„So erfolgreich ist Basisbildung. So ist Basisbildung erfolgreich“
Ein Veranstaltungsbericht

ExpertInnen am Wort

Das gewählte Setting für die Veranstaltung bestand aus zwei ExpertInnenrunden. Zunächst wurden zwei Teilnehmende aus Basisbildungslehrgängen der Wiener Volkshochschulen von den VHS-Mitarbeiterinnen Petra Amster und Martina Rienzer zu ihren persönlichen Erfolgsfaktoren, aber auch Hürden befragt. Beide Teilnehmenden betonten ihren persönlichen Mehrwert bei der Bewältigung des Alltags durch die Teilnahme an Basisbildungsmaßnahmen, aber auch das „andere Lernen“, das man in den Volkshochschulen kennengelernt habe. Chancen und Hürden wurden hier gleichzeitig mit dem Satz des Abends auf den Punkt gebracht: „In Österreich brauchst du für alles ein Zertifikat.“ Und eben diese richtigen bzw. wichtigen Zertifikate seien für Betroffene ohne solche Scheine oft schwer erreichbar.

Genau dieses Spannungsfeld zwischen den individuellen Bedürfnissen wie Lernfortschritten und einer allgemeinen Messbar- und Verwertbarkeit von Kompetenzen, die in Basisbildungsmaßnahmen erworben werden, bildete den Rahmen für die zweite ExpertInnenrunde. Teilnehmende waren Mag. Martin Netzer (Generalssekretär BMBWF), Landtagsabgeordneter Heinz Vettermann, Dr. Günther Hefler (3S Unternehmensberatung GmbH), Mag. Michael Tölle (AK Wien) und Mag.a Mareen Köpnick (Unterrichtende IEB/Basisbildung/VHS Wien).

Erfolgsgeschichte Initiative Erwachsenenbildung: Am richtigen Weg oder in Gefahr!?

Einigkeit herrschte am Podium darüber, dass die Initiative Erwachsenenbildung eine in Europa einzigartige Erfolgsgeschichte darstellt, die auch in Zukunft fortgeführt und abgesichert werden muss. Heinz Vettermann betonte diese gemeinsame Leistung und auch die Bedeutung der IEB für Wien als Bundesland mit den meisten Angeboten. Michael Tölle regte angesichts des breiten Konsenses sogar eine entsprechende Verfassungsbestimmung an. Ebenso wurde von allen ExpertInnen der zentrale Beitrag der Volkshochschulen zu diesem Erfolg betont.

Bezüglich des „Curriculums Basisbildung“, der dort vorgesehenen verbindlichen Kompetenzniveaus, Leistungsfeststellungen und Zertifikate herrschte insbesondere zwischen Martin Netzer und Günther Hefler ebenso Uneinigkeit wie über die strategische Ausrichtung der IEB. Auf der einen Seite stand hier die Betonung der Anschlussfähigkeit im Kontext mit dem weiteren Bildungsweg, aber auch die arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit. Demgegenüber wurde vor überzogenen Ansprüchen an Basisbildungsprogramme bzw. ihre Teilnehmende gewarnt. Deren Fortschritte seien nämlich oft jenseits von Mess- und unmittelbarer Verwertbarkeit – insbesondere am Arbeitsmarkt. Das gelte es, ebenso wie den Beitrag des Programms IEB zur Partizipation bzw. Integration, offen auszusprechen. Gerade dieser letzte Punkt wurde allerdings im weiteren Verlauf der Debatte außer Streit gestellt.

Aus der Praxis der Wiener Volkshochschulen betonte Mareen Köpnick vor allem individuell unterschiedliche, persönliche Erfolgsfaktoren von Basisbildung, die als Leitideen auch in den „Prinzipien und Richtlinien für Basisbildungsangebote“ festgehalten sind. In der Basisbildung gäbe es Menschen, die den Pflichtschulabschluss anstreben, genauso wie jene, die Briefe von den LehrerInnen ihrer Kinder lesen können wollen, eine Arbeit finden oder einfach nur zum ersten Mal in die Schule gehen bzw. lesen und schreiben lernen möchten. Basisbildung sei in diesem Kontext für alle Betroffenen ein Ziel an sich. Demgegenüber kann Basisbildung – aus Perspektive der Betroffenen – zwar auf eine Integration in den Arbeitsmarkt, einen Abschluss oder ein Zertifikat abzielen, sie muss es aber nicht zwangsläufig.

Ebenso wie Mareen Köpnick betrachteten in einer Publikumsrunde verschiedene KollegInnen das „Curriculum Basisbildung“ vor allem kritisch, wobei insbesondere die Unterteilung der Kompetenzstufen in Deutsch nach dem „GERS (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen)“ für den Bereich Alphabetisierung und Deutsch als Zweitsprache kritisiert wurde. Alphabetisierung verlaufe parallel zum Spracherwerb (nicht Alpha, A1, A2, B1), eine lineare Vorstellung wie bei der Fremdsprachentwicklung sei hier schwierig. Ebenso wäre der Anspruch beim Thema Digitalisierung unrealistisch hoch angesetzt. Vor allem aber spiegle sich der – für die Basisbildung zentrale – Alphabetisierungsbereich mit seinen formal „niedrigen“ Einstiegsniveaus und oft „langsamen“ Lernfortschritten faktisch nicht im Curriculum wider.

Abschließend wurde von Seiten der Wiener Volkshochschulen der Anspruch betont, weiter „Basisbildung für alle“ bieten zu wollen, etwas, das – ebenso wie die langfristige Absicherung des Programms IEB – als gemeinsames Anliegen aller Beteiligten formuliert wurde. Die Wiener Volkshochschulen werden in diesem Sinne einerseits die neuen Vorgaben umsetzen, auch bisher habe man ja selbstverständlich Menschen beim Erwerb von benötigten Zertifikaten unterstützt. Andererseits werde man auch den angekündigten begleitenden Dialog über das Curriculum gerne weiter aufnehmen und laufend die Erfahrungen aus der Praxis rückmelden. Die Veranstaltung vom 4. April war dafür gewissermaßen der Auftakt.

Nachsatz: Am ursprünglichen Entwurf des Curriculums wurden durch die Einführung von vier zusätzlichen, nun differenzierteren Alphastufen inzwischen nicht unwesentliche Adaptierungen vorgenommen. Allerdings wäre es weiter nötig, gerade in Stufe 1 der Praxiserfahrung entsprechend niederschwelliger – bei den Grundlagen der Alphabetisierung – anzusetzen. //

Evers, John (2019): „So erfolgreich ist Basisbildung. So ist Basisbildung erfolgreich“. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2019, Heft 267/70. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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