Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bildungspartizipation von Lerner*innen mit Migrationsbiografie1

1. Einleitung 

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie sind gut zweieinhalb Jahre vergangen. Wir haben mittlerweile verschiedene Phasen des politischen und gesellschaftlichen Umgangs mit dieser Krise durchlaufen, die nicht zuletzt auch einige nachhaltige Veränderungen im Bildungswesen nach sich gezogen hat. Allem voran ist hierbei wohl der so genannte Digitalisierungsschub zu nennen. Das Nachdenken bzw. wissenschaftliche Forschen über die Folgen der Pandemie in der Erwachsenenbildung spiegelt sich unter anderem in jüngeren Schwerpunkten einschlägiger Fachzeitschriften wider (z. B. Die Österreichische Volkshochschule, Heft 270, 2020; Magazin erwachsenenbildung.at Nr. 44/45 und Nr. 46; Hessische Blätter für Volksbildung, Nr. 2, 2021; Zeitschrift für Weiterbildungsforschung 44/3; weiter.bilden Nr. 2, 2022; u. a.).

In diesem Beitrag sollen Effekte der Corona-Krise auf die Teilhabechancen sozial benachteiligter Adressat*innen diskutiert werden. Dabei thematisiere ich im Speziellen die Auswirkungen auf Lerner*innen mit Migrationsbiografien. Selbst wenn aufgrund der internationalen Mobilitätsbeschränkungen im ersten Pandemiejahr wenig Neuzuwanderung nach Österreich erfolgte, sind Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte, die bereits in Österreich lebten, auch in dieser Zeit nicht obsolet geworden. Da selbstverständlich nicht alle Migrant*innen sozial exkludiert sind und es sich keineswegs um eine homogene Gruppe handelt, muss die Frage nach Bildungschancen stets mehrere Parameter von Teilhabe im Blick haben. Die migrationsbezogenen Aspekte sind dabei potenziell (z. B. aufgrund besonderer Rahmenbedingungen oder Benachteiligungen wie rassistischer Diskriminierung, sprachlicher Herausforderungen, etc.), aber nicht zwingend von Bedeutung. 

Dass die Corona-Krise in mehrerlei Hinsicht als Verstärker sozialer Ungleichheit wirkte, stellt keine neue Erkenntnis dar. In den folgenden Ausführungen soll dieser Befund jedoch konkreter ausdifferenziert bzw. der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich einschlägige ­empirische Einsichten zur Situation von Teilnehmenden mit Migrationsbiografien gewinnen lassen. Meine Recherche nach Forschungsarbeiten aus Deutschland und Österreich wird durch Einschätzungen aus drei Interviews mit Weiterbildungsexpert*innen ergänzt, welche ich im Februar 2022 geführt habe. 

2. Covid-19 und soziale Ungleichheit

Die sozialen Auswirkungen der Krise, die hier nicht in aller Breite dargestellt werden können, sind nicht zuletzt für die Teilhabe an Bildung relevant. So sind etwa Migrant*innen im Durchschnitt stärker von Armut, benachteiligten Wohnverhältnissen oder gesundheitlichen Einschränkungen betroffen (BMSGPK: 2020; Kohlenberger et al.: 2021; Statistik Austria: 2021). Diese allgemeinen Befunde haben sich zum Teil in der Pandemie verschärft. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich bei Österreicher*innen im Jahr 2020 von 6,4 auf 8,4 Prozent, hingegen bei ausländischen Staatsbürger*innen von 10,8 auf 15,3 Prozent (Expertenrat für Integration: 2021, S. 51). Dieser Unterschied liegt vor allem darin begründet, dass Migrant*innen häufiger in krisenanfälligen Branchen wie Tourismus/Gastronomie und als Arbeiter*innen bzw. in atypischen Beschäftigungsverhältnissen tätig sind (Statistik Austria: 2021, S. 57 ff.). Im zweiten Pandemiejahr war die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr insgesamt stark rückläufig. Auffällig erscheint, dass die Zahl der inländischen Schulungsteilnehmer*innen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für vorgemerkte Inländer*innen ohne Beschäftigung im Jahresschnitt 2021 um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist, jene der ausländischen Teilnehmenden hingen um 31,3 Prozent (AMS: 2022a). Es befand sich also auch 2021 eine relativ hohe Zahl an arbeitssuchenden Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS: 2022b). Laut Kohlenberger et al. (2021) berichten Migrant*innen in der ersten Pandemiephase von einer erhöhten berufsbezogenen Stressbelastung (z. B. aufgrund der Tätigkeit in den sogenannten systemerhaltenden Berufen mit hohem Ansteckungsrisiko) sowie von erschwerter Arbeitssuche oder Teilnahme an Integrationsmaßnahmen.

