Das Asylforum1 ist eine von der asylkoordination organisierte, jährlich stattfindende Tagung zu den aktuellen Entwicklungen im Flüchtlingsbereich. Heuer fand es vom 11. bis 13. April in Leibnitz statt. Von der europäischen und nationalen Flüchtlings- und Grenzpolitik, über strukturelle Fragen und Probleme in der Unterbringung und Beratung, bis hin zu neuen Projekten werden unterschiedliche Positionen und Ansätze vor- und zur Diskussion gestellt.
Die Tagung 2023 öffnete mit einem Vortrag von Georg Bürstmayr, Asylsprecher der Grünen. Bürstmayr versuchte hier eine Einordnung der Asylpolitik der letzten Jahre in der Koalition mit der ÖVP. Der Kritik des Publikums, die Grünen würden sich hier nicht stark genug positionieren, beantwortete Bürstmayr mit dem Verweis auf realpolitische Spielräume.
Der Beitrag von Judith Wiebke vonPro Asyl beschäftigte sich mit den aktuellen flüchtlings- und migrationspolitischen Entwicklungen in Deutschland. Bemerkenswert ist hier sicherlich das deutsche Chancen-Aufenthalts-Gesetz. Personen, die lediglich in Deutschland geduldet sind, also keinen – auch nicht vorübergehenden – Flüchtlingsstatus erhalten haben, aber nicht abgeschoben werden können, erhalten damit die Möglichkeit, die Voraussetzungen für einen legalen Aufenthaltstitel zu erlangen. Damit wechseln sie aus dem Bereich Flucht in den Bereich Migration, haben Zugang zum Arbeitsmarkt und kommen damit aus einer mehr oder weniger rechtlosen Position der Duldung zu einem legalen Aufenthalt. In Österreich wurde entlang mehrerer Diskussionen (z. B. Abschiebung von jungen Menschen mit negativem Asylbescheid, auch nach erfolgreicher Lehre) v. a. von der ÖVP klar Position bezogen, dass die Bereiche Flucht und Migration unter keinen Umständen Übergänge zulassen dürfen. Auch im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts, das allerdings noch nicht beschlossen ist, zielt Deutschland auf eine Liberalisierung, mit kürzeren Wartezeiten und der Möglichkeit zur Mehrstaatigkeit.
Die Bedeutung des Asylforums wurde unter anderem auch durch die Anwesenheit und den Vortrag von Johannes Schön, Asylkoordination am Verfassungsgerichtshof (Achtung Verwechslungsgefahr: die Steuerung am VfGH im Bereich Asyl heißt ebenfalls Asylkoordination) unterstrichen. Er stellte verfassungsgerichtliche Urteile im Bereich Asyl aus den letzten Sessionen des VfGH vor und erläuterte diese.
Auf die für Österreich beschämende Situation im Herbst und Winter 2022 (aufgrund eines Quartiermangels wurden Zelte zur Unterbringung von Flüchtlingen aufgestellt) nahm Andreas Achrainer, Geschäftsführer der BBU (Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen) und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung Bezug. Er sprach hier klar von einer Unterbringungs- und dezidiert nicht von einer Flüchtlingskrise. Er verwies hierbei auf das Problem der Nichtübernahme von bereits zum Asylverfahren zugelassenen Personen in die Landesgrundversorgung der Bundesländer, die hier bis auf Wien und das Burgenland die vereinbarten Übernahmequoten seit Jahren nicht erfüllen.
An dieser Stelle muss auch auf das ambivalente Verhältnis von BBU und NGOs im Flüchtlingsbereich hingewiesen werden. Die NGOs haben schon vor der Gründung der BBU im Jahr 2020 auf den Interessenkonflikt in der Konstruktionslogik hingewiesen. Hier das Innenministerium, konkret das Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen (BFA), zuständig für die erstinstanzliche Entscheidung über Asylzuerkennung, dort das Innenministerium, konkret die BBU, als Rechtsberatung in denselben Verfahren. Zwar ist derzeit keine politische Einflussnahme auf die Rechtsberatung der BBU zu erkennen, unter anderen politischen Vorzeichen könnte sich der Wind hier aber durchaus drehen. Die Grundkritik bleibt aber weiter bestehen und ein Verfahren vor dem VfGH bezüglich der Rechtskonstruktion der BBU ist anhängig.
Stefanio Scala, refugio München stellte in seiner Präsentation ein Projekt zur Früherkennung von besonderer Schutzbedürftigkeit in der Flüchtlingserstaufnahme vor. Ziel des Pilotprojekts ist es, besonders vulnerable Personen (Fokus auf: psychisch erkrankte und/oder traumatisierte Geflüchtete, Opfer von Menschenhandel, LGBTIQ+) frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Hilfestellungen (z. B. entsprechende Unterbringung, Psychotherapie, Medikation,…) zur Verfügung zu stellen. Auch hier zeigten sich wieder einmal die großen Herausforderungen in der Zusammenarbeit von NGOs und staatlichen Stellen, wie den Erstaufnahmezentren.
Mit dem Workshop zur politischen Situation in Syrien und einem zu Push-Backs wurden die Themen Fluchtursachen und die menschenrechtswidrigen Bedingungen der Flucht beleuchtet.
Die Workshops zu Familienzusammenführung und Fluchtwaisen wiesen auf die besonders schwierige Lage von Kinderflüchtlingen und Familien hin. Vor allem die Frage nach staatlicher Obsorge für Fluchtwaisen ab Tag 1 beschäftigt NGOs schon längere Zeit. Im Jahr 2022 sind etwa 85 % der asylantragstellenden Kinder verschwunden und in Österreich nicht mehr auffindbar. Die grundsätzlichen Überlegungen und Forderungen dazu wurden von amnesty international in der Kampagne „Jedes Kind zählt“2 aufgegriffen.
VHS und Asylforum?
Wenn wir als VHS von „Bildung für Alle“ sprechen, müssen wir uns auch Gedanken über die Voraussetzungen, Bedingungen und Erfahrungen machen, die Menschen miteinbringen. Das Asylforum und die Vernetzung mit NGOs aus dem Bereich Asyl kann hier das Wissen um und das Verständnis der Erwachsenenbildung für Teilnehmer*innen schärfen.
Darüber hinaus werden in den Workshops des Asylforums ganz konkrete Frage- und Problemstellungen von Asylwerbenden, subsidiär Schutzberechtigten und Asylberechtigten in Bezug auf Arbeits-, Sozial-, und Aufenthaltsrecht diskutiert, die beim Zugang zu Kursmaßnahmen und im Verlauf derselben, für uns als Bildungsinstitutionen ganz praktisch von Bedeutung sind.
Mit der Präsenz am Asylforum wollen wir uns als Bildungseinrichtung, aber auch ganz klar als Partner*in in der Planung und Umsetzung von Bildungsangeboten für Menschen mit Fluchthintergrund positionieren. Als solche haben wir großes Interesse daran, über den eigenen organisatorischen und thematischen Tellerrand hinauszublicken.
Letztlich werden im Bereich Flucht und Asyl Menschenrechte ganz konkret verhandelt. Menschenrechte, die wir als zentrale Leitlinien der Erwachsenenbildung erachten. //