Gleich drei neue Kooperationen hat der VÖV in den letzten Monaten umgesetzt. Die Partnerschaften stehen für Demokratiebildung, Partizipation und Wissenschaft.
wahlkabine.at ist seit über 20 Jahren die erfolgreichste Online-Politikorientierungshilfe in Österreich und damit ein wichtiger Beitrag zur Demokratiebildung. Das Citizen Science Network Austria ist das wichtigste Netzwerk des Landes zum Thema Bürger*innenforschung. Medizin Transparent steht für evidenzbasierte Informationen im Bereich der Gesundheitsbildung. Im Folgenden wird insbesondere wahlkabine.at – hier ist der VÖV seit 2024 (Mit-)Träger*in – vorgestellt.
Was ist wahlkabine.at?
Interessierte User*innen können mit diesem Online-Tool auf spielerische Weise herausfinden, wie ihre persönlichen Meinungen mit den Standpunkten der Parteien übereinstimmen. Sie beantworten per Auswahl eine Liste von rund 25 Fragen zu aktuellen Themen und erhalten schließlich eine detaillierte Übersicht, wie diese Fragen von den Parteien beantwortet wurden. wahlkabine.at steht als Service in der Zeit vor Wahlen zum Landtag, Nationalrat und zum Europäischen Parlament zur Verfügung. wahlkabine.at ist seit 2024 ein eingetragener Verein, der von SOS Kinderdorf, dem Verband Österreichischer Volkshochschulen und dem Institut für Neue Kulturtechnologien/t0 gegründet wurde.1
Überwältigendes Vertrauen aufgrund hoher Standards
Bei der letzten Nationalratswahl haben fast eine Million Menschen wahlkabine.at vollständig genutzt. Dieses überwältigende Vertrauen ist ein Resultat aus der Niederschwelligkeit des Tools sowie hoher Standards im Bereich Datenschutz und inhaltlicher Qualität. „Niemand, auch nicht wir als Team, kann nachvollziehen, wer, wie einen Fragenbogen ausgefüllt hat. Wir sammeln keinerlei Daten, daher kann auch nichts weitergegeben oder verkauft werden. Bei anderen Anbietern ist das anders. Wenn man sich etwa mit einer Mail-Adresse einloggen muss, ist dem Datenmissbrauch und Datenverkauf Tür und Tor geöffnet“, erklärt Konrad Becker, einer der Gründer von wahlkabine.at.2 Ebenso sind die Erarbeitung und Auswahl der Fragen – unter Einbindung von Wissenschaft und Medienvertreter*innen – mehrfach qualitätsgesichert. Für die korrekte Zusammenstellung des Fragenkatalogs sorgt ein Redaktionsteam, dem Personen mit ausgewiesener Sachkenntnis in Politikwissenschaft, politischem Journalismus und Methodik angehören. Eine Auswahl von ca. 40 Fragen wird den Parteien zugeschickt, die die Fragen beantworten und ihre Standpunkte auch in Kommentaren erläutern können. Im Anschluss werden die Antworten in der Redaktion diskutiert und rund 25 Fragen für die Onlineversion von wahlkabine.at ausgewählt. Bei der redaktionellen Festlegung der Parteien-Standpunkte wird auch darauf geachtet, dass die zugesandten Positionen mit einer gewissen Kontinuität übereinstimmen, die in den vergangenen Monaten die politische Linie gekennzeichnet hat.3 Die jeweiligen Redaktionsteams (inkl. Medienvertreter*innen und Wissenschafter*innen) können hier4 abgerufen werden.
