„Mit und nach der Corona-Krise: Transformation der Gemeinwesenorientierung in Erwachsenenbildung und Sozialer Arbeit“

Die Werkstätte Gemeinwesenarbeit (GWA) am BIfEB existiert bereits seit 40 Jahren: Der Ring Österreichischer Bildungswerke brachte die gemeindebezogene Erwachsenenbildung (EB) am BIfEB ein. Ab 1979 etablierte sich die GWA in jährlichen Tagungen mit über 200 Projekten als Impulsgeberin des bildungs-, sozial- und kulturpolitischen Handelns in der gesellschaftskritischen Praxis der Erwachsenenbildung. So war die GWA in der Erwachsenenbildung etwa Pionierin bei der Einführung aktivierender Methoden wie Zukunftswerkstätten. (Vgl. https://gemeinwesenarbeit.BIfEB.at). Die GWA versteht sich als freie Arbeit am Gemeinwesen, auch im Verständnis einer „befreienden Praxis“ im Sinne Paolo Freires. Hauptziel ist dabei, Probleme von BürgerInnen oder Minderheiten in Gemeinden oder Stadtteilen als gesellschaftliche Probleme zu erkennen, zu analysieren und zu lösen. Handlungsanleitend sind hierfür Bildung im Gemeinwesen sowie solidarische und demokratische Grundwerte.

2021 konstituierte sich die GWA-Steuerungsgruppe neu und besteht heute aus acht VertreterInnen von EB-Organisationen und einem Vertreter der Sozialen Arbeit: Wolfgang Kellner (Ring Österreichischer Bildungswerke), Stefan Vater (Verband Österreichischer Volkshochschulen), Gerda Daniel (Arge-Region Kultur), Rahel Baumgartner (Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung), Christoph Stoik (FH Campus Wien, Soziale Arbeit), Simon Andreas Güntner (TU Wien, Raumsoziologie), Cornelia Primschitz (BIfEB) und Gerhild Schutti (BIfEB).

Tagung 2021 – „Mit und nach der Corona-Krise: Transformation der Gemeinwesenorientierung in Erwachsenenbildung und Sozialer Arbeit“

Von 20. bis 22. September 2021 trafen sich rund 50 SozialarbeiterInnen, ErwachsenenbildnerInnen und GemeinwesenarbeiterInnen am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, um sich die Frage nach GWA und Erwachsenenbildung nach Corona zu stellen.

Die Corona-Pandemie hat Gemeinwesenarbeit und gemeinwesenorientierte Erwachsenenbildung in ihrem Kern getroffen: als gesellschaftlichen Bereich, der von gemeinsamem Handeln und Lernen in direkter Kommunikation und in leiblicher Präsenz geprägt ist. Sie hat gesellschaftliche Entwicklungen verstärkt, die schon vor der Pandemie bestanden haben. Neben der drängenden, durch Einsparungen mitverursachten Gesundheitskrise verschärfen sich bestehende ökonomische und soziale Ungleichheiten. Distanz wird zur Tugend, ersetzt Nähe und Solidarität. Der pandemische Ausnahmezustand beeinträchtigt demokratische Prozesse, Grundrechte können schnell außer Kraft gesetzt werden. Durch die eingeschränkte Nutzbarkeit des öffentlichen Raums hat eine Verschiebung in private und digitale Räume stattgefunden. Zentrale Felder der Gemeinwesenarbeit sind von massiven und auch fragwürdigen Einschränkungen betroffen: die soziale, politische und kulturelle Beteiligung im lokalen Gemeinwesen, das Engagement für Umwelt und Chancengerechtigkeit usw. Als besonders widersprüchlich erweist sich die massive Durchsetzung digitaler Kommunikation: Sie eröffnet neue und überraschende Möglichkeiten für Gemeinwesenarbeit und gemeinwesenorientierte Erwachsenenbildung, bewirkt aber auch neue Ausgrenzungen in den Gemeinwesen. 

Emma Dowling (Universität Wien) brachte nach dem Marktplatz der teilnehmenden Projekte (vgl. https://gemeinwesenarbeit.BIfEB.at zu den Projekten) einen Beitrag zu den „Sorge-Arrangements“ moderner Gesellschaften und ihrer Veränderung durch die Pandemie. COVID wurde von ihr als Verstärker und Brennglas beschrieben, beispielsweise in der Verstärkung der Selbstverantwortung auch für Krankheit. Roland Roth (Universität Marburg) charakterisierte in zwölf Punkten Veränderungen durch COVID. Seine Einschätzungen reichten von der Notwendigkeit „die Zivilgesellschaft fit zu machen für die Herausforderungen der Gegenwart“ über das Aufkommen von Verschwörungstheorien bis zu einer auch optimistischen Perspektive auf die Gesellschaft nach COVID. Den Abschluss der Tagung leistete Simon Andreas Güntner (TU Wien, Raumsoziologie) vom Tagungsteam mit einer Zusammenschau, die er grundlegend auf John Deweys Ideen zu Demokratie als Lebensform bezog. Dazwischen gab es jede Menge Workshops und Diskussionen. Alle Hauptinputs können demnächst auf https://gemeinwesenarbeit.BIfEB.at nachgehört und -gesehen werden. //

Vater, Stefan (2021): „Mit und nach der Corona-Krise: Transformation der Gemeinwesenorientierung in Erwachsenenbildung und Sozialer Arbeit“. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2021, Heft 274/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

Kommentare

Neuen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Zurück nach oben