Barbara Vinken: Eleganz. Über eine Haltung, die unser Miteinander bereichert.

Barbara Vinken: Eleganz. Über eine Haltung, die unser Miteinander bereichert.
Wien: Christian Brandstätter Verlag 2023, 182 Seiten.

Eine heitere Haltung, Lebensmut gegenüber der Härte des Schicksals, die Fassung bewahren, zu Gefallen sein, nicht verbittern auch nicht in Zeiten von Armut, Krankheit oder verlorener Schönheit. Eleganz zeigt sich, wenn das, was sie gemeinhin ausmacht, verloren ist. Sagt man nicht Ähnliches von Bildung? Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn man alles Angelernte hinter sich gelassen hat.

Die Literaturwissenschafterin an der Universität München, Barbara Vinken, flaniert bewusst im ersten Kapitel ihres Buches, „eine flânerie“, durch die Begriffsfelder von Eleganz. Sie lässt erkennen – nicht zufällig mit Erkundungen am Hofe Ludwig XIV (1638–1715), bei Balzac (1799–1850) und Baudelaire (1821–1867) –, wie sich die Gesellschaft von einer aristokratischen zu einer bürgerlichen wandelte. Die Autorin erklärt Eleganz, als eine kulturelle Errungenschaft, die sich in Lebens- und Umgangsformen als etwas Auserlesenes (lateinisch „eligere“: auslesen, auswählen) etabliert.

Dabei ist ein besonderes Merkmal festzustellen: Eleganz ist nicht Perfektion. Letztere entspricht der Norm, will alles richtig gemacht haben – normgerecht, zielt auf das Vollkommene, wandelt Zeit in Geld. Nein, Eleganz, findet die Autorin, „ist eine über Jahrhunderte erprobte Kunst des glücklichen schönen Zusammenlebens“ (S. 179). Eleganz wird als wichtiger Bestandteil des sozialen Miteinanders vorgestellt.

Deshalb grenzt Barbara Vinken Eleganz nachdrücklich von Selbstoptimierung, von Erfolg haben oder Hochleistung ab. Eleganz äußert sich im „anachronistischen Bemühen, im Moment, im Hier und Jetzt mit ihrem Gegenüber zu bleiben […]“. (S. 28).

Eigenzeit schützen, den Mainstream vermeiden, sich auf das Momentane einlassen, nicht allein auf sich selbst, sondern auf die Kunst des Zusammenlebens konzentrieren, gehört zum eleganten Dasein. Eleganz wird als leise Lebenskunst eines mitfühlenden Miteinanders präsentiert.

Gesellschaftliches Thema, erklärt Barbara Vinken, wurde Eleganz zunächst in Hinsicht auf Sprache, auf schönen Stil in Schreiben und Reden. Erst in Folge bezog sie sich auf Umgangsformen – Benehmen, Kleidung, die Kunst des Gastgebens. Die Autorin bietet eine erlesene – elegante – Definition (S. 23): Die ungeschriebenen Regeln der Eleganz beziehen sich „darauf, sich mit der Welt aufs Angenehmste ins Benehmen zu setzen.“

Das Selbst, die Eigeninteressen, die eigenen Ziele zurückzustellen, das eigene „Distinktionsbegehren“ – auch als „Alleinstellungsmerkmal“ bekannt – ein wenig zu belächeln, sind Voraussetzungen für praktizierte Eleganz.

Barbara Vinken führt locker, unter Verzicht auf jeden wissenschaftlichen Ballast wie Fußnoten oder Quellen von Zitaten, von der Antike bis zur Gegenwart. Sie bespricht Fragen der Moral, der ökonomischen Hintergründe, den Wandel der Mode sowie ihre Designer*innen, Make-up, Zusammenleben der Geschlechter – vielmehr ihre strenge Trennung in männliche Männer und mütterliche Frauen. Gegenpole zur Eleganz wie zum Beispiel Effizienz, Leistungsstreben aber auch die bürgerliche Familienordnung oder der „Dienst am Vaterland“ werden beurteilt.

Dadurch ergeben sich auch Grenzen der Eleganz im hierarchischen und ausgrenzenden Denken, im Markenfetischismus, im „self-fashioning“ (Hervortun durch Kleider) oder kunstvoller Künstlichkeit und nicht zuletzt in der Verschwendung von Textilien. „Fast-fashion“ reduziert den Wert der Arbeit, beschleunigt Ausbeutung und zerstört die Selbstachtung der Näherinnen, kritisiert Barbara Vinken.

Eine interessante Kulturgeschichte, aufmerksam auf das „Leben mit anderen“, ist der Autorin gelungen. Ihre Botschaft: Für ein glückliches, schönes Zusammenleben sollten wir die „Eleganz des Herzens“ mehr beachten. Das ist „eine Lebensart, die das Eingebunden-Sein über das die anderen zurücklassende, übertrumpfende Erfolgsstreben stellt“ (S. 178).

Eleganz, kann die Autorin verstanden werden, lässt sich nicht in eine beengende Definition drängen. Sie erweist sich widerständig zum Normierten, erlaubt anders zu sein, es zumindest zu versuchen. Aber Eleganz vermittelt auch einen sozialen Anspruch – für ein angenehmes Miteinander, für ein heiteres Einvernehmen ist sie dienlich.

Die Lektüre lädt ein, insofern liegt ein politisch bildsames Buch vor, Lebensformen zu bedenken, zu diskutieren, zu verändern – nicht aufdringlich, sondern elegant. //

Lenz, Werner (2023): Barbara Vinken: Eleganz. Über eine Haltung, die unser Miteinander bereichert. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2023, Heft 280/74. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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