3. Erwachsenenbildung in der Pandemie – Forschungsstand

Seit 2020 erfolgte im Lichte von Corona ein massiver Digitalisierungs- und Innovationsschub im Bildungswesen, zugleich wurde die Erwachsenenbildung in ihren Tätigkeiten von der Pandemie jedoch auch stark beschränkt. Die Bildungsträger entwickelten vielerorts mit großem Einsatz innovative Konzepte, um ihre Programme in veränderter Form weiterführen zu können bzw. neue Formate zu kreieren (Gnahs: 2021; Christ et al.: 2021). 

Denninger und Käpplinger (2021) haben für den Zeitraum 2020 bis Mitte des Jahres 2021 einen auf Deutschland bezogenen Überblick über Forschungsbefunde zu Covid-19 und Weiterbildung zusammengestellt. Einige Studien beleuchten die Thematik vorwiegend in quantitativer Hinsicht (also z. B. Auswirkungen auf Anzahl von Kursen, Teilnehmer*innenzahlen, u. ä.). Andere Arbeiten beschäftigten sich qualitativ mit den Erfahrungen von Expert*innen. Insgesamt wurde eine Beschleunigung von ohnehin anstehenden Entwicklungen, v. a. im Bereich der Digitalisierung, beobachtet. Weiters ergaben Forschungen, dass Online-Formate für bestimmte Settings und Zielgruppen – etwa in der Basisbildung – auf größere Schwierigkeiten stießen als in anderen Programmen. In den meisten Studien wurden allerdings vorrangig die institutionelle Dimension bzw. Fragen des professionellen Handelns und der Rahmenbedingungen in der Erwachsenenbildung untersucht. Hingegen waren qualitative Effekte neuer Lernformen sowie die Situation/Perspektive der Lernenden kaum im Fokus (ebd., S. 173). 

Für Österreich gibt es relativ wenige einschlägige Forschungsprojekte zur Erwachsenenbildung. Erkenntnisse liegen zum Teil (sofern zugänglich) aus internen Befragungen vor, wie z. B. einer Erhebung der Wiener Volkshochschulen zum Thema Online-Kurse (Befragung von Kursleiter*innen). Deren Ergebnisse sowie eine weitere interne Studie in den Wiener Volkshochschulen (Hrubesch: 2021) werden in den unten vorgestellten Interviews mitberücksichtigt. 

Eine 2020 durchgeführte explorative Umfrage von Gugitscher und Schlögl (2022) beleuchtete Auswirkungen der Pandemie in der österreichischen Erwachsenenbildung insbesondere in Bezug auf die Professionalisierung bzw. auf Innovationen im Kontext digitaler Transformationsprozesse, und sammelte u. a. Einschätzungen von Erwachsenenbildner*innen zu den Konsequenzen für die Lernenden. Hier wurden z. B. als Hauptgründe für den teilweise beobachteten Ausschluss von Personen durch Online-Formate die unzureichende technische Ausstattung sowie mangelnde Medienkompetenz genannt. An vierter Stelle der angeführten Ursachen stand eine eingeschränkte (Schrift-)Sprachkompetenz. Fast zwei Drittel der Praktiker*innen stimmten der Aussage zu, dass die Covid-19-Krise die gleichberechtigte Teilhabe an Erwachsenenbildung gefährde. Insbesondere stammen solche Einschätzungen von Vertreter*innen der Basisbildung, der allgemeinen Erwachsenenbildung sowie aus Beratung, Coaching und Supervision (ebd.). 

