Aktueller Stand der eLearning-Formate in den Wiener Volkshochschulen

Die COVID-19-Pandemie markiert einen beispiellosen Wendepunkt in der Geschichte der digitalen Bildung. Im Frühjahr 2020 sahen sich Die Wiener Volkshochschulen wie viele andere Erwachsenenbildungseinrichtungen gezwungen, innerhalb kürzester Zeit ihre Lehrangebote zu digitalisieren – ein Prozess, der unter normalen Umständen Jahre der Planung und schrittweisen Implementation erfordert hätte. Diese abrupte Umstellung auf digitale Lehrformate stellte nicht nur die technische Infrastruktur auf die Probe, sondern forderte auch von Lehrenden und Lernenden eine fundamentale Neuausrichtung ihrer gewohnten Lehr- und Lernstrategien.

Die „erzwungene“ Digitalisierung wirkte dabei wie ein Katalysator: Entwicklungen, die sich zuvor über Jahre hingezogen hatten, wurden innerhalb weniger Monate realisiert und finalisiert. Die Wiener Volkshochschulen experimentierten mit verschiedenen digitalen Formaten, von einfachen Videokonferenzen bis hin zu komplexen interaktiven Lernumgebungen. Diese Phase des intensiven Experimentierens und Lernens hat einen reichen Fundus an Erfahrungen und Erkenntnissen hervorgebracht.

Nun stellt sich die Herausforderung, diese Erfahrungen in nachhaltige Bildungskonzepte zu überführen. Dabei stellen sich zentrale Fragen: Welche der ad hoc eingeführten eLearning-Formate haben sich in der Praxis bewährt? Wie können erfolgreiche digitale Elemente sinnvoll mit traditionellen Präsenzformaten kombiniert werden? Welche technischen, didaktischen und organisatorischen Rahmenbedingungen sind für eine nachhaltige Implementation digitaler Lehrformate erforderlich?

Aus der Vielzahl der erprobten digitalen Lehrkonzepte haben sich insbesondere drei Formate als zukunftsweisend herauskristallisiert: hybride Lernformate, der sogenannte „Heimvorteil“ und reine Online-Kurse.

Hybride Lernformate

Hybride Lernmodelle haben sich als besonders vielversprechender Ansatz etabliert, da sie die Vorteile der digitalen und analogen Lehre intelligent miteinander verbinden. Im Kern zeichnen sich diese Modelle durch ihre flexible Kombination aus Präsenz- und Online-Unterricht aus, die es ermöglicht, die jeweiligen Stärken beider Lehrformen optimal zu nutzen. Während Präsenzphasen besonders für den persönlichen Austausch, praktische Übungen und intensive Diskussionen genutzt werden, eignen sich Online-Phasen hervorragend für die Vermittlung theoretischer Grundlagen und das selbstgesteuerte Lernen.

Ein wesentliches Charakteristikum hybrider Lernmodelle ist die durchdachte Integration synchroner und asynchroner Lernphasen. Synchrone Elemente, wie Live-Online-Einheiten oder Präsenzveranstaltungen, fördern den direkten Austausch und ermöglichen unmittelbares Feedback. Asynchrone Komponenten hingegen, etwa digitale Lernmaterialien, bieten den Lernenden zeitliche und räumliche Flexibilität. Diese Kombination ermöglicht es den Studierenden, ihr Lernpensum individuell zu gestalten und dabei trotzdem von regelmäßigen Interaktionen mit Kursleiter*innen und Mitlernenden zu profitieren.

Besonders im Bereich des Zweiten Bildungsweges zeigt sich die Flexibilität hybrider Modelle auch in ihrer Adaptierbarkeit an verschiedene Fachdisziplinen und Lernsituationen. Je nach Lernziel, Zielgruppe und fachlichen Anforderungen kann das Verhältnis zwischen Online- und Präsenzphasen sowie zwischen synchronen und asynchronen Elementen individuell angepasst werden. 

Heimvorteil

Ein besonders innovatives Format hybrider Lehre stellt das simultane Unterrichten von Präsenz- und Online-Teilnehmenden dar, in den Wiener Volkshochschulen auch bekannt als „Heimvorteil“. Bei diesem Ansatz wird der klassische Präsenzunterricht durch digitale Technologien so erweitert, dass externe Teilnehmende synchron am Unterrichtsgeschehen partizipieren können. Diese Form des hybriden Unterrichts erfordert eine durchdachte technische und didaktische Konzeption, bietet aber gleichzeitig einzigartige Chancen für eine flexible und inklusive Lernumgebung.

Die erfolgreiche Umsetzung dieses Formats basiert auf einer robusten technischen Infrastruktur. Zentrale Elemente sind hochwertige Kameras mit automatischer Sprecher*innenfokussierung, Raummikrofone für eine klare Audioübertragung der Präsenzteilnehmenden sowie große Displays der Smartboards, die die zugeschalteten Teilnehmer*innen im Kursraum sichtbar machen. Die strategische Positionierung der Technik ist dabei entscheidend: Die Kamera sollte sowohl die Lehrperson als auch die Präsenzteilnehmenden erfassen, während die Displays so platziert sind, dass sie eine natürliche Interaktion zwischen allen Beteiligten ermöglichen.

