Autoritäre Politik gefährdet die Zivilgesellschaft – Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft müssen geschützt werden

Populismus, Rechtspopulismus und autoritäre Politik

Es gibt eine globale Tendenz zu stärker autoritär agierenden Regierungen. Autoritäre Regime entstehen immer seltener durch Militärputsch oder andere Formen massiver Gewalt, sondern in einem schleichenden Prozess oft kleiner Schritte. In diesem Prozess sind die kritische Zivilgesellschaft und unabhängige NGOs oft unter den ersten Zielen.

Populismus meint Politik, die sich auf simple, archaische Formen der Identifikation bezieht, Gesellschaft damit rhetorisch teilt (wir versus die anderen) und simple Lösungen anbietet. Rechtspopulismus ist eine Form davon, die ethnisch, religiös oder national exklusive Solidarität vertritt. Autoritäre Politik wiederum ist illiberal, schränkt jegliche Form von Partizipation und Kritik ein und zeichnet sich durch eine Schwächung demokratischer Institutionen aus. Wir finden autoritäre Tendenzen zunehmend auch in konsolidierten Demokratien wie Frankreich, Deutschland, Schweden, Norwegen oder Österreich bzw. den USA. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Rechtspopulismus und autoritärem Regieren (Müller 2017; Urbinati 2016). Die Einschränkungen von politischen Rechten und bürgerlichen Freiheiten gehören oft zu den ersten Handlungen von populistisch-autokratischen Regierungen.

Autoritäres Regieren und die Zivilgesellschaft

Der Prozess der Entwicklung autoritärer Regierungen in Bezug auf die Zivilgesellschaft folgt meist demselben Muster: Zunächst wird eine diskursive Delegitimierung der regierungskritischen Zivilgesellschaft versucht. Danach wird die politische Partizipation eingeschränkt, und es folgen Änderungen der öffentlichen Finanzierung, im Zuge deren öffentliche Gelder entlang einer Polarisierung von „guter“ und „schlechter“ Zivilgesellschaft weg von politisch unabhängigen zu abhängigen CSOs gelenkt werden. Dann werden auch rechtliche Rahmenbedingungen geändert, insbesondere Grundrechte eingeschränkt. Die Zivilgesellschaft ist somit meist unter den ersten Zielen autoritärer Regime. Dieser Prozess wird als civil society capture bezeichnet (Moder & Pranzl, 2019).

Für das Funktionieren von Zivilgesellschaft sind politische und sozialstaatliche Rahmenbedingungen entscheidend. Abgesehen von allgemeinen Bürgerrechten, wie Vereins- oder Meinungsfreiheit, spielen Möglichkeiten der Partizipation in Gesetzgebungsverfahren, die Informationspolitik der Regierung, die Qualität des Sozialstaates und die finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen durch die öffentliche Hand eine wichtige Rolle.

Die Erhebung in Österreich

In Österreich führte die Nationalratswahl 2017 zu einer Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, die beide einen polarisierenden, stark auf das Flüchtlingsthema bezogenen Wahlkampf gemacht hatten. Auch klassische Sozialthemen wurden mit dem Asylthema verbunden, das „Nationale“ wurde betont. Die Regierungskoalition kann daher als rechtspopulistisch bezeichnet werden.

In einer empirischen Erhebung2 wurde daher untersucht, ob und in welcher Form sich Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Organisationen (CSO) in den letzten Jahren verändert haben und inwieweit damit auch von einer autoritären Politik gesprochen werden kann.

Methodische Grundlage bildeten vor allem 53 Interviews, die zwischen August 2018 und Februar 2019 mit ExpertInnen sowie mit VertreterInnen von Organisationen der Zivilgesellschaft geführt wurden. Zudem wurde im Februar 2019 eine quantitative Erhebung bei 310 Führungskräften von CSOs durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in zwei Fokusgruppen mit CSO-VertreterInnen diskutiert. Die Erhebung ist ein Update des 2014 durchgeführten Civil-Society-Index (More-Hollerweger et al., 2014), daher können auch aktuelle Veränderungen analysiert werden.