Mehrere internationale Studien haben gezeigt, dass sich die digitale Kluft (auch pandemieunabhängig) weitgehend entlang bereits bestehender Ungleichheitsparameter wie Einkommensunterschieden, Alter, Migrationshintergrund etc. aufspannt (James & Thériault: 2020; Sturm: 2021, S. 86 ff.; Kleinert et al.: 2021). Abgesehen von Barrieren im Zugang zu digitaler Weiterbildung rückten Lernaktivitäten für einkommensschwache Gruppen angesichts existenzieller Sorgen während der Pandemie wohl auch oftmals in den Hintergrund (James & Thériault: 2020). Schließlich ist zu erwähnen, dass ein Teil der Bildungsangebote – insbesondere für Geflüchtete – auf freiwilligem Engagement beruht. Hier waren die Herausforderungen ohne Rückhalt durch eine Trägerinstitution besonders groß. 

4. Einschätzungen von Expert*innen 

Um Erfahrungen mit der Pandemie aus der Praxis von Weiterbildungsanbietern einzuholen, habe ich im Februar 2022 Elisabeth Feigl, wissenschaftlich-pädagogische Mitarbeiterin beim Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV), sowie Thomas Fritz, den Leiter der Forschungsstelle „lernraum.wien“, interviewt. Für Einschätzungen aus der beruflichen Weiterbildung führte ich zusätzlich ein Gespräch mit Frau T.,2 die in leitender Position in der Projektentwicklung und -akquise bei einem großen Schulungsträger und Partner des Arbeitsmarktservice (AMS) tätig ist.

Digitalisierungsschub

Die befragten Expert*innen berichten übereinstimmend von den riesigen Herausforderungen, welche sich trotz bereits zuvor eingeleiteter Entwicklungen in Bezug auf E-Learning durch die pandemiebedingte Einschränkung des Präsenzbetriebes ergaben. Ein enormer Digitalisierungs- und Innovationsschub – in Bezug auf technische Ausstattung, Lernformate sowie die Kompetenzerweiterung bei den Lehrenden und Lernenden – fand in allen Institutionen statt. Deutliche Unterschiede in der Umsetzung zeigten sich jedoch je nach finanzieller Ausstattung der Träger. Gerade für die Volkshochschulen gilt, dass ein Großteil der Kursleiter*innen nicht hauptamtlich tätig ist, weshalb auch die Anpassung an die neuen Erfordernisse (inklusive technischer Ausstattung) stark in deren Eigenverantwortung lag. Trainer*innen erhielten in den meisten Fällen jedoch rasch zahlreiche Weiterbildungsangebote und zum Teil auch technischen Support von ihren Institutionen. Der starke Fokus auf die technische Umsetzung neuer Formate ließ allerdings bislang noch wenig Raum, über die pädagogisch-didaktischen Konsequenzen der neuen Formate tiefergreifend nachzudenken, wie Thomas Fritz anmerkt. 

In der beruflichen Weiterbildung investierte man intensiv in technische Ausstattung, so dass nicht nur Trainer*innen, sondern nach und nach auch Teilnehmer*innen mit Notebooks und fallweise mit Internet-Sticks ausgestattet werden konnten. Dies gilt insbesondere für die erste Pandemiephase, später reduzierte sich nach Einschätzung von Frau T. die finanzielle Unterstützung durch das AMS trotz anhaltenden Bedarfs jedoch wieder. 

Benachteiligungseffekte durch Distance- und Online-Lernen 

Aufgrund der geltenden Rahmenbedingungen konnten manche Kurse in den Volkshochschulen relativ bald wieder (zumindest teilweise) in Präsenz stattfinden – dies betraf v. a. abschlussorientierte Programme (z. B. Pflichtschulabschluss, Basisbildung). Befragungen der Kursleiter*innen ergaben nach Auskunft von Thomas Fritz, dass in manchen Angeboten dennoch ein hoher Prozentsatz an Teilnehmenden „verlorenging“, während in anderen Kursen die Umstellung auf Online-Lehre sehr gut funktionierte. Insgesamt dürfte es aber nach Ansicht der Expert*innen zu weniger Abschlüssen, etwa im Bereich der Pflichtschulprüfungen, gekommen sein. Dieser Befund gilt eventuell nicht gleichermaßen für alle Standorte – siehe dazu beispielsweise die eher positive erste Bilanz von John Evers (2020) aus den Wiener Volkshochschulen. In AMS-Kursen mit Teilnahmeverpflichtung traten diverse, im Folgenden näher beschriebene Probleme ebenso auf und erzeugten oft großen Druck auf die Lerner*innen. 

