Bedrohliche Entwicklungen wie der Klimawandel, der Verlust von Lebensräumen und das Artensterben lösen in uns Menschen Ohnmachtsgefühle aus. Es ist uns daher als Team der Volkshochschule Steyr ein Anliegen, Wissen hinsichtlich Natur- und Klimaschutz zu vermitteln und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Wir wollen den TeilnehmerInnen verdeutlichen, dass jedes individuelle Verhalten und alle gemeinsamen Initiativen zählen. Seit Jahren verfolgen wir die Idee, einen Schwerpunkt zum Thema zu entwickeln. In der Programmplanung orientieren wir uns an den Möglichkeiten vor Ort. Einerseits äußern TeilnehmerInnen und ReferentInnen Wünsche, besprechen Anliegen, machen Angebote. Andererseits nützen wir unsere Kooperationen und Netzwerke als Bildungseinrichtung und können auch auf die Unterstützung unserer Zentrale zurückgreifen. Ich möchte ein paar Beispiele darstellen und damit Anregungen zur Programmgestaltung an anderen Volkshochschulen geben.
Eigentlich handelt es sich bei unseren Aktivitäten nicht immer nur um die Erstellung von Kursangeboten. Eine unserer Referentinnen wohnt z. B. ein paar Häuser weiter und hat jahrelang an ihrem Gartenzaun Sachen zum Verschenken aufgestellt. Dadurch hat sie ganz viele Spenden erhalten und die Lagerungsmöglichkeiten waren bald erschöpft. Was macht man mit dieser tollen Idee zur nachhaltigen Ressourcennutzung, nicht alles Ausgemusterte gleich wegzuwerfen? Es gibt vor unserem Standort ein ehemaliges, kleines Pförtnerhäuschen, und der Vermieter hat es dieser Initiative zur Verfügung gestellt. Jetzt haben wir eine „Schenkecke“, die von der gesamten Nachbarschaft einschließlich unseres Teams betreut wird. Manche KursteilnehmerInnen haben es sich zur Gewohnheit gemacht, von jedem Unterrichtstag etwas der Familie aus dem Häuschen mitzubringen – das kann die Akzeptanz von Bildungsbestrebungen nur positiv beeinflussen.
Eine Referentin vieler Sprachkurse hat von der großen Anzahl nicht mehr benötigter Lehrbücher erzählt und gebeten, ob sie diese nicht bei uns zur freien Entnahme auflegen könne. Seitdem haben wir mehrere Meter eines „Offenen Bücherregals“, das sich ständig auffüllt und bei Wartezeiten fleißig durchstöbert wird. Manche betreten unser Bildungshaus zum ersten Mal, weil sie von diesem umfangreichen Lesestoff gehört haben.
Die aktuellste Bitte bekamen wir von einem engagierten Lehrer einer höheren Schule der Nachbarschaft. Mit Unterstützung von KollegInnen und SchülerInnen wird Essen vor der Vernichtung gerettet. Etwas davon fand in den Regalen der Schenkecke Platz – und reißenden Absatz. Aus dieser Anfrage ergab sich auch ein Wunsch von uns: Dieses Projekt sollte im Rahmen eines Workshops vorgestellt werden und das Ergebnis ist der Kurs „Nachhaltiger Konsum – Heute Essen retten in Steyr mit foodsharing“!
Ernährung ist ein wichtiges, klimarelevantes Thema, daher suchen wir laufend nach ReferentInnen, die vegetarisches Kochen anbieten und so ratlosen Eltern/Großeltern bei der für sie eher schwierigen Aufgabe unterstützen, den Wünschen der jüngeren Generation nachzukommen. Ebenso wichtig sind auch Angebote, die sich mit der Sorge befassen, vegane oder vegetarische Ernährung sei unausgewogen. So findet sich beispielsweise das Thema „Gesunde Küche- Pflanzliches Eiweiß – woher?“ in unserem Programm.