Ergebnisse: Zivilgesellschaft unter Beschuss

In Bezug auf das allgemeine Klima lässt sich eine deutliche Polarisierung des Diskurses feststellen, Versuche der gezielten Einschüchterung sowie eine zunehmende Delegitimierung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten in Medien und vonseiten der Politik: „Klimatisch ist es eine Eruption.“ Delegitimierung zivilgesellschaftlichen Handelns erfolgt z. B. durch Unterstellung von Profitinteressen, Abwertung der Arbeit, auch die Zunahme einer allgemein negativen, ausgrenzenden Rhetorik: „Da kommen eben dann diese Ausdrücke wie NGO-Wahnsinn im Mittelmeer, (…) Asyl-Industrie (…). Da wird schon bewusst (…) ein gewisses Feindbild zivilgesellschaftlicher Organisationen aufgebaut.“ Es gibt eine konstante Abwertung bestimmter zivilgesellschaftlicher Organisationen, vor allem solcher, die sich mit vulnerablen Zielgruppen beschäftigen. Der Begriff der Gemeinnützigkeit gerät damit unter Druck. Damit einher geht die Unterscheidung von Zivilgesellschaft in einen wünschenswerten und einen unerwünschten Teil: „Es gibt plötzlich die Guten und die Schlechten in der Zivilgesellschaft.“

In Bezug auf Demokratie und Partizipation zeigt sich, dass CSOs deutlich weniger in Gesetzgebungsverfahren einbezogen werden. Begutachtungsfristen werden verkürzt, Initiativanträge verhindern Stellungnahmen etc. Stellvertretend für viele Interviewaussagen meinte eine Befragte: „Wir sind am Beginn von einem massiven Wandel hin zu einer Demokratie ohne Partizipation, ohne Einbindung.“ Die Politik ist intransparenter geworden, und sie kommuniziert kaum noch mit AkteurInnen der Zivilgesellschaft: „Die reden nicht mit uns. Die wollen nicht mit uns reden. Das ist das Neue. Bis jetzt habe ich immer das Gefühl gehabt, man kann noch mit jemandem reden.“

Grundrechte sind in Österreich im internationalen Vergleich gut ausgeprägt. Allerdings wurde die Versammlungsfreiheit in den letzten Jahren eingeschränkt, vor allem durch die Ausweitung der Anzeigefrist für Versammlungen, die Einrichtung von sogenannten Schutzbereichen. Indirekte Auswirkung auf die Ausübung von Grundrechten haben zunehmende Bürokratisierung und Einschränkungen der Rechtssicherheit in der Praxis: „Bei der Versammlungsfreiheit sind die Einschränkungen ja offensichtlich, und vor allem ist es schon eine Tendenz, die wir in den letzten Jahren sehen, […] dass sie so formuliert werden, dass sie gesetzeskonform oder nicht konform ausgelegt werden können.“

Bei der öffentlichen Finanzierung gab es Veränderungen, die offensichtlich kritische und an Diversität orientierte CSOs betreffen. Vor allem in den Bereichen Migration, Kunst, Frauen-, Arbeitsmarkt- und Entwicklungspolitik haben diese CSOs zum Teil existenzbedrohende Einschränkungen erfahren. Eine Vertreterin arbeitsmarktpolitischer Organisationen beschreibt dies: „Das ist ja schon das zweite Jahr der Kürzungen.
Das heißt, 2018 gab es auch schon Kürzungen, (…) jetzt sieht man, wie die Betriebe beginnen zu schließen. Also im ersten Jahr haben sich alle irgendwie gerettet, Umstrukturierung, anderes Förderbudget usw.“
Ein Befragter verweist auf den strategischen Aspekt der Kürzungen: „Und das ist eigentlich ein Aushungern. Also so ein systematisches Aushungern von Einrichtungen.“

Resümee

Die Veränderungen ergeben in ihrer Gesamtheit ein klares Muster: Sie entsprechen den aus der Literatur bekannten Prozessen der Entwicklung autoritärer Regierungen. Es gibt klar beobachtbare Tendenzen, das kritische Potenzial der Zivilgesellschaft sowie ihre Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen einzuschränken. Diese Politik des systematischen Zurückdrängens von Widerspruch, Protest und Vielfalt durch unterschiedlichste ineinandergreifende Maßnahmen widerspricht der österreichischen Tradition. Sie ist Ausdruck einer zunehmend autoritären, rechtspopulistischen Politik. Es gilt in Zukunft, die Zivilgesellschaft mit ihren vielfältigen Funktionen zu schützen und für die Bewahrung geeigneter Rahmenbedingungen einzutreten. //

Hinweis: https://gemeinnuetzig.at/2019/04/civil-society-index-update-2019-ist-der-politische-klimawandel-noch-zu-stoppen-2/

civil-society-index_w

1   https://awblog.at/autoritaere-politik-gefaehrdet-zivilgesellschaft/?jetztlesen

  https://gemeinnuetzig.at/2019/04/civil-society-index-update-2019-ist-der-politische-klimawandel-noch-zu-stoppen-2/

Simsa, Ruth (2020): Autoritäre Politik gefährdet die Zivilgesellschaft – Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft müssen geschützt werden. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2020, Heft 272/71. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

Kommentare

Neuen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Zurück nach oben