr oft unter widrigen Bedingungen. Danke für alle Fragen, die Sie stellen, auch wenn sie nicht gern beantwortet werden, für alle belegten Fakten, die Sie liefern und für die Geschichten, die Sie auch in entlegenen Winkeln recherchieren: Danke, dass Sie dafür sorgen, dass ich Ihre Sender aufdrehen kann und keine Angst haben muss, belogen zu werden.

Sie machen einen guten Job – und im Moment den vielleicht wichtigsten der Welt. //

1   Gehalten am 25. Jänner 2017 im RadioKulturHaus Wien.

Knecht, Doris (2017): Rede zum Radiopreis der Erwachsenenbildung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Juni 2017, Heft 261/68. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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