Alle Lebewesen gehören zu einer großen Familie. Beruhigend? Tröstend? Wir Menschen sind nicht so einzigartig, wie oft geäußert wird. Kränkend? Demütigend? Ergebnisse der Forschung lassen zunächst Befindlichkeiten außer Acht. Befindlichkeiten bezüglich der Erkenntnisse werden aber spätestens dann geäußert, wenn sie konventionelle Denkweisen und gewohntes Verhalten in Frage stellen.
Mit Show und Humor wecken die Science Busters Neugier und Staunen ihres Publikums – damit es mehr wissen kann und weniger glauben muss. Zwei dieser Wissensvermittler, der Astronom Florian Freistetter und der Biologe Helmut Jungwirth, zeichnen, das Große und das Kleine betrachtend, für das kurzweilige, informative Buch über Mikroorganismen verantwortlich. Sie öffnen die Perspektive auf eine nur im Mikroskop sichtbare Welt, in der sich der Bezug zum menschlichen Leben erst neu konstituiert. Hilfreich zur Orientierung merken die Autoren an: Wir Menschen sind Gäste auf einem Planeten der Mikroorganismen, die schon lange vor uns da waren sicherlich lange nach uns da sein werden. Einhundert Beispiele haben die beiden Autoren ausgewählt, um Vielfalt, Wirken und Eigenschaften weniger Tausendstel Millimeter kleiner Organismen vorzustellen.
Die Geschichte ihrer Entdeckung beginnt bei dem niederländischen Naturforscher Antoni van Leeuwenhoek, der bei der Analyse seines Zahnbelags „deren“ (kleine lebende Tierchen, nämlich Bakterien) entdeckte. Die beiden Autoren erklären, wie das – unter einem selbstgebauten Mikroskop erweiterte – neue Wissen über ein- und mehrzellige Lebewesen neue systematische Einteilungen in der Naturwissenschaft erforderte. Bei Mikroorganismen geht man heute von drei „Domänen“ aus: Körperzelle, Bakterien und Archäonen – letztere noch rätselhafte, noch unverstandene, keine Krankheiten verursachende Lebewesen. Die Neugier bleibt erhalten, der Forschung ein weites Feld.
Bakterien, geschätzte hundert Billionen (eine Billion entspricht eintausend Milliarden) besiedeln einen menschlichen Körper. Etwa 140.000 Arten bewegen sich im Darm des Menschen. Krankmachende Bakterien werden mit Antibiotika bekämpft, zunehmende Resistenz erfordert neue Strategien. Viren, nämlich Bakteriophagen (Phagen bedeutet Fresser) befallen und bekämpfen Bakterien. Phagentherapie, ein aktueller Forschungszweig, löst Antibiotika ab und erprobt neue, auf Viren basierende Heilmittel.
Die Hundertschaft der Mikroorganismen folgt im Buch keiner systematischen Präsentation – nach Belieben und freier Wahl können die jeweils drei Seiten pro Mikrobe gelesen werden. Kluge Unterhaltung, verständliche Erklärungen werden geboten und (garantiert) von wachsender Neugier bei den Lesenden begleitet.
Übergreifend entsteht ein wissenschaftliches Weltbild: Leben gibt es seit etwa dreieinhalb Milliarden Jahren, die Entwicklung der Arten beruht auf natürlicher Selektion und, da alles Lebendige von einer Urzelle abstammt, gibt es zwischen allen Lebewesen ein Verwandtschaftsverhältnis. Jeder einzelne Mensch besteht aus mehr als einem Organismus. Menschen erweisen sich als Mitglieder einer Lebensgemeinschaft vieler unterschiedlicher Lebewesen. Fazit (S. 234): „Niemand kann für sich allein existieren, egal ob Mensch, Gras oder Bakterium.“
Dem Buch und seinem spannenden Wissen sind viele Leser*innen zu wünschen. Dies könnte Bildungsprozesse fördern, die nicht nur in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung umzusetzen, sondern auch dem sozialen Miteinander verpflichtet und dienlich sind. //
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