Die größte Herausforderung des „Heimvorteils“ liegt in der Schaffung einer wahrhaft inklusiven Lernumgebung, die sowohl Präsenz- als auch Online-Teilnehmende gleichberechtigt einbezieht. Die durchdachte Integration interaktiver Übungsformate spielt eine Schlüsselrolle: Der Einsatz digitaler Abstimmungstools und kollaborativer Online-Whiteboards ermöglicht es beiden Gruppen, sich gleichberechtigt am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der gezielten Aktivierung der Online-Teilnehmenden durch regelmäßige direkte Ansprache zu – eine Strategie, die verhindert, dass die räumlich entfernten Lernenden zu stillen Beobachter*innen werden. Diese Gleichberechtigung verschiedener Kommunikationswege trägt wesentlich dazu bei, dass sich Online-Teilnehmende nicht als Lernende zweiter Klasse wahrnehmen, sondern als vollwertige Mitglieder der Lerngemeinschaft.

Diese Form des hybriden Unterrichts erfordert zwar einen erhöhten technischen und organisatorischen Aufwand, bietet aber einen bedeutenden Mehrwert hinsichtlich Flexibilität und Zugänglichkeit. Sie ermöglicht es Lernenden, je nach persönlicher Situation, zwischen Präsenz- und Online-Teilnahme zu wählen, ohne dabei Abstriche bei der Qualität der Lehre machen zu müssen. Im Kontext wissenschaftlicher Vortragsreihen des Science Programms hat sich das simultane Format von Präsenz- und Online-Teilnahme als besonders erfolgreich etabliert. Dieser Ansatz ermöglicht es, die Reichweite wissenschaftlicher Vorträge signifikant zu erhöhen und gleichzeitig die Vorzüge des persönlichen Austauschs beizubehalten. Renommierte Wissenschaftler*innen können ihre Forschungsergebnisse einem deutlich größeren Publikum präsentieren, während die Zuhörenden flexibel zwischen physischer Präsenz im Hörsaal und digitaler Teilnahme wählen können. Die anschließenden Diskussionen profitieren dabei von der Vielfalt der Perspektiven: Während die Präsenzteilnehmenden die unmittelbare Atmosphäre des wissenschaftlichen Diskurses erleben, bereichern die online Zugeschalteten die Debatte durch Fragen und Kommentare via Chat oder Videoverbindung. Die hohen Teilnehmer*innenzahlen und das durchweg positive Feedback belegen, dass diese Kombination aus Präsenz- und Online-Format im wissenschaftlichen Kontext nicht mehr wegzudenken ist und sich als Standard für moderne wissenschaftliche Kommunikation etabliert hat.

Online-Kurse

Der Erfolg von Online-Formaten basiert maßgeblich auf dem durchdachten Zusammenspiel verschiedener digitaler Komponenten, die in ihrer Gesamtheit eine ganzheitliche Lernumgebung schaffen. Den Kern bilden dabei regelmäßige Onlineeinheiten, die den direkten Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden ermöglichen und durch unmittelbares Feedback das Verständnis der Lerninhalte sichern. Die Integration digitaler Kollaborationsräume schafft zudem Möglichkeiten für virtuelle Gruppenarbeiten, die nicht nur dem fachlichen Austausch dienen, sondern auch das oft vermisste soziale Lernen fördern. Diese verschiedenen Elemente greifen wie Zahnräder ineinander und schaffen so eine Lernumgebung, die strukturierte Führung bietet.

Die reine Online-Lehre erfordert ein grundlegend anderes didaktisches Herangehen als der traditionelle Präsenzunterricht, wobei der Schlüssel zum Erfolg in der durchdachten Orchestrierung verschiedener methodischer Ansätze liegt. Fundamentale Bedeutung kommt dabei der sorgfältigen Sequenzierung der Lerninhalte in überschaubare, modulare Einheiten zu – ein Prinzip, das dem digitalen Lernverhalten entgegenkommt und kognitive Überlastung verhindert. Diese Basis wird durch die gezielte Integration interaktiver Elemente angereichert, die die Teilnehmenden aus der passiven Konsument*innenhaltung in eine aktive Lerner*innenrolle führen. Regelmäßige Selbstüberprüfungsmöglichkeiten in Form von Quiz und differenzierten Aufgabenstellungen ermöglichen den Lernenden dabei eine kontinuierliche Standortbestimmung im eigenen Lernprozess. Besondere Aufmerksamkeit verdient die multimediale Aufbereitung der Inhalte: Durch die geschickte Kombination von Videos, Podcasts und interaktiven Grafiken werden unterschiedliche Lerntypen angesprochen und komplexe Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die gezielte Förderung asynchroner Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmenden schafft zudem wichtige Räume für den fachlichen Austausch und das soziale Lernen, auch wenn die Lernenden zeitlich und räumlich getrennt sind. All diese Elemente werden durch die Etablierung klarer Kommunikationskanäle und -regeln zusammengehalten – ein Rahmenwerk, das Orientierung bietet und eine effektive Lerngemeinschaft erst ermöglicht. Diese didaktischen Ansätze bilden in ihrer Gesamtheit ein kohärentes System, das die spezifischen Möglichkeiten des digitalen Raums optimal nutzt und dabei die grundlegenden Prinzipien effektiven Lernens nicht aus den Augen verliert.

