Wie werden politische Absichten für die Erwachsenenbildung formuliert, wie werden sie in die Praxis umgesetzt und wie wird Weiterbildung letztlich finanziert? Dieser komplexen Fragestellung ist das internationale Projekt „Comparative Analysis of Regional Policies for Adult Learning“ 2014/15 nachgegangen. In sechs Ländern, Deutschland, Ungarn, Irland, Italien, Serbien und der Slowakei wurden in insgesamt 21 Regionen die Bedingungen analysiert und die Ergebnisse nun publiziert.
Als methodisches Instrumentarium für die wissenschaftliche Vorgangsweise dienten Interviews, Sekundäranalyse von Daten, Analyse von Dokumenten und Gesetzen sowie regionale Vergleichsstudien für Länderprofile. Gerade ein vergleichendes Herangehen führt erneut die große Heterogenität des Sektors Erwachsenenbildung, zudem die regionalen Differenzen innerhalb einzelner Länder vor Augen. Vereinheitlichungen, simples Vergleichen oder schnelle Rückschlüsse sind nicht angebracht, weil sie die unterschiedlichen ökonomischen, sozialen, kulturellen oder regionalen Gegebenheiten außer Acht lassen. Dies beginnt, sei hier angemerkt, bei der Sprache. Die in Englisch verfasste Publikation spricht fast durchwegs von AL („adult learning“).
Um die große Heterogenität von „adult learning“ zu bewältigen, wurden drei Kategorien für die Analyse gestaltet:
„Formulation“ – beinhaltet nationale, europäische oder andere regionalpolitische Einflüsse ebenso, wie Daten oder Ergebnisse von Evaluationen auf die formulierte „adult learning policy“.
„Implementation“ – bezieht sich auf Prioritäten, Herausforderungen und Probleme, die sich bei der Umsetzung von Politik in Maßnahmen stellen.
„Funding“ – beschreibt finanzielle Quellen und Ressourcen, ihre Anteile an Gesamtbudgets sowie das Ausmaß und die Art von „public-private-partnerships“.
Die Ergebnisse der Studie lassen sich in Kürze zusammenfassen:
– Vorwiegend erweist sich Weiterbildungspolitik als ein Top-down-Prozess, wobei gesetzlich legitimierte Institutionen die Richtung des Programmangebots und den Umfang der Finanzierung vorgeben. Der Einfluss geht von nationalen, nur in geringem Ausmaß von regionalen Behörden aus.
– Das Angebot bleibt sehr stark den Inhalten der Sekundarstufe II und der beruflichen Bildung verbunden. Eine eigenständige Weiterbildungspolitik ist kaum zu registrieren. Das Lernen Erwachsener hat vorwiegend ökonomische und soziale Zielsetzungen, die Erwartungen an den „return on investment“ sind zwischen Land, Regionen und Interessenvertretern umkämpft. Nonformales und informelles Lernen werden wohl von der Politik verbal geschätzt, finden aber
keine entsprechende materielle Unterstützung.
– Verantwortliche für Weiterbildung erhalten nicht genug Aufmerksamkeit bei der Formulierung der Politik für lernende Erwachsene. Internationale Dokumente von EU oder OECD werden in ihrer Bedeutung unterschätzt und inhaltlich zu wenig thematisiert. Nicht zuletzt würden mehr Daten bezüglich Bedarf und Angebot den Blick auf regionale Bildungsbedürfnisse lenken, Qualitätssicherung fördern und an politischen Prioritäten festhalten lassen.
Die Studie kann Verantwortliche für Weiterbildung ermutigen, ihr Potenzial für und ihren Einfluss auf bildungspolitische Prozesse regional und national zu überdenken. Vielleicht bringt das ein revidiertes bildungspolitisches Engagement mit sich. Deutlich wird aber auch, dass mit dem Einsatz wissenschaftlicher Instrumente Analysen, Daten und Zusammenhänge produziert werden, die nicht bloßstellen und vor denen man sich nicht fürchten muss. Vielmehr können wissenschaftliche Einsichten dazu beitragen, Bedingungen zu schaffen, die regional, in Land und Staat einen optimalen Bildungsrahmen für „adult learners“ schaffen. //