Der vorliegende, soeben erschienene Ratgeber richtet sich vor allem an Menschen, die unterschiedlichen Kontexten geflüchteten Menschen helfen bzw. mit diesen arbeiten oder sie betreuen. Das Buch bietet Grundwissen und richtet sich vor allem an Personen, die zuvor noch nicht mit dieser Zielgruppe in Berührung gekommen sind, sich in ihrer Tätigkeit zeitweise überfordert fühlen oder nach geeigneten Begegnungsformen und Handlungsmöglichkeiten suchen.
Die Autorin, Barbara Preitler, Psychologin, Psychotherapeurin und Supervisorin, bringt aufgrund ihrer langjähriger Arbeit mit Folter- und Kriegsüberlebenden im Betreuungszentrum „Hemayat“ sehr viel eigene Erfahrung auf diesem Gebiet ein. So gelingt es ihr in allgemein verständlicher Sprache, essentielle Punkte herauszugreifen, die für die Arbeit mit traumatisierten Menschen wichtig sind,und so ermutigt sie durch diesen Text (potentielle) HelferInnen in ihrem Bestreben, Berührungsängste loszulassen und unbefangener in Kontakt mit Flüchtlingen zu treten.
Das schmale Büchlein gliedert sich in sechs größere Kapiteln. Im ersten steht das Thema Flucht im Mittelpunkt, wobei bereits hier Aspekte angeschnitten werden, die dann in späteren Abschnitten wiederholt bzw. ausgebaut werden. Wünschenswert wären hier vor allem für die oben angesprochene Zielgruppe einige grundlegende Informationen zum Thema Trauma gewesen und ein kleiner Einblick in die diversen Stadien, welche traumatische Menschen durchlaufen, da so für HelferInnen auch viel klarer und verständlicher werden würde, warum manche Flüchtlinge in einer bestimmten Situation so und nicht anders reagieren (können). Doch diese Informationen fließen nur ansatzweise und sehr im Buch verstreut, ein. Auch ist die Intention dieses ersten Kapitels bzw. die Abgrenzung zum nächsten nicht ganz nachvollziehbar.
Das zweite Kapitel umfasst fast die Hälfte der Publikation. Dieser Abschnitt stellt zugleich den gelungensten Teil des Buches dar: Zehn konkrete sensible Bereiche werden angesprochen und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. So befasst sich das erste Unterkapitel mit dem Thema Chaos versus Sicherheit. Hier wird unter anderem betont, wie sehr verlässliche, verständliche und transparente Informationen dazu beitragen können, Angst und Unsicherheit abzubauen, und wie wichtig es etwa für Behörden und Institutionen ist, einen respektvollen, ruhigen Umgang zu pflegen sowie die Möglichkeit (Übersetzung!) und Zeit für Fragen zu schaffen. Durch das Vermitteln eines sicheren Orts und Rahmens, kann sich der Handlungsspielraum der Flüchtlinge erweitert und das Gefühl, hilflos ausgeliefert zu sein, kann langsam in den Hintergrund treten.
Als weiteres Beispiel soll das Thema Grenzen herausgegriffen werden (Unterkaptitel 2.3). Aufgrund der zahlreichen physischen und psychischen Grenzverletzungen, die Flüchtlinge erleben, können sie sich selbst oft nicht mehr wirklich spüren und ziehen sich immer wieder in Isolation und Einsamkeit zurück bzw. finden oft nicht die passende Distanz bzw. Nähe. In Anbetracht dieser Unsicherheit ist es umso wichtiger, dass auch die HelferInnen genau auf ihre eigenen Grenzen achten und diese nicht überschreiten (vgl. S. 56f). Preitler illustriert die unterschiedlichen Grenzüberschreitungen anhand verständlicher und gut nachvollziehbarer Beispiele aus der Praxis und gibt Tipps für die eigene Vorgangsweise.
Nicht ganz so erfolgversprechend erscheinen die Empfehlungen der Autorin in Bezug auf Übungen zur Körperwahrnehmung und sportliche Aktivitäten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, in wie weit traumatisierte Personen, die ja zumeist bis zu einem gewissen Grad dissoziiert sind, in der Lage sind, in Berührung zu ihrem Körper zu treten. Weiters werden einige Menschen gewisse Aktivitäten aufgrund sehr unterschiedlicher kultureller Sozialisation etc. als fremd empfinden und sie könnten Abwehrmechanismen dagegen entwickeln. Derartige Maßnahmen müssten, wenn überhaupt, äußerst behutsam eingeführt werden.
Hervorheben möchte ich noch das Kapitel zum Thema Sprache bzw. Sprachlosigkeit. Das Arbeiten mit Märchen (hier das im Kontext von Traumabewältigung sehr beliebte Märchen „Frau Holle“) bietet in diesem Zusammenhang vor allem für Menschen mit ähnlichen kulturellen Wurzeln eine interessante Möglichkeit, Traumen aufzuarbeiten. Auch das Erzählen in drei Schritten im Zuge eines Asylverfahrens bietet große Chancen, dass zunächst schier Unsagbares ausgesprochen werden kann (vgl. S. 74f). Es wäre äußerst wünschenswert, dass die Behörden Ansätze wie diese aufgreifen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen würden.
In der Folge widmet die Autorin ein ganzes Kapitel der Kommunikation mit den DolmetscherInnen. Dabei handelt es sich genau genommen um einen Artikel, der bereits 1999 publiziert wurde, und der Zusammenhang zu den vorherigen Kapiteln erschließt sich nur zum Teil. Und im Anschluss finden sich noch zwei weitere Kapitel, die ebenfalls Publikationen von bereits zuvor Veröffentlichtem darstellen und an dieser Stelle etwas unvermittelt erscheinen – schade. //
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