Die Erfahrung zeigt, dass Online-Kurse besonders erfolgreich sind, wenn sie nicht versuchen, Präsenzlehre zu imitieren, sondern die spezifischen Möglichkeiten des digitalen Formats gezielt nutzen. Entscheidend ist dabei die Balance zwischen strukturierter Führung und individueller Lernautonomie. Die Konzeption solcher Kurse erfordert zwar einen hohen initialen Entwicklungsaufwand, ermöglicht aber langfristig eine effiziente und qualitativ hochwertige Form der Wissensvermittlung.

Schlüssel zum Erfolg: die digitale Infrastruktur

Die technische Grundlage all dieser Kursformate bildet eine durchdachte und robuste digitale Infrastruktur, deren Herzstück eine intuitive und zuverlässige Lernplattform ist. Diese muss nicht nur stabil und performant arbeiten, sondern auch eine benutzer*innenfreundliche Oberfläche bieten, die Lernende wie Lehrende gleichermaßen durch den digitalen Lernraum navigiert. Ergänzt wird diese Basis durch ein sorgfältig ausgewähltes Ensemble aus vielfältigen digitalen Werkzeugen, die verschiedene Lernaktivitäten und -szenarien optimal unterstützen – von Videokonferenzsystemen über kollaborative Dokumentenbearbeitung bis hin zu interaktiven Übungstools. 

Unverzichtbar ist dabei ein professioneller technischer Support, der durch klare Anleitungen, Tutorials und persönliche Hilfestellung sicherstellt, dass technische Hürden nicht zu Lernhindernissen werden. Besondere Bedeutung kommt der Implementierung verlässlicher Backup-Lösungen zu, die auch bei technischen Störungen die Kontinuität des Lernprozesses gewährleisten – sei es durch redundante Systeme oder alternative Zugangswege. In der heutigen Zeit ist zudem die strikte Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben bei der Auswahl von Kommunikations- und Kollaborationstools unerlässlich, um das Vertrauen der Teilnehmenden zu wahren und rechtliche Anforderungen zu erfüllen. 

Nicht zuletzt muss die gesamte Infrastruktur konsequent barrierefrei gestaltet werden, sodass alle Lerninhalte und -aktivitäten für sämtliche Teilnehmenden uneingeschränkt zugänglich sind – unabhängig von individuellen Einschränkungen oder technischen Voraussetzungen. Diese technische Infrastruktur bildet das solide Fundament, auf dem erfolgreiche digitale Lehre erst möglich wird.

Die Transformation der Bildungslandschaft durch die COVID-19-Pandemie hat in den Wiener Volkshochschulen zu einer nachhaltigen Neuausrichtung didaktischer Konzepte geführt. Die drei etablierten Formate – klassische Online-Kurse, hybride Lernmodelle und der simultane Unterricht mit Präsenz- und Online-Teilnehmenden – haben sich dabei nicht nur als Notlösung bewährt, sondern als eigenständige, zukunftsweisende Lehrkonzepte etabliert. Ihre jeweiligen Stärken ergänzen sich zu einem differenzierten Bildungsangebot, das den vielfältigen Anforderungen einer modernen, zunehmend digitalisierten Gesellschaft gerecht wird. Die anfängliche Skepsis gegenüber digitalen Lehrformaten ist einer pragmatischen Akzeptanz gewichen: Diese Formate sind keine vorübergehende Erscheinung, sondern ein integraler Bestandteil zeitgemäßer Bildung. Sie ermöglichen eine nie dagewesene Flexibilität und Reichweite in der Wissensvermittlung und haben das Potenzial, Bildungszugänge fundamental zu demokratisieren. Die Frage ist heute nicht mehr, ob digitale Lehrformate sinnvoll sind, sondern wie sie optimal eingesetzt und weiterentwickelt werden können. Die Zukunft der Bildung liegt in der intelligenten Kombination und Weiterentwicklung dieser bewährten Formate, die sich ihren festen Platz in der Bildungslandschaft nicht nur erkämpft haben, sondern diese nachhaltig bereichern und transformieren. //

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Vickers, Doris (2024): Aktueller Stand der eLearning-Formate in den Wiener Volkshochschulen. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2024, Heft 283/75. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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