Ralph Egler, Ulrich Klemm und Jürgen Küfner (Hrsg.) (Dresdner Diskurse Erwachsenenbildung 1). Blick zurück nach vorn. Überlegungen zur Zukunft der Volkshochschule.

Ralph Egler, Ulrich Klemm und Jürgen Küfner (Hrsg.) (Dresdner Diskurse Erwachsenenbildung 1). Blick zurück nach vorn. Überlegungen zur Zukunft der Volkshochschule.
Dresden und Ulm: VHS und Verlag Klemm und Oelschläger 2021, 144 Seiten.

Mit der Fragestellung was das Eigentümliche, das Proprium der Volkshochschule ist, befasste sich eine Tagung, die von 28. bis 29. November 2019 an der Volkshochschule Dresden stattfand. Die Tagung wurde in Kooperation mit dem Sächsischen Volkshochschulverband vor dem Hintergrund des 100-Jahr-Jubiläums des Verbandes durchgeführt. Mit einem „Blick zurück nach vorn“ sollen „Überlegungen zur Zukunft der Volkshochschule“ angestellt werden, argumentieren die Herausgeber. Ralph Egler ist seit 2002 Direktor der Volkshochschule Landkreis Leipzig und seit 2017 Vorsitzender des Sächsischen Volkshochschul-Verbandes, Ulrich Klemm war von 2013 bis 2021 Geschäftsführer des VHS-Verbandes Sachsen, hat seit 2006 eine Honorarprofessur für Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Universität Augsburg inne und bekleidet seit April 2021 eine Vertretungsprofessor Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der TU Chemnitz. Klemm hat bereits mehrere Male in Österreich referiert und zuletzt in der ÖVH publiziert. Auch Jürgen Küfner ist in Österreich kein Unbekannter, nicht zuletzt kennen ihn viele KollegInnen von den Tagungen der großstädtischen Volkshochschulen in der DACH-Region. Küfner ist seit 2012 Direktor der VHS Dresden und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes. Alle drei sind ausgebildete Pädagogen und haben eine langjährige Erfahrung in der Praxis der Erwachsenenbildung und alle drei setzen sich für einen Dialog zwischen Theorie und Praxis ein. Sie plädieren für eine wissenschaftsbasierte kritische Reflexion der eigenen Praxis.  

Ulrich Klemm skizziert einleitend kurz und bündig die Entwicklung der Volkshochschule in Sachsen. Im Kern ist sie eine „demokratische Idee“, die ihre Wurzeln in der europäischen Aufklärung hat (S. 11). In der Zeit der Weimarer Republik wurde die Volkshochschule zu einem „Bestandteil des Aufbruchs in die demokratische Moderne“ (S. 13).

Das Thema lebensbegleitende Bildung bzw. Lernen findet sich bereits in den Schriften von Comenius und Mendelssohn, wie Elisabeth Meilhammer, Inhaberin des Lehrstuhls für Pädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Universität Augsburg schreibt. ­Comenius hat in seiner 1638 fertiggestellten „Didactica magna“ die Forderung aufgestellt, alle Menschen alles zu lehren. In seinem zweiten Hauptwerk, der „Pampaedia“ argumentiert er für eine lebenslange Bildung, wonach dem ganzen Menschengeschlecht das Ganze allumfassend gelehrt werden solle (S. 38). Für die Volkshochschule bedeutet das, dass sich das zu Lernende aus dem konkreten Lebenszusammenhang und den daraus abgeleiteten Bildungsbedürfnissen ergibt. Bildung soll zu einem guten Leben führen. Moses Mendelssohn gilt als einer der prominentesten Denker der jüdischen Aufklärung im 18. Jahrhundert in Deutschland. ­Mendelssohn steht für einen breiten Bildungsbegriff.

Er propagiert den Gebrauch des Verstandes und hält die Wissenschaftsorientierung als pädagogisches Prinzip für bedeutsam. Darüber hinaus betont ­Mendelssohn die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die für die „Ermöglichung von Bildung“ gegeben sein müssen (S. 48). Beide Konzeptionen sind religiös geprägt, was nur aus der Zeit heraus verstanden werden kann. 