Nach Aussage der Expert*innen besitzen einige Zielgruppen, wie z. B. Jugendliche – darunter auch viele mit Migrationsgeschichte – zwar ein Smartphone, kamen jedoch mit den Anwendungen im Online-Unterricht anfangs kaum oder nicht zurecht (vgl. dazu auch Sturm: 2021, S. 86). Auch andere Altersgruppen verfügten teilweise nicht über basale Fertigkeiten wie das Versenden von Dateien via E-Mail. Laut Elisabeth Feigl seien einige Migrant*innen aufgrund der regelmäßigen Kommunikation mit Angehörigen im Herkunftsland jedoch zumindest gut mit Online-Konferenztools vertraut gewesen. Bei den Bemühungen, die neuen Lernbedingungen, technischen Anforderungen, Aufgaben und Umsetzungsschritte ausreichend verständlich zu machen, wurden sprachliche Barrieren als zusätzliche Herausforderung genannt. 

Die Tatsache, dass nicht alle Nutzer*innen überhaupt einen PC zur Verfügung haben, wurde auch in den AMS-Schulungen schlagend. Hier gab es jedoch zum Teil mehr – wenngleich nicht flächendeckende – Ressourcen, die fehlenden Geräte zur Verfügung zu stellen. In der ersten Pandemiephase gingen trotzdem Teilnehmende in eigentlich verpflichtenden AMS-Kursen verloren, es waren hier eine Zeitlang die sonst üblichen Sanktionen ausgesetzt. 

In Bezug auf die technischen Ressourcen berichtet Thomas Fritz weiters, dass einige Lerner*innen keinen Internetanschluss in der Wohnung haben und sich üblicherweise in öffentliche WLAN-Spots einwählen, was jedoch für eine Kurs-Teilnahme ungeeignet ist. Zudem stünde in Asylwerber-Unterkünften in der Regel kein W-LAN zur Verfügung Gerade während der Ausgangsbeschränkungen wurde damit einigen Lerner*innen eine Online-Teilnahme faktisch verunmöglicht. Selbst wenn, wie von Frau T. geschildert, Computer-Arbeitsplätze in den Räumen der Bildungsinstitution selbst angeboten wurden, seien insbesondere einige Personen mit Migrationsbiografien von der Polizeipräsenz im öffentlichen Raum eingeschüchtert gewesen und hätten Angst vor dem Weg zum Kursort gehabt – obwohl sie diesen für verpflichtende AMS-Schulungszwecke sehr wohl auch im Lockdown rechtskonform hätten besuchen dürfen.

Nicht zuletzt ergaben sich für einkommensschwächere Gruppen diverse weitere Probleme aufgrund ihrer Lebensbedingungen – wie z. B. wegen eines beengten Wohnumfeldes oder weil der einzige PC von mehreren Familienmitgliedern gleichzeitig benötigt wurde. Frau T. berichtet ferner, dass sich einige Teilnehmer*innen für ihre prekären Wohnverhältnisse geschämt hätten, wenn sie die Kamera einschalten mussten. 

Die Expert*innen betonten ferner, dass soziale Aspekte durch Distance-Learning sehr stark zu kurz gekommen seien. Dies scheint gerade für viele Migrant*innen ein wesentlicher Faktor zu sein, da sie die in Bildungssettings aufgebauten Netzwerke gegenseitiger Unterstützung in vielerlei Hinsicht dringend brauchen würden. 