wahlkabine.at steht für zivilgesellschaftliches Engagement und Demokratiebildung
wahlkabine.at wird seit 2002 vor allem von einem breiten ehrenamtlichen Engagement getragen. Im Vorjahr stand die Initiative allerdings kurz vor dem Ende. Begründet wurde dies damit, dass man die politische Unabhängigkeit in den Mittelpunkt gestellt und eine kommerzielle Monetarisierung ausgeschlossen habe.5 Über all die Jahre war es gleichzeitig aber nicht gelungen, relevante und vor allem dauerhafte öffentliche Förderungen für das Projekt zu erhalten. Damit drohte konkret auch das Fehlen von wahlkabine.at bei der so wichtigen Nationalratswahl 2024. In dieser Situation haben sich SOS Kinderdorf und VÖV (im Rahmen des VHS-Schwerpunktes „Demokratie“) entschlossen, wahlkabine.at auf neue Beine zu stellen. Für SOS Kinderdorf war das Thema Kinderrechte das treibende Motiv: „Sich eine Meinung zu bilden, zu diskutieren, Verantwortung zu übernehmen, und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen – all das muss gelernt und geübt werden. Junge Menschen mitbestimmen zu lassen und sie in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken, das ist aktive Demokratiebildung. Als Kinderrechtsorganisation begrüßen wir daher jede Maßnahme, die dieses Ziel unterstützt“, begründet Birgit Schatz, Kinderrechtsbeauftragte von SOS-Kinderdorf das Interesse für die neue Kooperation.6 Für den VÖV kann festgehalten werden: „wahlkabine.at bietet Orientierung und macht Lust auf Beteiligung. […] Ein wesentliches Kriterium für die Unterstützung dieses Instruments ist die Qualität: Ebenso wie die Angebote an den Volkshochschulen, arbeitet auch das Format wahlkabine.at rein wissenschaftsbasiert.
Sie ist damit [ein] Beitrag ganz im Sinne des VHS-Mottos ‚Bildung für Alle‘ und passt ausgezeichnet zum demokratischen Bildungsauftrag der Volkshochschulen.“7
Unterstützung durch den „Guten Rat“
Eine besondere Auszeichnung für das Bemühen der (neuen) Träger und gleichzeitig die zumindest mittelfristige Absicherung des Projekts wahlkabine.at erfolgten kurz danach. Durch die Zusage des „Guten Rats“, wahlkabine.at finanziell zu unterstützen, ist die Initiative zumindest für die nächsten Jahre gut gerüstet. Der „Gute Rat für Rückverteilung“ war ein von der österreichisch-deutschen Millionenerbin Marlene Engelhorn ins Leben gerufener Bürger*innenrat. Seine Mitglieder hatten die Aufgabe, sich mit der Vermögensverteilung in Österreich auseinanderzusetzen und zu erörtern, welche gesellschaftlichen Auswirkungen sich aus der ungleichen Verteilung von Vermögen ergeben. Großer Teil dieser Aufgabe war es auch, 25 Millionen Euro aus dem Erbe von Marlene Engelhorn an die Gesellschaft „rückzuverteilen“. Der Rat wurde in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt und „war so divers wie Österreich selbst.“9 Aus Perspektive der Volkshochschulen sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass diese Form von diverser bzw. hochrepräsentativer Partizipation eben auch Ressourcen benötigt(e). Zur Ausstattung des „Guten Rats“ gehörten u. a. Kinderbetreuer*innen, Dolmetscher*innen und z. B. auch eine Aufwandsentschädigung für die Teilnehmenden. Mit solchen optimalen Rahmenbedingungen kann ein solches Unterfangen offenbar gelingen! Eine genaue Evaluierung der Wirkung des Lernprozesses, welche der „Gute Rat“ für seine Mitglieder/Teilnehmenden bedeutete, wäre aus VHS-Perspektive sehr spannend. Der VÖV ist jedenfalls stolz, Teil einer Kooperation mit dieser Initiative geworden zu sein.
Überlegungen für die Zukunft
Zwei Aspekte zeigen die Wichtigkeit bzw. das Potential von wahlkabine.at für die Zukunft auf. Erstens: Der stärkste Tag von wahlkabine.at – mit über 70.000 vollständigen Durchführungen – war der 28. September, also der Tag vor der Nationalratswahl.
