Benjamin Schraven: „Klimamigration“. Wie die globale Erwärmung Flucht und Migration verursacht.

Benjamin Schraven: „Klimamigration“. Wie die globale Erwärmung Flucht und Migration verursacht.
Bielefeld: transcript Verlag, 174 Seiten.

Klimawandel und Migration hängen zusammen. Allerdings nicht in einem eindeutigen Ursache-Wirkung-Verhältnis, sondern in vielfältiger, unterschiedlicher Weise. Fragen, wie z. B. mit welchen Auswirkungen wir in Zukunft zu rechnen haben, welche politisch geplanten Maßnahmen gesetzt werden sollen, ob Millionen „Klimaflüchtlinge“ zu befürchten sind – die rasche Antwort: Das ist eher unwahrscheinlich! – werden im Buch erörtert.

Benjamin Schraven, Entwicklungsforscher, Migrationsexperte und Berater internationaler Organisationen, gibt auf wissenschaftlicher Basis allgemein verständlich Einblick in sein Forschungsgebiet. Sein „kleines Sachbuch“ will aktuelle Kenntnisse zu einer komplexen Thematik vermitteln. 

Im Eingangskapitel wir die konkrete Bedrohung, die mit der Überschrift, „Vom Klimawandel zur Klimakrise“, apostrophiert wird, dargestellt. Der Autor agiert nicht alarmierend und erzeugt keine Angst vor nahendem Weltuntergang. Er argumentiert sachlich, wenn er zeigt, in 99 Prozent einschlägiger wissenschaftlicher Publikationen besteht folgender Konsens: Es gibt einen Zusammenhang zwischen den von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen und klimatischen Veränderungen. Kurz gesagt, Menschen verursachen Klimawandel, sie tragen zu ihm bei.

Problematisch ist, belegt der Autor mit übersichtlichen Grafiken zur kontinentalen und regionalen Verteilung von Klimarisiken, dass die Auswirkungen zunehmend komplexer und daher auch immer schwieriger zu handhaben werden. Die weitere Entwicklung der Klimakrise ist allerdings noch von politischen Entscheidungen und gesellschaftlichem Verhalten bezüglich Treibhausgeschehen abhängig. Weder Erstarrung vor drohender Apokalypse noch Flucht in Gleichgültigkeit erscheinen dem Autor angemessen. 

In gleicher solider Weise werden Trends und Erklärungsversuche über das globale Migrationsgeschehen nahegebracht. Letzteres zählt der Autor mit Klimawandel und Digitalisierung zu den bedeutenden Megatrends dieses Jahrhunderts.

Anhand weltweiter Migrationstrends relativiert Benjamin Schraven die Sorge, dass Millionen Menschen Richtung Europa aufbrechen wollen. Auf Basis verfügbarer Daten verweist er auf eine zunehmende „Süd-Süd-Migration“. Innerhalb des globalen Südens wächst die Migration zwischen (ärmeren) Entwicklungsländern und (reicheren) Schwellenländern. Eine einheitliche Theorie bezüglich Migration lässt sich nicht feststellen. Armut, hält der Forscher aufgrund vorliegender Studien fest, verhindert eher internationale Migration, weil die entsprechenden Ressourcen dafür fehlen.

Abgesehen von Einzelfallstudien seit den 1990er-Jahren haben übergreifende Forschungsprojekte zum „Klima-Mobilitäts-Nexus“ erst in den letzten fünfzehn Jahren Fuß gefasst. Schraven resümiert Letztere: „Klimaflüchtling“, „Umweltflüchtling“, „Massenmigration“, „Klimaemigrant“ oder ähnliche Begriffe sind keine akzeptablen Kategorien, weil derartige Bezeichnungen politische, soziale, ökonomische und andere Faktoren ausblenden. Am Beispiel der Regionen Ost-, West- und Nordafrika zeigt der Autor plastisch die Komplexität und Unterschiedlichkeit der „Klimamobilität“. Den politischen und rechtlichen Hintergrund und den Bezug zur Realität leuchtet der Autor unter anderem im Hinblick auf internationale Klimapolitik, Agenda 2030 und Menschenrechte aus.

Aus der dargestellten Dringlichkeit der Thematik leitet der Autor einige konkrete Folgerungen ab. Generell sieht er erhöhten Druck auf Städte durch Migration. Wichtige Aufgaben für die Politik ergeben sich in der Städteplanung, der Umwelt- und Rechtspolitik sowie in der Steigerung von Problembewusstsein in der Gesellschaft. Insgesamt findet er uns zu wenig vorbereitet. Nicht zuletzt sieht er in der Migration auch den Anstoß, mehr zum Klimaschutz beizutragen, um erstere einzudämmen. Seine Botschaft (S. 143): „Geld und Energie müssen aufgebracht werden, um Migrierende und Geflüchtete, in die Lage zu versetzen, ihr Potenzial optimal einzusetzen.“

Das Buch eröffnet einen unaufgeregten Blick, wie sich Menschen gegenüber (nicht so) neuen Herausforderungen einstellen können: problembewusst, mit Bedacht auf Wissenswertes, forschend und lernend – mit Mut zum Risiko, mit Selbstvertrauen und Selbstsorge.

Das Buch eignet sich für aktuelle Vorträge, Diskussionen und Seminare zum Thema Klima und gesellschaftlicher Wandel, wo Problembewusstsein und politisches Engagement gefördert werden will. //

Lenz, Werner (2023): Benjamin Schraven: „Klimamigration“. Wie die globale Erwärmung Flucht und Migration verursacht. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2023, Heft 280/74. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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