Werner Wintersteiner: Die Welt neu denken lernen – Plädoyer für eine planetare Politik. Lehren aus Corona und anderen existenziellen Krisen (Edition Politik, Band 119).

Werner Wintersteiner: Die Welt neu denken lernen – Plädoyer für eine planetare Politik. Lehren aus Corona und anderen existenziellen Krisen (Edition Politik, Band 119).
Bielefeld: Transcript Verlag 2021, 209 Seiten.

Eine „große Transformation“ ist notwendig. Die Corona-Krise hat bewusstgemacht, wie sehr Geschehnisse zusammenhängen. Wir sollten, um große Katastrophen abzuwehren, unsere ökonomischen, sozialen und ökologischen Beziehungen radikal verändern. Dass es dazu schon viele Ideen, Überlegungen und Vorschläge gibt, belegt dieses Buch. Es ist eine Zusammenschau, ein Plädoyer für eine „große Transformation“.

Die Zusammenstellung entsprechenden Wissens hat Werner Wintersteiner, Universitätsprofessor für Friedensforschung an der Universität Klagenfurt, in fünfzehn Abschnitten vorgenommen. Anstoß und Ausgangspunkt ist die Corona-Epidemie, die mehr Aufmerksamkeit für globale Zusammenhänge und notwendige Veränderungen bringen könnte.

Unter dem Titel „Politische Dilemmata“ erörtert der Autor, mit Bezug auf den französischen Philosophen Edgar Morin, die Begriffe „Anthropolitik“ oder „Politik der Zivilisation“. Sie sollen als „mehrdimensionale“ Politik, unter den Bedingungen der Globalisierung, eine „solidarische Menschheitspolitik“ realisieren. Das Politische, folgert Wintersteiner, ist immer neu zu erfinden, indem neue Themen und neue, bisher weniger beachtete Gruppen miteinbezogen werden: eine planetare Politik, „als Politik zur Erhaltung und förderlichen Gestaltung des menschlichen Lebens auf dem Planeten Erde […]“. (S. 84).

In der Folge behandelt Wintersteiner das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit, Gesundheit und Demokratie, die Rolle des Nationalismus und die Funktion Europas als Solidargemeinschaft. Dies führt zum Problemkreis „soziale Transformation“ und zur Kritik an der bestehenden „imperialen Lebensweise“. Wintersteiner plädiert gegen die herrschende Kriegskultur und für einen geistigen Paradigmenwechsel zu einer Kultur des Friedens.

Die Rolle von Bildung und Lernen wird in den letzten beiden Abschnitten explizit hervorgehoben. Der Autor verweist auf den Anstoß durch die Corona-Krise. Sie hat zu aktuellen Manifesten und Äußerungen der Zivilgesellschaft geführt, eine „große Transformation“ zu realisieren. Der Friedensforscher listet zahlreiche programmatische Dokumente auf, die dazu beitragen wollen, „die Globalisierung der Solidarität (zu) erlernen“. Entsprechende Ansätze in der Medien- und Bildungspraxis, die Entwicklung einer „kognitiven Demokratie“ – sie soll ausreichend Bildung für alle gewährleisten – beinhalten die letzten Abschnitte. Wenn die Ungewissheit am Beispiel der Pandemie das Verhältnis des bisher Möglichen zum Unmöglichen verändern konnte, ist dann Ungewissheit eine Chance, neu denken zu lernen? Zumindest, so ist der Autor zu verstehen, eine Ermutigung.

Bei den Zitaten des Autors aus Gedichten findet sich auch eine Zeile von Ingeborg Bachmann: „Die Uniform des Tages ist die Geduld“. Auch ein Gedanke Hölderlins könnte der Intention des Autors entsprechen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch …“. Die Lektüre vermittelt demgemäß eine dezente, hoffnungsvolle Stimmung und vermeidet gezielten Aktivismus.

Die Publikation, mit ihren vielen Hinweisen auf Literatur und Best-Practice-Beispiele, unterstützt sicherlich im Bereich politische Bildung Lehrende und Lernende. //

Lenz, Werner (2021): Werner Wintersteiner: Die Welt neu denken lernen – Plädoyer für eine planetare Politik. Lehren aus Corona und anderen existenziellen Krisen (Edition Politik, Band 119). In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2021, Heft 273/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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