Auch am Wahltag selbst konnten bereits um die Mittagszeit über 50.000 User*innen gezählt werden.9 Dies unterstreicht, wie viele Menschen bis zum letzten Moment Orientierung suchen und hierbei – zumindest auch – auf das Instrument wahlkabine.at vertrauen. Gleichzeitig ist wahlkabine.at auch ein Feld oder Raum der Kommunikation zwischen Politik und (Zivil-)Gesellschaft und wird gleichzeitig von einer hochprofessionellen Redaktion moderiert. Dieser Prozess betrifft Kernaufgaben von Volkshochschularbeit bzw. erlaubt vielfältige Rückkoppelungen. Zweitens: Die kostenlosen Kurs- und Unterrichtsmaterialien von wahlkabine.at wurden bei der Nationalratswahl 2024 rund 5.000-mal heruntergeladen.10 Daran erkennt man, dass Mitarbeitende und Teilnehmende in österreichischen Bildungseinrichtungen durch die Arbeit und die Materialien von wahlkabine.at (und damit nunmehr auch durch die Volkshochschulen) massiv unterstützt werden. Hier liegen aus Sicht des VÖV große Möglichkeiten der weiteren Ausgestaltung und die Möglichkeit, die Expertise der Volkshochschulen im Bereich Demokratiebildung einzubringen.
Weitere neue Kooperationen:
Citizen Science Network Austria und Medizin transparent
Das Citizen Science Network Austria (gegründet 2017) mit der dazugehörigen Onlineplattform „Österreich forscht“11 ist ein Netzwerk aus Institutionen aus Wissenschaft, Forschung, Bildung und Praxis, welche, unter Berücksichtigung des jeweiligen institutionellen Wirkungsbereichs die nachstehend genannten Ziele verfolgen:
- „Citizen Science in Österreich stärker etablieren;
- Qualität von Citizen Science in Österreich fördern;
- Die Bekanntheit von Citizen Science in Österreich stärken.“12
Die Volkshochschulen – die traditionell ein besonders enges Verhältnis zur Wissenschaft und „Bürger*innenforschung“ haben – sind nun über den VÖV Teil dieses Netzwerkes zur Forcierung von Citizen Science in Österreich
Ebenso wurde zwischen VÖV und der Plattform „Medizin transparent“ (Universität Krems) eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit getroffen. Medizin transparent und VÖV unterstützen sich hier gegenseitig im Bemühen um evidenzbasierte Informationen und Angebote im Bereich der Gesundheitsbildung. Zielgruppen dieser gemeinsamen Anstrengungen sind insbesondere Kursleitende und Programmplanende an Volkshochschulen ebenso wie Teilnehmende von VHS-Kursen – v. a. im Fachbereich Gesundheit und Bewegung. Das kostenlose Informations- und Serviceangebot (Stichwort „Faktencheck“) von Medizin transparent wird durch den VÖV den Mitgliedseinrichtungen und somit deren Mitarbeitenden und Teilnehmenden bekannt gemacht und nähergebracht.13
Netzwerkarbeit wichtiger denn je
Volkshochschulen bewegen sich heute viel stärker als früher in einem Umfeld von (potentiellen) Partner*innen, welches es auch vom VÖV v. a. auf Bundesebene strategisch zu gestalten gilt. Die Funktion als (Mit-)Träger*in von wahlkabine.at stärkt nicht nur das Profil von Volkshochschulen als Bildungseinrichtungen, welche der Demokratie verpflichtet sind. Ganz konkret unterstützen wir hier insbesondere jüngere Personen bei der politischen Orientierung, aber auch z. B. die Arbeit von Pädagog*innen über die kostenlosen Begleitmaterialien. Volkshochschulen haben aber ebenso eine lange Tradition und damit Verpflichtung gegenüber „Bürger*innenforschung“. Eine massive Ausrollung von Citizen Science in Österreich – wie sie vom Netzwerk angestrebt wird – würde daher nicht zuletzt eine Stärkung der Volkshochschulen bedeuten. Und durch die Kooperation mit Medizin transparent kann den Landesverbänden, Volkshochschulen und deren Mitarbeitenden nicht nur eine Serviceleistung im Bereich der Gesundheitsbildung angeboten werden. Die Volkshochschulen unterstreichen und stärken damit auch strategisch wissenschaftsbasierte Zugänge in der Erwachsenenbildung. Demokratie, Partizipation und Wissenschaft – dafür steht die Volkshochschulidee. Und genau dafür stehen auch die neuen VÖV-Kooperationen des Jahres 2024. //
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