In den meisten europäischen Ländern ist lebenslanges Lernen mittlerweile politische Priorität. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass es durchaus schwierig sein kann, Menschen in ihrer Jugend zum Lernen zu motivieren. Die vielen Jugendlichen Europas, die erfolglos damit kämpfen, eine Ausbildungsmaßnahme der oberen Sekundarstufe abzuschließen, stellen ein weitverbreitetes Problem dar; sie sind angesichts eines Arbeitsmarktes, der verstärkt nach Flexibilität und immer höheren Qualifikationen verlangt, von gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht.
Wir haben in Europa das politische Anliegen, herauszufinden, wie man diese Gruppe junger Menschen, die oft als „benachteiligt“ und „ausgesondert“ kategorisiert werden, motivieren kann, an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen. Das gilt auch für Dänemark, einem Land, welches es sich schon in den 1990er-Jahren zum Ziel machte, 95 Prozent der Jugendlichen dazu zu bringen, an einem Jugendbildungsprogramm teilzunehmen. Eine Reihe von Regierungen hat seitdem die Jugendbildungsarbeit reformiert und Pilotprojekte finanziert, um zu erforschen, wie man junge Leute für Bildung begeistern kann.
Im Laufe von 15 Jahren und verschiedenen Reforminitiativen konnte das ursprüngliche Ziel dennoch nicht erreicht werden. Junge Menschen für Bildung zu begeistern ist und bleibt eine Herausforderung. Darum ist es wichtig, gute Praxismodelle zu identifizieren und zu beschreiben.
Mit dem folgenden Text weise ich auf ein solches, motivierendes Modell im Kontext der dänischen Jugendbildungspolitik hin.
Wesentlich ist, dass „Volkshochschulen“ in der Tradition liberaler Bildung eine Lernumgebung anbieten, in der zahlreiche psychologische Bedürfnisse der jungen Menschen angesprochen und befriedigt werden, was zu einer erhöhten Motivation beim Lernprozess führt. Hingegen stellt sich eine Bildungspolitik, die sich hauptsächlich darauf konzentriert, kontrollierende Formen der Regulation einzusetzen, als kontraproduktiv heraus.
Methodische Überlegungen
Empirisch beziehe ich mich auf eine Evaluation (von nun an als „The Bridging Project“ bezeichnet), die die Aarhus Universität für den Verband der dänischen Volkshochschulen (Folkehøjskolernes Forening i Danmark) durchgeführt hat. Das Ziel dieses Projekts ist es, junge Menschen für Jugendbildung zu begeistern und sie auszubilden, indem man Brücken zwischen den Volkshochschulen und den berufsausbildenden Institutionen und Fachschulen (VET2) baut.
Die jungen Menschen, die am „Bridging Project“ teilgenommen haben, waren zwischen 16 und 25 Jahre alt. 60 Prozent von ihnen hatten schon einmal ein Jugendbildungsprogramm abgebrochen, ein Drittel sogar zweimal. Viele von ihnen waren schulmüde und hatten bereits in der Grundschule schlechte emotionale Erfahrungen gemacht, waren z. B. mit dem Gefühl der Unzulänglichkeit und sozialer Ausgrenzung konfrontiert gewesen. Vielen fehlte scheinbar die nötige Motivation, Bildung anzustreben und ein Lebensziel zu verfolgen. (Cort: 2012).
Die Jugendberatungszentren (Ungdommens Uddannelsesvejledning) sind verantwortlich dafür, die jungen Menschen auf das Projekt hinzuweisen, das dann teilweise die Finanzierung für ihre Lernzeit an einer Volkshochschule übernimmt. Es wurden 47 ProjektteilnehmerInnen und 24 Lehrende dazu befragt, inwiefern die Volkshochschulen die Rolle der Motivationsmotoren für die Jugendlichen spielten, sodass sie anschließend an Jugendbildungsprogrammen teilnehmen.
Es wurden Feldbesuche an neun Volkshochschulen durchgeführt (Lundberg: 2011; Cort: 2012), darüber hinaus zwei Folgestudien unter allen ehemaligen Lernenden, nachdem diese die Volkshochschule bereits verlassen hatten.
In der Theorie beziehe ich mich auf die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory/SDT), die von Ryan und Deci (2000) entwickelt wurde. Diese Theorie stellt einen Rahmen zur Verfügung, mit dem die extrinsischen und intrinsischen Faktoren verstanden werden können, die Motivation regulieren. Sie bietet auch ein Regelwerk zur nachfolgenden Analyse an, wie Motivation durch Politik und Praxis hergestellt wird.