In den Interviews kamen schließlich auch Vorteile von Distance- und Online-Learning zur Sprache. Bildungsinstitutionen konnten neue Kund*innen gewinnen – u. a. mit Menschen, die einen Fremdsprachenkurs lieber von zuhause aus besuchen möchten oder die asynchrone Weiterbildungsmöglichkeiten besser mit ihrer Berufstätigkeit vereinbaren können. Dies gelte jedoch eher für ökonomisch gut situierte und höher gebildete Zielgruppen (vgl. dazu auch Hrubesch 2021). Aus Sicht der Expert*innen seien die wesentlichen Ursachen für Exklusion oder Inklusion in Parametern sozialer Ungleichheit zu verorten. Fritz fasst zusammen: „Vulnerable Gruppen werden noch vulnerabler. Marginalisierte Gruppen werden noch marginalisierter.“ 

5. Resümee 

Erste Studien sowie Erfahrungsberichte aus der Bildungspraxis zeigten Exklusionspotenziale für die Teilnahme an Weiterbildung während der Pandemie auf. Diese resultierten häufig aus dem unmittelbar erforderlichen Umstieg auf digitale Bildungsformate, was bestimmte Gruppen wegen mangelnder technischer Ausstattung und zu geringer digitaler Kompetenzen bzw. auch unzureichender Wohnbedingungen für ein ungestörtes Online- und Distance-Lernen benachteiligte. Außerdem gingen gerade für Menschen in prekären Lebenslagen erhöhte Belastungen mit der Pandemie einher, weshalb Weiterbildung oftmals als nachrangig empfunden wurde. All das gilt in besonderen Maß für die erste Pandemiephase. 

Vor allem in Bereichen wie der Alphabetisierung und Basisbildung scheint (auch wenn es hier Unterschiede je nach Standort und Angeboten gab) ein Teil der Lerner*innen verlorengegangen zu sein. Es wird jedoch von meinen Interviewpartner*innen bestätigt, dass die Drop-Outs dort weniger drastisch ausfielen, wo in den Kursen bereits vor der Pandemie digitale Elemente integriert worden waren. Dadurch stellte sich die Lage auch im ersten Lockdown anders dar als in den folgenden Phasen. Diese Erfahrung gilt es in die Zukunft mitzunehmen.

Viele Trainer*innen bemühten sich unter hohem persönlichem Einsatz um eine Unterstützung der Lerner*innen, die mit der Umstellung auf digitale Formate nicht zurechtkamen (vgl. zu den strukturellen Maßnahmen auch Evers: 2020). Dies geschah etwa, indem für diese Personen eigens Unterlagen kopiert oder sie telefonisch und via WhatsApp zusätzlich individuell betreut wurden. Vielerorts bemühte man sich, so schnell wie möglich wieder Präsenzangebote zu machen. In diesen wurde dann auch gezielt an den digitalen Kompetenzen der Teilnehmenden gearbeitet. Gerade im Bereich der Basisbildung sind soziale Interaktion, Vertrauen und emotionale Kursbindung wichtige Elemente, um Drop-outs vorzubeugen (Bickert et al.: 2022). 

Die fehlenden technischen Ressourcen (Endgeräte, Internetanschlüsse) sind als weiterer Ansatzpunkt zu nennen, für den es Konzepte seitens der Bildungsinstitutionen, aber v. a. auch der Bildungspolitik bedarf. Unter anderem lässt sich aus den Erfahrungen in der Pandemie lernen, dass zwar viele Schwierigkeiten durch hohes individuelles Engagement der Kursleiter*innen bewältigt bzw. abgemildert wurden, es jedoch stets auch einer entsprechenden strukturellen Unterstützung seitens der Bildungsträger bedarf. Diese wurde abhängig von den jeweiligen Möglichkeiten der Institutionen in unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit geleistet. 