Wie aber unterstützt man mit Bildungsangeboten die Regionalität, Verwendung von hochwertigen und saisonalen Lebensmitteln? Gerade in Pandemiezeiten bekam das Thema Selbstversorgung vermehrt Aufmerksamkeit. Selber Brot backen, aber auch Kosmetik oder Reinigungsmittel mit Naturprodukten herstellen, Gartenarbeit, Bäume schneiden und Ähnliches wird seit mehreren Semestern mit Kursangeboten abgedeckt. Hinzugekommen sind Themen wie Permakultur, nach deren Sichtweise alle vorhandenen Ressourcen bestmöglich genützt werden sollten. Kurse zum Thema Gartengestaltung haben Inhaltsschwerpunkte wie „naturnah“ oder „bienenfreundlich“ und wer in der Stadt keinen Garten besitzt, wird mit Ideen für Fensterbank, Balkon oder Terrasse versorgt. „Urban Gardening“ ist eine Möglichkeit, selbst frische und gesunde Lebensmittel zu ernten.
Naturschutzgebiet
Foto: VHS Steyr
Vor allem der Schutz von Bienen ist Inhalt mehrerer Aktionen und wir sind stolz darauf, einen Praxiskurs „Imkern leicht gemacht“ mit einem eigenen Lehrbienenstock anbieten zu können. Der Duft vom geschleuderten Honig verbreitet sich dann am Ende des Frühlingssemesters in unserem Haus.
Es duftet bei uns manchmal auch nach Gräsern, wenn Körbe daraus geflochten werden oder aus selbst gesammelten Kräutern wunderbare Gerichte zubereitet werden – ganz frisch, ganz regional und unter fachkundiger Anleitung selbst gepflückt.
Hügelbeet
Foto: VHS Steyr
Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und unsere Netzwerke sind die Voraussetzung dafür, ExpertInnen für Bildungsangebote an der Volkshochschule zu gewinnen. Ohne diese Vortragenden gäbe es keine Kursangebote. Ganz oft sind es Empfehlungen, dass wir uns doch mit einem Wunsch an diese oder jene Person wenden könnten. Denn unsere Stadt hat kein Biologiezentrum, keinen botanischen Garten, keine naturkundliche Station oder BOKU. Aber es gibt sie, die Wissenschafterin, die an einer Wiener Forschungseinrichtung arbeitet und dann einen Vortrag zur Dach- und Fassadenbegrünung mit einem Besuch in der Heimatstadt verbindet. Wir finden auch den pensionierten Biberexperten der Landesregierung, der Steyr und seine bis in die Stadt reichenden Naturschutzgebiete kennt und schätzt.
Garten Kumpfmüller
Foto: VHS Steyr
Über die Jahre hat sich unser Angebot ständig erweitert, auch die Zentrale der Volkshochschule Oberösterreich fördert Kooperationen in diesem Bereich. Anfang 2020 fanden Gespräche mit dem Klimabündnis Oberösterreich statt. Das Ergebnis war eine Kennzeichnung entsprechender Inhalte unseres Programms mit deren Logo und eine Auflistung auf der Homepage unter www.klimakultur.at/vhs-ooe. Durch so eine Hervorhebung ist dann wirklich erkennbar, wie umfangreich das Thema in den unterschiedlichen inhaltlichen Bereichen umgesetzt wird.
