Tobias Moorstedt: Wir schlechten guten Väter. Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren – und warum wir das dringend ändern müssen.

Tobias Moorstedt: Wir schlechten guten Väter. Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren – und warum wir das dringend ändern müssen.
Köln: Dumont Buchverlag 2022, 223 Seiten.

Woran man den „neuen Vater“ erkennt? Er hat ein Buch über seine Situation verfasst. Leicht spöttisch, ironisch und selbstkritisch reiht sich Tobias Moorstedt, Journalist und Autor, mit seiner Publikation in die Gruppe der „neuen Väter“ ein. Er wollte keinen Ratgeber schreiben, sondern eine Analyse der Gegenwart, um eine bessere Welt anzustreben (S. 27): „[…] in der Beziehungen von Dialog und Teamwork geprägt sind und nicht von Konflikten und passiv-aggressiven Routinen, und in der Mütter und Väter eine tiefe, offene, fördernde Beziehung zu ihren Kindern haben – in den ersten Lebensjahren und ein Leben lang.“

Moorstedt orientiert sich interdisziplinär an psychologischen, soziologischen und neurobiologischen Studien. Er wertet über zwanzig von ihm mit Vätern durchgeführte Leitfadeninterviews und nicht zuletzt seine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen aus. Das Buch bietet ein „Psychogramm der modernen Väter“ in Deutschland. Trotz ihres Anliegens, sich gleichberechtigt mit den Müttern um die Kinder zu kümmern, findet sich ein Großteil der Väter in Vollzeitbeschäftigung (wie auch in Österreich!). Das Buch will nützen, diesen Widerspruch zu bewältigen und um notwendige Veränderungen zu erkennen.

Praxisorientiert verwendet der Autor sechs „Väter-Ausreden“, um das Buch in Kapitel zu strukturieren, das in einem „Du musst dein Leben ändern“ mündet. 

„Ich mache ja schon mehr als alle anderen“, das Motto von Kapitel eins, gefällt dem Autor gar nicht. Jemand, der fauler und unachtsamer ist als er selbst, meint der Autor, lässt sich immer finden. In diesem Abschnitt beschreibt er den aktuellen Zustand in Familien sowie jüngste Veränderungen. „Mental Load“ – Gedankenarbeit – wird vorgestellt. Z. B. was es alles zu bedenken gilt, wenn ein Kind zu einem Geburtstagsfest eingeladen wird. Die strukturell noch immer gefestigte patriarchale Stellung des Mannes wird erläutert und schließlich beurteilt: Männer sind gute Assistenten, aber wenig bereit, ins Cockpit zu kommen. Das Resümee des Abschnitts drückt sich, wie bei jedem Kapitel, in zwei erklärenden Infografiken aus: Mütter verbringen mehr als doppelt so viel Zeit mit den Kindern als Väter, bei diesen erhöht sich die Arbeitszeit, bei Müttern verringert sie sich deutlich in den ersten fünf Jahren nach Geburt eines Kindes.

Die weiteren Kapitel sind betitelt mit: „Sie kann das einfach viel besser als ich“, „Ich habe es nicht anders gelernt“, „Sie lässt mich ja nicht“, „Wir haben das doch gemeinsam entschieden“, „Ich kann mir das einfach nicht leisten“.

Thematisch werden Rollenbilder, Erziehung (Helikopter-Eltern), Maternal Gatekeeping, die Kulturen von Paaren aber auch Kulturwandel, Care-Arbeit und Karriereambitionen besprochen. Der Stil des Buches verbindet, angenehm und informativ zu lesen, Sachlichkeit und wissenschaftliche Erkenntnisse, persönliche Erfahrungen und Auszüge aus Interviews.

Im Schlussteil, „Du musst dein Leben ändern“, nennt der Autor, im Sinne „das Private ist immer noch das Politische“, fünf Tugenden für partnerschaftliches Verhalten: Ehrlichkeit, Offenheit, Gemeinschaft, Kampfgeist, mehr Optimismus wagen. Abgesehen von noch ausständigen Reformen in Arbeitsgesellschaft, Steuerrecht und Familienpolitik beurteilt Moorstedt die soziale Lage – geschwächtes Patriachat, selbstbewusste Frauen, aufgeschlossene Männer – hinsichtlich positiver Veränderungen, von der auch Kinder profitieren, als günstig. 

Sehr unterstützend, um soziale Isolation von Vätern zu reduzieren, ist der Anhang zusammengestellt. Es finden sich Links und Tools, Papa-, Männerportale und -foren, Vereine und Initiativen, Zugang zu Medien und Podcasts, Blogs und Dadfluencer sowie Instagram-Profile.

Für künftige, werdende, jüngere und ältere Väter oder Großväter als spannende Lektüre zu empfehlen. Für Volkshochschulen in den Kategorien Kinder und Eltern, Politik, Gesellschaft und Persönlichkeitsentwicklung inhaltlich und didaktisch gut einzusetzen. //

Lenz, Werner (2023): Tobias Moorstedt: Wir schlechten guten Väter. Warum Männer sich erfolgreich gegen Familienarbeit wehren – und warum wir das dringend ändern müssen. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2023, Heft 280/74. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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