Bernd Käpplinger, Professor für Weiterbildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen, befasst sich in seinem Beitrag mit den Dialektiken von Ansprüchen und Wirklichkeiten in Volkshochschulen. Die Volkshochschule beinhaltet eine Ansammlung verschiedener Richtungen (konservativistisch, humanitär-demokratisch, sozialistisch-demokratisch), wenn sie in ihrer historischen Entwicklung betrachtet wird. Am Anfang standen auch in Deutschland breite zivilgesellschaftliche Bewegungen, die demokratiepolitisch heute noch interessant sind. Denn in den Ausschüssen und Gremien der meisten Volkshochschulen war eine „Partizipation der Vielen“ auszumachen und daher stellt Käpplinger auch die Frage, ob die heutige Volkshochschule selbst auch noch mehr Demokratie wagen soll (S. 26). Die Volkshochschule ist eine „Tochter der Demokratie“, sie lebt von der „Vielfalt“ und dem „Engagement der Vielen“. Sie ist eine Einrichtung mit großer regionaler Vielfalt und wenn wir Vielfalt als etwas Grundlegendes betrachten, das den Menschen ausmacht, wie das zum Beispiel der französische Soziologie Edgar Morin beschreibt,1 dann spiegelt die Volkshochschule in und mit ihrer Vielfalt ein ganzheitliches Menschenbild wider, was zweifelsohne ein Merkmal von Volkshochschule ist.

Mit den Wurzeln der Volkshochschule heute befasst sich Erich Schäfer, Professor für Methoden der Erwachsenenbildung am Fachbereich Sozialwesen der Ernst-Abe-Hochschule Jena, in seinem Beitrag. Er nennt dabei die dänische Volkshochschule, die Universitätsausdehnungsbewegung, die aus England kommend über Österreich auch nach Deutschland „importiert“ wurde und den „Richtungsstreit“ in Deutschland (alte und neue Richtung). 

Wiltrud Gieseke, Seniorprofessorin für Ewachsenenbildung an der Humboldt-Universität zu Berlin und Karin Opelt, Diplom-Pädagogin und Pädagogische Mitarbeiterin bei einem privaten Bildungsträger, beleuchten die Volkshochschule im Deutschland des 20. Jahrhunderts, und zwar im Faschismus und nach dem Krieg in der Deutschen Demokratischen Republik. In der DDR war der Zweite Bildungsweg die Hauptaufgabe der Volkshochschulen. 

Der Beitrag von Ulrich Heinemann, der in der Verwaltung tätig war und Lehrbeauftragter an den Universitäten Bochum, Duisburg/Essen und Tübingen ist, wurde nachträglich dem Buch hinzugefügt. Heinemann zeichnet die Entwicklung der Weiterbildung (allgemeine, berufliche und betriebliche Weiterbildung) in Krisenzeiten nach und plädiert für die konsequente Weiterverfolgung der „digitalen Wende“ (S. 97). Gleichfalls muss er festhalten, dass die „Eigenlogik“ in der allgemeinen Weiterbildung Beharrungskräfte wie auch Veränderungskräfte beinhaltet (S. 98). 

Von Gieseke, Käpplinger, Meilhammer und Schäfer werden Thesen zu ihren Beiträgen zusammengefasst. Josef Schrader, Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Tübingen und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, spricht in seinen Thesen davon, dass die Erwachsenenbildung „responsiver“ gegenüber gesellschaftlichen Entwicklung ist als die „trägen“ Einrichtungen Schule und Universität. Er betont die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und dass diese zu stärken ist (S. 107). Schließlich plädiert er für einen „realistischen Bildungsbegriff“, der sich an den AdressatInnen orientieren soll, für die Bildung kein Selbstzweck sondern „Handlungsressource“ ist (S. 108). 

Ralph Egler, Kirsten Kärnstadt und ­Holger Müller zeichnen die Diskursverläufe nach, wodurch sich ein interessanter Einblick in die Diskussionsstränge ergibt und Ulrich Klemm präsentiert eine Auswahl-Chronik und Auswahl-Bibliographie zur Geschichte der Volkshochschulen in Sachsen. 

Fazit: Lesenswert für alle, die sich in den Volkshochschulen und in den Verbänden mit Fragen der Standortbestimmung und der zukünftigen Ausrichtung der Volkshochschule als Erwachsenenbildungseinrichtung befassen. //

1   Edgar Morin (2012): Der Weg. Für die Zukunft der Menschheit. Hamburg: Krämer Verlag.

Bisovsky, Gerhard (2021): Ralph Egler, Ulrich Klemm und Jürgen Küfner (Hrsg.) (Dresdner Diskurse Erwachsenenbildung 1). Blick zurück nach vorn. Überlegungen zur Zukunft der Volkshochschule. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2021, Heft 275/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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