Diese Theorie betont, dass die Lernumgebung den psychologischen Bedürfnissen nach Autonomie, Kompetenz und Beziehungsqualität (das Gefühl des Dazugehörens) entgegenkommen muss, um Lernen zu ermöglichen und intrinsische Motivation anzuregen. Die Grundannahme der SDT ist, dass Menschen grundsätzlich von sich aus am Lernen interessiert sind.
Die Grundmotivation wird definiert als „Verhalten, das nicht von äußerlichen Anregungen bestimmt ist, sondern für sich selbst interessant und angenehm ist“ (Ryan & Deci: 2000). Intrinsische Motivation findet ihren Ausdruck, wenn wir spielen, forschen oder wenn wir uns an Aktivitäten beteiligen, die wir interessant, herausfordernd oder unterhaltsam erleben. Die Theorie arbeitet mit der Idee eines Kontinuums der Motivation von „unmotiviert“ bis zu „selbst (intrinsisch) motiviert“ (siehe Abbildung 1).
Von außen kann Motivation durch Strafe und Belohnung reguliert werden oder durch Stimulation des Egos, durch Lob und die Vermeidung von Blamagen und Scham. Externe und introjizierte Formen der Motivationsregulierung funktionieren als externer Druck, wobei das Individuum durch die Reaktion seiner Umwelt motiviert wird, was man als gesellschaftliche Kontrolle bezeichnen kann. Weiter vorne im Kontinuum finden wir Regulation durch Identifikation und Integration.
Beide sind extrinsisch, aber sie fallen unter autonomere Formen der Motivation, da ihre Antriebskraft darin liegt, sich mit Werten und Vorbildern zu identifizieren, die während des Lernprozesses gefunden wurden. Die Theorie behauptet, dass die Betonung auf autonome und intrinsische Motivationsformen gelegt werden muss, um ein Lernumfeld zu schaffen, das zu tiefem Lernen (vgl. Biggs & Tang: 2007) führt.
Motivation in der Jugendbildungspolitik: der Kontext/das Umfeld
Laut Paragraf 2 a des Gesetzes zur Beratung (Bekendtgørelse af lov om vejledning) sind 15 – 17-Jährige gesetzlich zu Schule, Lehre oder Ähnlichem verpflichtet; Ziel ist, dass die jungen Menschen ein Ausbildungsprogramm durchlaufen. Der Bildungsplan, (cf. §2 c), muss eine Beschreibung aufweisen, die kennzeichnet, wie der junge Mensch seiner Pflicht gemäß dem Artikel 1 nachkommen möge.
Bildungspläne wollen Veränderung herbeiführen. Seit den 1990er-Jahren, gab es im Hinblick auf das „95% Ziel“, schon mehrere Strategien, die implementiert wurden, um das Verhalten junger Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren zu verändern.
Viele Reformen entstanden aus der zentralen Idee, dass das Bildungsangebot individualisierter auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jungen Menschen eingehen soll. In den 1990er-Jahren war die dominante Vorgehensweise, individualisierte Alternativen in das Bildungsprogramm einzubauen. Beispiele sind das Modell der Grundberufsausbildung (erhvervsgrunduddannelse) (EGU) und spezielle Jugendausbildungsprogramme (den fri ungdomsuddannelse) (FUU) aus den Jahren 1993/1994.
Ziel war es, Angebote flexibel und maßgeschneidert zu gestalten, um auf die Bedürfnisse der Jugendlichen, die aus dem formalen Bildungssystem gefallen waren, eingehen zu können. Die Hauptgrundsätze der alternativen Bildungsprogramme wurden im Jahr 2000 in den Mainstream übernommen, als die Konzepte der Individualisierung und Flexibilität in den VET-Bildungsinstitutionen eingeführt wurden. Dadurch wurde das VET-System der wichtigste Schlüssel zur Inklusion der jungen Menschen, die sonst in Gefahr waren, ihren Jugendbildungsplan nicht abzuschließen. Seit 2007 mussten alle berufsbildenden Schulen einen Strategieentwurf vorlegen, um die Jugendlichen zu halten. Das führte zu zahlreichen Projekten wie Mentoring, Sportaktivitäten, Überbrückungsinitiativen etc.
Im Jahr 2010 wurde das Leitgesetz zu Bildung und Arbeit revidiert. Eine der größten und kontroversiellen Veränderungen im neuen Gesetzesentwurf, war die Einführung „einer Verpflichtung“ zu Bildung und Arbeit (Bekendtgørelse af lov om vejledning). Das Gesetz legte eine Kombination aus verpflichtenden Richtlinien und durchgängigen Kontrollmechanismen vor, welche die Partizipation der jungen Menschen in Bildungs- oder Arbeitswelten gewährleisten sollte. Zudem räumte sie den Kommunen das Recht ein, die monatliche Zahlung einzustellen, wenn ein junger Mensch seinem Bildungsplan nicht Folge leistete. Dabei handelte es sich um einen Plan, der gemeinsam mit den jungen Menschen (und den Eltern) und den JugendberaterInnen festgelegt wurde.