Aber was ermöglicht die Entwicklung zusätzlich? Natürlich Förderungen – 2019 hat die Österreichische Gesellschaft für politische Bildung eine Projektausschreibung „Umwelt und Klima – zur Vermittlung der Ziele für nachhaltige Entwicklung“ veröffentlicht und wir konnten einen Antrag einreichen. Eine kleine Gruppe hervorragender ExpertInnen hatten wir, aber welches Format, welcher Titel? Entstanden ist die Veranstaltungsreihe „NATUR und WIR“. Dabei stehen die Bewusstseinsbildung, die Erlebnisorientierung, das Aktivsein und das nachhaltige Umsetzen im Alltag sowie der Nutzen für den Lebensraum der Menschen im Fokus. Angeboten werden beispielsweise eine Radwerkstatt, das Anlegen eines Hügelbeets oder das Kennenlernen der schützenswerten Natur am Ennsufer. Das Kennenlernen der Natur und damit auch das Wissen darüber, wie diese zu schützen ist, sind wichtige Impulse bei der Planung und unsere ReferentInnen sind ein unglaublicher Schatz bei der Umsetzung. Eine Rückmeldung zur Exkursion in einen naturnah und bienenfreundlich gestalteten Garten: „Wenn man diesen Vortragenden nicht als kompetent bezeichnet, der das Wissen verständlich vermittelt, dann wen sonst?!? Positives: Der unmittelbare praktische Bezug, die Möglichkeit, alles zu fragen, die hohe Kompetenz des Referenten, die sehr persönlich-freundliche Atmosphäre, das Herzblut und große Engagement von der Volkshochschulleitung und dem Referenten und dass so gewissenhaft auf die Corona-Sicherheitsregeln geachtet wurde.“ Unsere Begeisterung für diesen Inhalt wird also auch wahrgenommen und wir hoffen, diese auf die Teilnehmenden übertragen zu können.
Diese Förderung ist weggefallen, nachdem sich der inhaltliche Schwerpunkt im darauffolgenden Jahr geändert hatte. Neue Unterstützung kam von der Klimabündnisgemeinde Stadt Steyr. Bürgermeister und zuständiger Stadtrat befürworteten ein Förderansuchen beim Land Oberösterreich zum Thema Bewusstseinsbildung für Klimaschutzmaßnahmen. Dabei unterstützt unsere Zentrale unser Team bei der Antragsstellung und Förderabwicklung.
Auch oberösterreichweit werden Veranstaltungen erstellt, die wir dann vor Ort mitbewerben und in den lokalen Netzwerken bekannt machen. Eine kostenfreie Online-Talkreihe „Zukunftsimpulse“ mit Themen wie „Feel Good Shopping“ hat beispielsweise zu nachhaltigem Einkaufen informiert. Wir freuen uns darüber, unseren TeilnehmerInnen zusätzlich dieses Format anbieten zu können.
Auf Bundesebene hat der Verband der österreichischen Volkshochschulen 2021 eine Kooperation mit BirdLife in die Wege geleitet. Wir nahmen ein Angebot zum Thema „Natur erleben – Wintervögel an Gewässern: Bestimmung von Enten, Möwen & Co“ ins Programm auf. Sind wir doch die Stadt, in der sich zwei Flüsse vereinen und viele Seitenarme die Stadtteile durchziehen – in denen dann Eisvogel, Fischotter oder Biber zu beobachten sind.
Wir haben eine ganz wunderbare Natur, die es zu kennen und zu schützen gilt. Wir haben sehr wertvolle Ressourcen, die möglichst gut genützt werden sollten. Da gibt es noch viele Ideen zum Ausbau unseres Bildungsangebots. An anderen Standorten werden manche davon schon umgesetzt, wie Rundgänge zu Reparatur- oder Upcycling-Betrieben. In Bewegung zu bleiben, sich neues Wissen anzueignen, Erfahrungen zu machen, ins Handeln zu kommen – sich weiter zu entwickeln an den Herausforderungen unserer Zeit ist, wofür wir mit Begeisterung Angebote setzen und hoffentlich möglichst erfolgreich umsetzen können. Wir beteiligen uns ebenso aktiv an Veranstaltungen unseres Netzwerks wie dem Klimafest oder der Klima-Demo. Ein Erfahrungsaustausch ist jederzeit willkommen – und kann vieles Realität werden lassen, wo wir gerade noch etwas planlos waren. Möge der Bericht Mut machen, das Thema Natur- und Klimaschutz voranzubringen.
Steyr ist die drittgrößte Stadt Oberösterreich mit rund 38.000 EinwohnerInnen und es gibt mehrere Erwachsenenbildungseinrichtungen. Die Volkshochschule Steyr wurde 1950 gegründet. Die Trägerschaft übergab die Stadt 2013 an die „Volkshochschule Oberösterreich Gemeinnützige Bildungs-GmbH der Arbeiterkammer OÖ“. Jährlich werden 500 bis 550 Kurse der Allgemeinbildung organisiert. //
Kommentare