Vielfältiges Angebot
Die Wiener Volkshochschulen haben sich im Bereich der beruflichen und berufsorientierten Bildung vielfältig positioniert. Einerseits sind hier die klassischen beruflichen Qualifizierungen zu erwähnen, mit denen sich die VHS Wien auf dem Bildungsmarkt in Konkurrenz zu freien Erwachsenenbildungsanbietern begibt wie beispielsweise die Lehrgänge Projekt- und Prozessmanagement oder Organisations- und Personalentwicklung, aber auch zertifizierte Qualifikationen im wirtschaftlichen und IT-Bereich wie den Europäischen Computerführerschein oder den Europäischen Wirtschaftsführerschein. In diesem Kontext ist aber auch das Institut für Kindergarten- und Hortpädagogik zu nennen, wo anerkannte Ausbildungslehrgänge (z.B. zur/zum KindergruppenbetreuerIn, zur Tagesmutter bzw. zum Tagesvater, zur/zum KindergartenassistentIn), Weiterbildungslehrgänge sowie berufsbegleitende Kurse angeboten werden. Unsere zentralen Kompetenzfelder im Bereich berufsorientierter und berufsbezogener Bildung liegen allerdings dort, wo wir den Bildungsauftrag der Stadt Wien und des Bundes verantwortungsvoll umsetzen und im Kontext wien- und österreichweiter gesellschaftliche Herausforderungen agieren.
Gerade auch Basisbildung, das Nachholen von Bildungsabschlüssen – vom Pflichtschulabschluss über die Berufsreifeprüfung bis zur Studienberechtigungsprüfung –eröffnen berufliche Perspektiven. Der strategische Rahmen der Europäischen Union „Allgemeine und berufliche Bildung 2020“ ist derzeit die Grundlage für zahlreiche Initiativen im Bildungswesen. Das lebenslange Lernen, die Höherqualifizierung und die Vergleichbarkeit europäischer Bildungsabschlüsse (ECVET, EQF, NQR ) stehen im Fokus. Niederschlag finden diese Bestrebungen im Wiener Qualifikationsplan 2020. Die VHS Wien leistet ihren Beitrag hierzu derzeit u.a. auch in Form von Projekten und öffentlichen Aufträgen des Bundes, wie beispielsweise dem Jugendcoaching und den Produktionsschulen, aber auch der Initiative Erwachsenenbildung oder der Bildungsberatung in Wien. Gerade durch öffentliche Aufträge für benachteiligte Zielgruppen kann Chancengleichheit auch in Zeiten der „Bildungsprivatisierung“ ermöglicht werden. Unterschiedliche Fördergeber schätzen die jahrelange gute Zusammenarbeit, beispielsweise im Bereich der Basisbildung, des zweiten Bildungsweges und der Arbeitsmarktintegration. Die VHS Wien setzt in Projekten und öffentlichen Aufträgen als professionelle Dienstleisterin der öffentlichen Hand bildungs-, arbeitsmarkt- und kommunalpolitischer Maßnahmen und Angebote und leistet somit einen essenziellen Beitrag zu berufsorientierender und berufsbezogener Vorbildung und trägt dadurch zur Demokratisierung von gesellschaftlichem Aufstieg durch berufliche Höherqualifizierung bei.
VHS Jugendcoaching1
Ziel des Angebots ist es, ausgrenzungsgefährdete Jugendliche im 10. und 11. Wiener Gemeindebezirk sowie Jugendliche und junge Erwachsene in Justizanstalten dabei zu begleiten, die für sie passende Bildungs- und Berufswahlentscheidung nach der Pflichtschulzeit zu treffen. 2015 wurden rund 1600 Jugendliche im VHS Jugendcoaching betreut.
Produktionsschule BOK und BOKgastro2
Die Produktionsschule BOK und BOKgastro bietet Jugendlichen die Möglichkeit, durch das Trainieren von Kulturtechniken und Sozialkompetenzen sowie berufliche Orientierung in verschiedenen Trainingsgruppen die notwendige persönliche Reife für den nächsten Ausbildungsschritt zu erhalten. Mit der Produktionsschule BOK und BOKgastro wurden rund 100 Jugendlichen Beratung, Wissensvermittlung, Training und Schnuppermöglichkeiten in verschiedenen Berufsfeldern geboten und ihnen so ermöglicht, den für sie notwendigen nächsten Schritt in Ausbildung und Arbeitsmarkt zu bewältigen.
Spacelab Produktionsschule Wien – Bildungsmodul3
Spacelab Produktionsschule Wien ist ein niederschwelliges arbeitsmarktpolitisches Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene, die einen erhöhten Bedarf an begleitender Unterstützung bei der Bildungs- und Berufsplanung haben und wird an vier Standorten in Wien angeboten. Spacelab Produktionsschule Wien ist ein Kooperationsprojekt der VHS Wien mit den Partnerorganisationen WUK (Werkstätten- und Kulturhaus), Volkshilfe Beschäftigung, Verein Wiener Jugendzentren und dem „Verein sprungbrett“. Die VHS Wien ist verantwortlich für die Durchführung des Bildungsmoduls. Rund 250 ausgrenzungsgefährdete Jugendliche profitieren 2015 vom VHS Bildungsmodul im Spacelab.
