Mobilität ist die Antwort! Aber auf welche Fragen? Diese stellt der indisch-US amerikanisch stämmige Autor – Politikwissenschafter, Politikberater und Publizist in renommierten Medien. Im Hinblick auf globale Entwicklungen beurteilt Parag Khanna Lebenssituationen und Rahmenbedingungen menschlicher Existenz. Er fragt: Welche Orte werden von Menschen verlassen? Wo werden sie sich neu ansiedeln? Wo sollte die Menschheit leben? Wie kommen wir mit dem Wechselspiel von politischen Unruhen, Wirtschaftskrisen, Auswirkungen des Klimawandels, technologischen Innovationen und demographischen Veränderungen optimal zurecht?
Um Antworten zu finden, entfaltet Parag Khanna auf humangeographischer Basis ein Spektrum an Informationen, die interdisziplinäre Erkenntnisse der Forschung, politische Entscheidungen, unterschiedliche Problemsituationen aber auch Lösungsansätze umfassen. Will man das Sachbuch einer wissenschaftlichen Disziplin zuordnen, dann betrifft es am ehesten die transdisziplinäre Humangeographie. Von ihr werden, meint der Autor, Themen wie Demographie, Migration, ethnographische Zusammensetzung und genetische Anpassung untersucht, aber auch Flucht vor Klimaschäden und Misswirtschaft.
Denn die Folgen der komplexen Wechselwirkungen zwischen natürlicher, politischer und ökonomischer Geographie sind – wie nie zuvor – global zu spüren. Daraus entstehen Anlässe und Motivationslagen, erklärt der Autor seine Sichtweise, wie sich Verschiebungen in der Besiedlung des Planeten Erde ergeben und welche Wanderungen größere Menschengruppen unternehmen werden.
„Mobilität ist Schicksal“, findet der Autor. Die Welt von morgen erwartet er nicht nur durch mobile Menschen besiedelt, sondern durch Mobilität definiert. Als nicht übersehbares Beispiel nennt er die „innere Migration“ in die Städte – diese geht in China und Indien bereits seit langem und in größerem Ausmaß vor sich!
Die fakten- und wissenschaftsbasierte Darstellung hat den Anspruch, absehbare Lebensformen der Menschheit zu beschreiben: Ein neues Zeitalter, das nicht Sesshaftigkeit, sondern Mobilität und Migration betont, scheint anzubrechen. Der Autor trägt seine Einsichten bestimmt, aber nicht apodiktisch, begründet, aber nicht ohne Gelegenheit für Widersprüche vor. Daraus entsteht ein erzählender, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhender Stil, der den Lesenden das Verständnis komplexer Zusammenhänge und der im Buch versammelten umfangreichen Informationen erleichtert.
Einleitend fragt der Autor Leserin und Leser, wo sie meinen, in dreißig Jahren leben zu werden. Eine Frage, die irritierend plötzlich herangetragen, suggeriert, dass das Morgen ein fragiles ist. Kapitel für Kapitel entfaltet der Autor kenntnisreich und informativ seine Sicht von der künftigen Bewohnbarkeit der Welt, von der Komplexität der Verhältnisse und interpretiert die schon ablesbaren Signale einer neuen humangeographischen Weltordnung. Im Zusammenhang mit der Jagd auf neue Talente, auf intellektuelles Potential, vornehmlich nach AbsolventInnen von Wirtschaftshochschulen, die Aufstiegschancen und gute Bezahlung anvisieren, entsteht z. B. Migration, urteilt Parag Khanna. Nomadische, globale Generationen, gewöhnt an ständige Weiterbildung, die ihre Bildungszertifikate aus hybriden digitalen und materiellen Republiken beziehen, entstehen. Mit dem Blick auf die große Perspektive zeichnet der Autor ein eher selbstverständliches Profil künftiger Entwicklung, das vielleicht – mit Absicht? – die Gefahren der Gewalt, die in großen sozialen Veränderungen liegen, kaum thematisiert. Gewisse Pauschalierungen, wie etwa die Beschreibung der Entwicklung in Südamerika, fallen auf. Sie sind wohl der Preis für eine weltumfassende Problemanalyse und sollten dem Vergnügen, über eine Menschheit mit lebenswerter Zukunft zu lesen, keinen Abbruch tun.
Das Bildungsthema nimmt keinen eigenen Schwerpunkt im Buch ein, es wird aber immer wieder angesprochen. Das betrifft z. B. die wachsende Zahl an Studierenden, die Bedeutung von Weiterbildung sowie von Sprachen und kultureller Integration. Das flüssig geschriebene Buch vertritt ein Menschenbild, das auf Initiative und Selbstbestimmung beruht. Zum Menschen gehört, definiert der Autor, umzuziehen und etwas aufzubauen.
Die vielen Faktoren – politische, ökonomische, ökologische, technologische, soziologische – erschweren klare Voraussagen über den künftigen sozialen Wandel. Deshalb schildert der Autor wahrscheinlich seine Vorstellungen von der Zukunft in einem Stil mit erzählendem Charakter. Fast durchwegs geht er von friedlichen Konstellationen aus, in denen vor allem Jüngere Entscheidungsfreiheit haben, ihren wechselnden Lebensaufenthalt und -unterhalt zu wählen.
Ein lesenswertes Buch, das positive Akzente für eine gestaltbare Zukunft setzt. //
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