Besonders schwierig gestaltete sich das Aufrechterhalten von Angeboten, die lediglich auf ehrenamtlichem Engagement basieren – was etwa im Bereich Migration/Asyl häufig vorkommt. Es ist davon auszugehen, dass auch hier die ohnehin schon schwache gesellschaftliche Position der Lerner*innen zusätzlich verschlechtert wurde. Zu kritisieren sind hier allerdings nicht die Freiwilligen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin solidarische Unterstützung leisteten. Es zeigt sich jedoch, dass strukturell ohnehin vernachlässigte Felder in Krisen besonders unter Druck geraten. Einige Bildungsinstitutionen begleiten freiwillig Engagierte kontinuierlich in einem breiten Spektrum an Inhalten und Zielgruppen. Aus Einrichtungen wird beispielsweise berichtet, dass trotz diverser Unterstützungsangebote (wie Weiterbildungen zu digitalem Lernen) bei vielen Freiwilligen die Motivation in der Pandemie verlorenging. Dies geschah u. a. auch deshalb, weil sie aufgrund ständig wechselnder Corona-Regelungen permanent ihre Planung überarbeiten mussten und insgesamt hohe Unsicherheit herrschte (Ringler & Janovsky: 2020).

Sprachbezogene Hürden, mit denen sich manche Migrant*innen zusätzlich zu zahlreichen anderen Herausforderungen konfrontiert sahen, konnten teilweise durch entsprechende Maßnahmen zumindest verringert werden (mehrsprachiges Infomaterial, etc.). Die Expert*innen empfehlen für die Zukunft gerade für eingewanderte Personen und Menschen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch intensivere und individuelle Beratungsangebote. 

Schließlich seien auch noch positive Aspekte der Digitalisierung, selbst für Menschen mit geringer Grundbildung, erwähnt. So berichten Trainer*innen aus der Basisbildung von Empowermenteffekten durch die Gestaltung autonomer Lernmöglichkeiten und von schrittweise erfolgreicher Adaptierung der Teilnehmenden an die neuen Herausforderungen. Geeignete didaktische Settings werden nunmehr laufend für die zukünftige Basisbildung erarbeitet und werden diese wohl auch nachhaltig verändern (Lasser: 2021). 

Insgesamt lässt sich resümieren, dass sich allgemeine Parameter sozialer Ungleichheit, welche Migrant*innen in einigen Bereichen überproportional betreffen, auch in Exklusionsmechanismen in der und durch die Pandemie tendenziell verstärkt haben. In Bezug auf die Erwachsenenbildung erwies sich die so genannte digitale Kluft als relevanter Faktor. Ihr sollte auch unabhängig von pandemischen Bedingungen weiterhin besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Gleichzeitig darf aber nicht der Fehler gemacht werden, in der Stärkung der digitalen Teilhabechancen ein Allheilmittel für den Abbau von sozialer Ungleichheit zu sehen. Soziale Benachteiligung resultiert aus vielfältigen und komplexen Ursachen und ist grundsätzlich nicht allein durch Bildung zu beseitigen. Für eine kritische Reflexion etwaiger institutioneller Exklusionsmechanismen können jedoch gerade Krisen wie die Corona-Pandemie den Blick schärfen. 

Abschließend sei noch angemerkt, dass sich mehr oder weniger alle verfügbaren Studien auf die erste Phase der Corona-Krise beziehen. Es ist daher aus meiner Sicht wünschenswert, auch die längerfristigen Effekte der Pandemie in Bezug auf die Teilhabechancen von Migrant*innen bzw. sozial benachteiligten Adressat*innen sowie den Erfolg der entwickelten Lösungsansätze in der Erwachsenenbildung wissenschaftlich zu beleuchten. //

1   Dieser Artikel stellt eine überarbeitete und stark gekürzte Version eines Beitrages dar, der im Sammelband „Sozialer Zusammenhalt in der Krise. Interdisziplinäre Perspektiven auf Heterogenität und Kohäsion moderner Gesellschaften“ im März 2023 bei transcript erscheint. 

  Anonymisierung auf Wunsch der Interviewpartnerin 

Literatur 

AMS (2022a): Spezialthema zum Arbeitsmarkt 12/2021. Verfügbar unter: https://www.ams.at/content/dam/download/arbeitsmarktdaten/%C3%B6sterreich/berichte-auswertungen/001_uebersicht_jahr2021.pdf. [29.8.2022].

AMS (2022b): Übersicht über den Arbeitsmarkt. Jänner 2022. Verfügbar unter: https://www.ams.at/content/dam/download/arbeitsmarktdaten/%C3%B6sterreich/berichte-auswertungen/001_uebersicht_aktuell_0122.pdf. [29.8.2022].

