In der ÖVH (Die Österreichische Volkshochschule) haben wir uns bereits mehrmals mit dem Thema „Demokratiebildung“ befasst und mehrfach wurde argumentiert, warum Demokratiebildung in der Erwachsenenbildung wichtig und notwendig ist. VÖV-Präsident Heinz Fischer hat es bei der Hauptversammlung 2016 ganz klar angesprochen: „Demokratie muss immer aufs Neue bestätigt, gepflegt, am Leben erhalten und verteidigt werden“1. Der deutsche Soziologe Oskar Negt meint in seinem Buch „Der politische Mensch“ (2010, S. 13): „Demokratie ist die einzige politisch verfasste Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss“. Schließlich sei noch der amerikanische Philosoph und Pädagoge John Dewey (1859–1952) zitiert, der die Erwachsenenbildung maßgeblich beeinflusst hat: „Democracy has to be born anew every generation, and education is its midwife“. (Dewey: 1916, S. 139).
ARENA Analyse 2017: Demokratie neu starten und Bildung im Erwachsenenbereich
Die Demokratie ist in Bedrängnis: Der Vertrauensverlust großer Teile der Bevölkerung in die Politik und in etablierte Institutionen hat zugenommen, autoritäre Strömungen und Akteure befinden sich im Vormarsch, so lautet der Befund der im Jänner im Parlament vorgestellten ARENA Analyse.
61 ExpertInnen aus Politik, Wissenschaft, Justiz, Wirtschaft und Kultur sowie aus dem Gesundheitsbereich und der Zivilgesellschaft wurden mit offenen Fragen zur Demokratieentwicklung befragt. Das Ergebnis: Demokratie ist nicht mehr so richtig „cool“. Den politischen Akteuren in Österreich wie in Brüssel wird die Lösung vieler Probleme und Anliegen der Menschen nicht mehr zugetraut. Viele Teile der Bevölkerung fühlen sich von Eliten und ExpertInnen ausgegrenzt. Die Demokratie, so scheint es, trägt nicht zur Lösung von Problemen bei.
Problematisiert wird das Überwiegen von Gefühlen in der Politik und dass Fakten nur mehr wenig zählen, wozu auch die sozialen Netzwerke beitragen, die zunehmend zu „Echokammern“ werden, also bestehende Meinungen noch weiter verfestigen.
Mehr Transparenz bei Entscheidungen und mehr Möglichkeiten politischer Teilhabe auch im Gesetzeswerdungsprozess sollen die Demokratie attraktiver machen. Weiters sollten alle gesellschaftlichen Gruppen in zivilgesellschaftliches Engagement und Bürgerbeteiligung eingeschlossen werden. Und schließlich wird gefordert, dass die politische Bildung auch im Erwachsenenbereich forciert wird.
Keine Diskriminierung von Menschen mit niedrigen Qualifikationen
Da Demokratie immer wieder gelernt werden muss, bietet sich der Begriff der demokratiepolitischen Bildung nachgerade an. Dabei ist sehr sorgfältig vorzugehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Menschen mit niedrigen Kompetenzen und Qualifikationen wenig Vertrauen in die Institutionen der demokratischen Gesellschaften haben, wie die Ergebnisse der PIAAC-Studie zeigen. Nicht selten wird gegenüber den weniger gebildeten Bevölkerungsgruppen, die oft pauschal zu den „Modernisierungsverlierern“ gerechnet werden, eine herablassende Haltung an den Tag gelegt. Diese Arroganz ist aber genauso demokratiegefährdend wie der um sich greifende Populismus.2 Der Bildungsgrad darf keinen Einfluss auf das Recht zur Mitsprache und zu Mitgestaltung haben. Gerade deswegen ist die Erwachsenenbildung gefordert, und im Besonderen ist das die Aufgabe der Volkshochschulen. Auf keinen Fall soll es dabei darum gehen, Bestehendes nur zu legitimieren. Es darf keine „Denkverbote“ geben, gleichzeitig ist aber besonders darauf zu achten, dass der Rechtsstaat und die Menschenrechte nicht gefährdet werden.
Demokratiepolitische Bildung ist öffentlich zu finanzieren!
Bereits unter der Vorsitzführung durch den VÖV (2014 bis 2016) wurde von der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) demokratiepolitische Bildung ebenso eingefordert wie Bildung zur Medienkompetenz. Bund sowie Länder und Gemeinden müssen durch öffentliche Finanzierung allen Bürgern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und von ihrem Bildungsgrad, Zugang zu Angeboten der demokratiepolitischen Bildung gewähren. Was für die Schule recht ist, nämlich eine öffentlich finanzierte staatsbürgerliche Bildung, ist für die Erwachsenenbildung nämlich gerade gut genug.
Aber auch noch so gute demokratiepolitische Bildung wird notwendige Veränderungen in der Gesellschaftspolitik nicht ersetzen können. Denn im Grunde ist es die zunehmende Ungleichheit, die den Handlungsspielraum vieler Menschen deutlich einschränkt. Soziale Ungleichheit führt zu Status-Verlustängsten und zu mehr Misstrauen, und mehr Misstrauen führt zu antisozialem Verhalten, was wiederum den Zusammenhalt in Dörfern, Gemeinden und Städten brüchig werden lässt.
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Im Schwerpunkt dieser Ausgabe der ÖVH wird das Thema Flucht, Migration und Bildung behandelt. Mehrere Beiträge befassen sich grundsätzlich mit der Thematik und beleuchten das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Einige Beispiele guter Praxis stehen für die zahlreichen Aktiviäten der Volkshochschulen, dokumentieren und reflektieren sie.
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