Ludwig A. Pongratz: Unterbrechung. Studien zur Kritischen Bildungstheorie

Ludwig A. Pongratz: Unterbrechung. Studien zur Kritischen Bildungstheorie
Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich 2013, 201 Seiten.

Kritische Bildungstheorie speist sich aus verschiedenen Quellen. Sie vertritt einen widerständigen Geist und wird von intellektueller Unruhe in Bewegung gehalten. Sie eignet sich nicht für vordergründige Reformpropaganda sondern vertritt ihre Anliegen konsequent und beständig. Ludwig A. Pongratz, von 1992 bis 2009 Professor für Allgemeine Pädagogik und Erwachsenenbildung an der Technischen Universität Darmstadt, präsentiert mit seinen gesammelten Aufsätzen kein Theoriegebäude sondern, wie er sagt, eine „Theoriebaustelle“. Die Beiträge sollen anregen zu „unterbrechen“, um bei Leserin und Leser Voraussetzungen für „Kritische Bildung“, also Reflexivität, Spontanität, Einbildungs- und Widerstandskraft hervorzurufen.

Pongratz leitet sein Buch mit zwei Beiträgen zur Klärung des Bildungsbegriffs ein, wobei er begriffs- und theoriegeschichtlich vorgeht. Im Sinne der verschiedenen theoretischen Positionen, die in der Kritischen Bildungstheorie zusammenfinden, werden in Hinblick auf den Zusammenhang von „Bildung und Subjektivität“ Beiträge über die Standpunkte von Wilhelm Dilthey und Theodor W. Adorno geboten. Für „Bildung, Herrschaft und Widerspruch“ zieht Pongratz Schriften der Bildungstheoretiker Heinz-Joachim Heydorn und Gernot Koneffke heran. In der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis „Bildung, Reform und Kommerz“ nimmt Pongratz auf die „Dispositive der Macht“ nach Michel Foucault und den „Aufstieg der Kontrollgesellschaft“ von Gilles Deleuze Bezug. Im abschließenden Kapitel, „Bildung – Moderne – Postmoderne“ diskutiert Pongratz die Situation von Bildung in der Gegenwart. Lebenslanges Lernen beurteilt er als „Totalprogramm flexibler Lebensführung“. Es lässt keinen Rückzugsort offen, kein Lernweg scheint abgeschlossen.

Die in wissenschaftlicher Diktion gehaltene Lektüre verdeutlicht wie oberflächlich und plakativ heute mit dem Begriff „Bildung“ und mit den entsprechenden Wortzusammensetzungen verfahren wird. Die vorliegenden Texte belegen die Anstrengung, die dieser Begriff verdient. Sie lassen, im Sinne des Autors, unterbrechen, um nachzudenken oder nachzulesen welche Zusammenhänge und welche historischen Linien zwar verschüttet sind aber immer noch Kraft und Sinn spenden.

Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bildungssektor – und solche, die es noch werden wollen – ein anspruchsvolles aber sicherlich bereicherndes Buch, das man Beitrag für Beitrag lesen und diskutieren kann. //

Lenz, Werner  (2015): Ludwig A. Pongratz: Unterbrechung. Studien zur Kritischen Bildungstheorie. Magazin für Erwachsenenbildung. Juli 2015, Heft 256/66. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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