Bickert, Marie et al. (2022): Drop-out in der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener – Pandemiebedingte Herausforderungen und theoretische Perspektiven. In: Zeitschrift für Bildungsforschung, (12), 61–79.

BMSGPK (2020): Covid-19: Analyse der sozialen Lage in Österreich. Forschungsbericht. Wien.

Christ, Johannes et al. (2021): Auswirkungen der Coronapandemie auf Weiterbildungsanbieter. Ergebnisse der wbmonitor Umfrage 2020. Verfügbar unter: https://www.bibb.de/dienst/veroeffentlichungen/de/publication/show/17259. [29.8.2022].

Denninger, Anika & Käpplinger, Bernd (2021): COVID-19 und Weiterbildung – Überblick zu Forschungsbefunden und Desideraten. In: Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, (44), 161–176. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s40955-021-00190-7. [29.8.2022].

Evers, John (2020): Wenn die VHS als Lernraum ganz besonders fehlt …Basisbildungskurse und Pflichtschulabschlusslehrgänge in Zeiten der Krise. Ein Erfahrungsbericht. In: Die Österreichische Volkshochschule, 270. Verfügbar unter: https://magazin.vhs.or.at/magazin/2020-2/270-sommer-2020/coronakrise/wenn-die-vhs-als-lernraum-ganz-besonders-fehlt/ [29.8.2022].

Expertenrat für Integration (2021): Integration im Kontext der Pandemie. Integrationsbericht. Wien. 

Gnahs, Dieter (2021): Weiterbildung in der Krise – Krise der Weiterbildung. In: Hessische Blätter für Volksbildung, 71 (2), 10–19.

Gugitscher, Karin & Schlögl, Peter (2022): „Es geht mehr digital als angenommen!“ Zur Digitalisierung in der österreichischen Erwachsenenbildung vor, während und nach Covid-19. In: Magazin erwachsenenbildung.at, 16 (44/45), 97–107. Verfügbar unter: https://erwachsenenbildung.at/magazin/ausgabe-44-45. [29.8.2022].

Hrubesch, Angelika (2021): Pädagogische Reflexionen zum Distance bzw. Digital Learning der Wiener Volkshochschulen 2020. Unveröffentlichter Bericht lernraum.wien. 

James, Nalita & Thériault, Virgine (2020): Adult education in times of the COVID-19 pandemic: Inequalities, changes, and resilience. In: Studies in the Education of Adults, 52 (2), 129–133.

Kleinert, Corinna, et al. (2021): Work-related online learning during the COVID-19 pandemic in Germany. In: Zeitschrift für Weiterbildungsforschung 44 (3), 197–214. https://doi.org/10.1007/s40955-021-00192-5. [29.8.2022].

Kohlenberger, Judith et al. (2021): Covid-19 und Migrationshintergrund. Erreichbarkeit, Umgang mit Maßnahmen und sozioökonomische Herausforderungen von Migrant/inn/en und Geflüchteten. Forschungsbericht, Wien.

Lasser, Elisabeth (2021): Ein Jahr Distance Learning in der Basisbildung – eine Zwischenbilanz. Portal erwachsenenbildung.at. Verfügbar unter: https://erwachsenenbildung.at/aktuell/nachrichten/15904-ein-jahr-distance-learning-in-der-basisbildung-eine-zwischenbilanz.php. [29.8.2022].

Ringler, Margarete & Janovsky, Julia (2020): Bildungsehrenamt in Zeiten von Covid-19. Portal erwachsenenbildung.at. Verfügbar unter: https://erwachsenenbildung.at/aktuell/nachrichten/15381-bildungsehrenamt-in-zeiten-von-covid-19.php. [29.8.2022].

Statistik Austria (Hrsg.) (2021): Statistisches Jahrbuch Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren. Wien.

Sturm, Matthias (2021): Digitalität als Ort der Ausgrenzung und sozialer Gerechtigkeit. In: Hessische Blätter für Volksbildung, 71 (2), 85–94.

Sprung, Annette (2022): Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bildungspartizipation von Lerner*innen mit Migrationsbiografie. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2022, Heft 277/73. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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