Die Dynamik der Klimabewegung flaut ab. Kann sie wieder Aufwind bekommen? Manuel Grebenjak, Aktivist, Stratege, Weiterbildner, will mit dem von ihm herausgegebenen Sammelband ermutigen, stützen und ermächtigen. Die Autor*innen und Beiträge repräsentieren ein „emanzipatorisches Politikverständnis“ und treten für soziale Gerechtigkeit ein. Ganz klar ist die Botschaft: Der Klimawandel ist über das naturwissenschaftliche Problem hinaus eine gesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung. Es geht um die Sicherung unserer Lebensgrundlagen.
Einleitend bietet der Herausgeber begriffliche Klärungen. Bewusst vergleicht er die Klimabewegung mit einem „Ökosystem“. Ab 2018 gewann die Klimabewegung im öffentlichen Raum große Aufmerksamkeit und viele Menschen fanden sich in unterschiedlichen Organisationsformen zusammen. Diese Organisationsformen haben die Eigenschaften von Ökosystemen: Sie sind offen, dynamisch und komplex.
Den Begriff „Kipppunkte“ entlehnt Manuel Grebenjak den Sozialwissenschaften. Es handelt sich um den „point of no return“, wenn ein System in einen neuen Zustand übergeht. Im Zusammenhang mit der Klimabewegung geht es um positive soziale Kipppunkte. Ob und wie diese erreicht werden können, dafür gibt es keine Garantie. Es gilt, permanent zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. Auch wenn Ziele erreicht sind, bleibt das weitere Geschehen und Vorgehen für künftige Entwicklungen offen. „Nichts, was einmal erkämpft wurde, bleibt für immer garantiert“ (S. 9).
Also: Bleibt lernfreudig, aufmerksam und engagiert! Eine Leitidee der Erwachsenenbildung!
Der erste Teil des Sammelbandes bietet Beiträge, um die Intentionen und Ursachen der Klimabewegung besser zu verstehen. Thematisiert werden die Historie der Klimabewegung, das Stehen „auf den Schultern von Ries*innen“ und der generationenübergreifende Zusammenhang sowie die Eskalation der Klimakrise. Erörtert werden auch die Barrieren, die den Klimawandel verhindern, sowie Grundlagen und Strategien, wie ziviler Ungehorsam im Rahmen sozialer Bewegungen radikale Transformationen ermöglichen könnte. Die Beiträge schaffen einen aufklärenden Blick auf den abstrakten Begriff „Klimabewegung“. Sie zeigen die Vielfalt und Vielseitigkeit des sozialen Engagements für ein menschenwürdiges Zusammenleben angesichts der absehbaren und bereits spürbaren Folgen des sich ändernden Klimas.
Einen eigenen Teil bilden die Beiträge von zwanzig deutschsprachigen und internationalen Organisationen der Klimabewegung. Der inhaltliche Bogen umfasst z. B. den Widerstand gegen den Abbau von Braunkohle im Rheinland, bringt u. a. die Positionen von Extinction Rebellion, Friday For Future, Greenpeace, Letzte Generation oder Scientist Rebellion zum Ausdruck. Entgegen den meist schmalen, wenig differenzierten Berichten in den Medien öffnet sich dadurch die Chance, die Absichten, Ideen und Erfahrungen der einzelnen Gruppen besser kennen zu lernen.
Im letzten Teil des Bandes wird speziell auf strategische Aspekte der Klimabewegung eingegangen. Teils in Form von Interviews werden erfolgversprechende Vorgangsweisen diskutiert. Dazu gehört auch das „Deep Organizing“, das den Aufbau von Beziehungen in der Kommune und in der Verwandtschaft in Hinblick auf die zu diskutierenden Probleme des Klimawandels und notwendiger Transformationen stärker berücksichtigen will. Übersetzt in die Didaktik der Weiterbildung: „Diskursives Lernen mit Nahestehenden!“.
Aus der „Vogelperspektive“, zusammenschauend und beurteilend, blickt der Autor schließlich auf das „Ökosystem der Klimabewegung“. Er verspricht kein Paradies, sondern meint nüchtern, aber hoffnungsvoll, dass es noch viele soziale Kipppunkte brauchen wird. Er postuliert optimistisch am Ende des Sammelbandes (S. 395): „Denn solange es die Menschheit gibt, wird es sich lohnen, in Richtung einer besseren Welt zu gehen.“
Das Buch wird seiner Absicht, „Klimabewegte“ zu Debatten über Strategien, Protestformen und gemeinsames Lernen anzuregen, in hohem Maße gerecht.
Für die Erwachsenenbildung liegt hiermit eine inhaltlich aufklärende und didaktisch ansprechende Publikation vor, die die unmittelbare Lebensführung und -gestaltung vieler Zielgruppen betrifft. //
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