Hans Peter Krings, Professor für angewandte Linguistik an der Universität Bremen und u.a. Autor des Buchs „Der Bremer Schreibcoach“, einem Ratgeber gegen Schreibblockaden, scheint selbst kein Problem mit dem Verfassen sehr umfangreicher Texte zu haben, wie sein jüngstes Buch, der hier vorgestellte Ratgeber für Sprachenlernende, auf eindrucksvolle Weise belegt.
Das 574 Seiten umfassende Werk richtet sich, so der Autor im Vorwort, an alle, die möglichst autonom eine neue Fremdsprache lernen oder vorhandene Fremdsprachenkenntnisse auffrischen bzw. erweitern wollen (vgl. S. 13). Gegliedert in vier große Teile soll das Buch den Einstieg in einen komplexen Lerngegenstand ermöglichen. Krings verspricht, dass das durch die Wahl der richtigen Strategien besser gelingen kann – was von didaktisch-methodischer Seite her nur unterstrichen werden kann.
Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis zeigt, dass die ersten drei Teile des Buches genau genommen eine umfassende Aufarbeitung des Europäischen Sprachenportfolios bzw. des gemeinsamen Referenzrahmens für Sprachen darstellen: Angefangen bei der Klärung der Lernziele, über die (Selbst-)Einschätzung, die richtige Auswahl der Lerninhalte und -materialien bis hin zu den vier Fertigkeiten und Tipps zum Lernen-Lernen werden alle Inhalte dieser Standardwerke des modernen Fremd- und Zweitsprachunterrichts detailliert behandelt (das Europäische Sprachenportfolio wird allerdings nur kurz auf Seite 157 f. erwähnt). Ergänzt wird das Buch durch einen vierten Teil, in dem auf die Strategien von fortgeschrittenen Lernenden eingegangen wird (z. B. auf die Erweiterung der Lese-, Hörverstehens- oder auf Gesprächskompetenz et cetera).
Auch beim genaueren Hinsehen wird nicht klarer, an wen sich der Ratgeber tatsächlich richtet: Welcher Lernende oder welche Lernende greift zu einem derart umfangreichen Buch, wenn er/sie eigentlich eine Sprache – und nicht Didaktik/Methodik – lernen möchte? Prinzipiell wäre auch aus Sicht der Kursanbieter und Unterrichtenden überhaupt nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Sprachenlernende genauer mit ihren Lernzielen, Strategien und Methoden auseinandersetzen würden, und im modernen kommunikativen Unterricht werden diese Themen auch explizit angesprochen. Erfahrungen, etwa im Zuge der Implementierung des europäischen Sprachenportfolios, haben allerdings gezeigt, dass die durchschnittlichen erwachsenen Lernenden möglichst wenig Zeit dafür aufwenden wollen, sich mit Sprachlernstrategien auseinanderzusetzen und wohl eher genervt reagieren, wenn sie damit allzu viel konfrontiert werden. Deshalb wird im Unterricht versucht, mit entsprechenden Fragestellungen und dem Transparentmachen der Lehrinhalte mehr Bewusstheit bei den Lernenden für Lernstrategien zu schaffen, und auch in den meisten Lehrbüchern sind mittlerweile kleine „Häppchen“ eingebaut (etwa Checklisten zu den „Can-do-Statements“ des Referenzrahmens).
Jedenfalls kann das Buch gut als Nachschlagewerk genützt werden, etwa bei stagnierendem Lernfortschritt (womit Lernende speziell auf höheren Niveaustufen immer wieder konfrontiert sind). Das Buch bietet auch gute Tipps, wie (digitale) Selbstlernmaterialien richtig ausgewählt und eingesetzt werden können, und nennt eine Reihe von (mehr oder minder aktuellen) Websites, die autonomes Sprachenlernen ermöglichen bzw. unterstützen. Sehr engagierte Lernende können sich so durch eine Vielzahl von Empfehlungen und Angeboten kämpfen. Bedauerlicherweise gibt es kein Glossar, in dem Fachbegriffe erläutert werden und auch keine Literaturliste mit Empfehlungen zum Weiterlesen, und auch die gewählte Form, mit Ausnahme der großen Schrift und der gewählten Zweitfarbe Grün, erscheint eher unübersichtlich.
Vielleicht richtet sich das Buch jedoch in erster Linie an (neue) Sprachen-Unterrichtende, die mit Hilfe der präsentierten Tipps ihre TeilnehmerInnen schrittweise zum autonomen Lernen anregen können. Durch das Schreiben aus der Perspektive der Lernenden werden auch deren Bedürfnisse und Herausforderungen transparenter und Unterrichtende könnten so eine wichtige Prämisse des lebenslangen Lernens erfüllen und Erwachsene tatsächlich zum selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lernen heranführen. Nicht zuletzt könnte damit auch die spitze Behauptung des Autors in Frage gestellt werden, wenn er meint, dass die meisten Unterrichtenden (auch jene in der Erwachsenenbildung) „auch heute noch nach dem Prinzip des ‚aufgeklärten Absolutismus‘“ lehren würden. //
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