Bildungsberatung in Wien4
Bildungsberatung in Wien bietet kostenlose und neutrale Bildungs- und Berufsberatung für Erwachsene und ist ein Netzwerk, in dem folgende Organisationen zusammenarbeiten: „abz*austria – kompetent für frauen und wirtschaft“, BFI Wien, „biv – Die Akademie für integrative Bildung“, VHS Wien, Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff) und WUK ( Werkstätten und Kulturhaus). Rund 4948 Beratungen fanden 2015 im Rahmen dieses kostenlosen Bildungs- und Berufsberatungsangebot an der VHS Wien statt.
BBE Deutsch Clearing5
Die VHS Wien koordiniert die Netzwerkpartnerschaft „BBE Deutsch AMS Wien“ – Beratungs- und Betreuungseinrichtung für TeilnehmerInnen an AMS-Deutschkursen – und ermöglichte 2015 rund 24. 000 Personen Testungen und Beratungen zur Einstufung in weiterführende Deutschkurse. Um den aktuellen Migrationsbewegungen gerecht zu werden, wurde das Angebot in diesem Jahr sukzessive aufgestockt. Arbeitssuchende Menschen, bei deren Muttersprache es sich nicht um Deutsch handelt, werden vom AMS zu einem schriftlichen Einstufungstest und einem anschließenden Beratungsgespräch beim BBE Deutsch Clearing eingeladen und anhand der Ergebnisse zu Deutschkursen bei bestimmten Kursinstituten zugeteilt. Die „BBE Deutsch AMS Wien“ wird von verschiedenen Trägern durchgeführt. Das sind einerseits die VHS Wien, die auch als Leadpartner fungiert und andererseits „BEST“, „FAB“, „Projekt Integrationshaus“, „ppc-training“ und „Volkshilfe Beschäftigung“.
Das Demontage- und Recyclingzentrum (D.R.Z)6
Für die Zielgruppe langzeitarbeitslose Menschen bietet der sozialökonomische Betrieb der VHS, das Demontage- und Recyclingzentrum D.R.Z, die Möglichkeit über Beschäftigung und Qualifizierung im Bereich der Wiederverwertung von Elektroaltgeräten mit sozialpädagogischer Begleitung wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. 165 Personen waren 2015 beim D.R.Z als Transitarbeitskräfte beschäftigt. Über Recycling und Wiederverwendung von Elektroaltgeräten erhalten arbeitsuchende Menschen im Auftrag des AMS Wien die Chance, wieder in ein geregeltes Arbeitsleben zurückzufinden. Teil des D.R.Z ist die TrashDesignManufaktur (TDM), in der kreative Designlösungen für eleganten Schmuck, außergewöhnliche Möbel und Accessoires entstehen. Die Werkstoffe stammen auch hier zum überwiegenden Teil aus Altgeräten. Waschmaschinentrommeln werden zu schicken Tischen, Leiterplatten zu Uhren, Kabel zu farbenfrohen Armbändern. Die Produkte sind nicht nur Designobjekte, sie symbolisieren auch den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und soziale Verantwortlichkeit.
Die steigende Zahl der AsylwerberInnen und -berechtigten wird in den nächsten Jahren neue und innovative Zugänge im Bereich Deutsch als Zweitsprache, Basisbildung, aber auch Coaching und Anerkennung formaler, non-formaler und informeller Qualifikationen erforderlich machen. Auch das zu erwartende Ausbildungspflichtgesetz („Ausbildung bis 18“) wird im Bereich der beruflichen Integration ausgrenzungsgefährdeter junger Menschen neue Herausforderungen mit sich bringen. Mit Sicherheit wird die VHS in diesem Rahmen ihre Expertise erfolgreich unter Beweis stellen können.
„Bildungschancen für Alle“
Seit ihren Anfängen war die Wiener Volksbildung getragen vom Anspruch, den Zugang zu Wissen, Kunst, Kultur und Bildung zu demokratisieren und so gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Genau hier liegt aber das Spannungsfeld zwischen individuellem, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen. Es ist einer der Widersprüche unserer Zeit, dass man unter der Prämisse der subjektiven Ermächtigung Bildung immer mehr als Ware versteht und sie gleichzeitig als Wunderwaffe im Kampf gegen soziale Benachteiligungen betrachtet. Die „Ware Bildung“ wird an zahlungskräftige KundInnen verkauft. Wer sich Bildung jedoch nicht leisten kann, bleibt auf der Strecke. Die Finanzierung von Weiterbildung wird immer stärker auf die Individuen übertragen, wodurch sich sozio-ökonomische Chancenungleichheiten weiter verstärken. Dieser Widersprüchlichkeit stellt sich die Wiener Volksbildung: Um auf dem Weiterbildungsmarkt als Player wahrgenommen zu werden, müssen die Volkshochschulen den Spagat zwischen kritisch-selbstreflexiven, persönlichkeitsbildenden Angeboten und der Vermittlung wirtschaftlich nutzbaren Wissens und arbeitsmarkttechnisch verwertbarer Kompetenzen bei gleichzeitiger sozial verträglicher Preisgestaltung bewältigen können. Die VHS Wien kann vor allem aber auch aufgrund ihrer Erfahrung und Bedeutung derartige Angebote im Sinne ihres emanzipatorischen Bildungsauftrages aktiv mitgestalten. Somit kann – nein muss – berufsorientierte und berufsbezogene Bildung auch unter diesem Fokus betrachtet werden. //
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