Die JugendberaterInnen müssen nun die „Bereitschaft zur Bildung“ (uddannelsesparathed) abschätzen und die Jugendlichen geeigneten Programmen zuweisen, sollten sie für das sogenannte normale Programm nicht geeignet sein.
Wenn man sich das Funktionieren dieser Vorgehensweise genauer ansieht, dann sieht man, dass dem individuellen Bildungsplan eine wichtige Rolle als Steuermechanismus zukommt. Mit der Verabschiedung des neuen Leitgesetzes zur Bildung wurde der Bildungsplan für alle Schüler und Schülerinnen verpflichtend.
Während für die Schüler und Schülerinnen, die die sogenannte normale Laufbahn der Jugendbildung einschlagen, der Bildungsplan eine reine Formsache bleibt, so wird er für die Jugendlichen, die nicht den üblichen Weg gehen zu einem Kontrollmechanismus. Sie müssen ihren Bildungsplan gemeinsam mit ihren JugendbildungsberaterInnen ständig aktualisieren. Was die Motivation anbelangt, so werden ihre die Bildung betreffenden Entscheidungen extern reguliert. Was das eigene Kompetenzgefühl anbelangt, baut dieser Bildungsplan auf Mangeldenken auf. D.h. er zielt darauf ab, die Defizite der jungen Menschen zu identifizieren, welche eine Barriere für die übliche Jugendbildung darstellen.
Das politische Kalkül, wie man junge Menschen dazu motivieren wollte, sich zu bilden, lag in der Individualisierung von Angeboten. Autonomie und das Recht auf Wahlfreiheit wurden somit in ihrer Wichtigkeit betont. Was jedoch dabei nicht angesprochen wurde, war das Bedürfnis der jungen Menschen nach Zugehörigkeit und das Bewusstsein von der eigenen Kompetenz. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft wurde durch den hohen Grad der Individualisation eher noch unterminiert.
In letzter Zeit lag die Strategie darin, sich der externen Motivationskraft von Zuckerbrot und Peitsche im Leitgesetz zu verschreiben.
Insgesamt gesehen verlagerte sich der Schwerpunkt der Bildungspolitik in seiner Vorgehensweise von einer Idee der intrinsischen Motivation, die durch die Anpassung von Bildungsmaßnahmen an den individuellen Schüler gefördert werden könnte, hin zu einer Idee der Motivation von außen, der durch finanzielle Sanktionen Nachdruck verliehen werden musste, für den Fall, dass es zum Abbruch der Ausbildung kommt oder die Arbeitssuche erfolglos bleibt. Der Bildungsplan stärkt das Element der extrinsischen Motivation und führt dazu, dass Bildungsentscheidungen auf Grund externer Regeln und Druck von außen getroffen werden.
Das Versagen dieser zahlreichen Strategien zeigt sich in der Quote der Ausbildungsabschlüsse, die seit 1995 von 80,9 auf 79,6 abgefallen ist (AErådet 2008 & Danmark i Arbejde, 2012).
Motivation an der Volkshochschule
An der Volkshochschule haben die jungen Menschen die Gelegenheit, einen Glauben an sich selbst und in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Sie werden durch soziale Interaktion mit anderen und eine sichere Umgebung gefördert. Der liberale Bildungsgedanke steht im Mittelpunkt, und die Heranbildung von Selbstachtung und Selbstvertrauen gibt ihnen Mut und ein Vertrauen in Bildung an sich. (Koordinator im Jugendsekretariat des FFD, 2012).
Die Lernumgebung an der Volkshochschule unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Lernumgebung, die die jungen Menschen im „Bridging Project“, im dänischen Grundschulsystem (folkeskole) und in der Jugendbildung (vorwiegend an den Berufsschulen) kennengelernt haben. An der Volkshochschule gibt es weder einen festgeschriebenen Lehrplan, noch Prüfungen oder Tests. Volkshochschulen beziehen sich auf die dänische Tradition der liberalen Bildung und sind stark mit der Genossenschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts und auch mit den Ideen von N.F.S. Grundtvig verbunden.
Viele Volkshochschulen spezialisieren sich auf den künstlerischen Bereich, auf Musik, Sport und Philosophie, d. h. Fächer denen im Regelschulsystem immer weniger Platz eingeräumt wird. Viele dieser Volkshochschulen sind Internate, d.h. die Schüler leben für einen Zeitraum von acht bis 16 Wochen an der Schule (es besteht auch die Möglichkeit, den Aufenthalt semesterweise zu verlängern).
Das bietet Möglichkeiten für eine andere Art der Interaktion zwischen den TeilnehmerInnen und den LehrerInnen sowie auch zwischen der Supervision, der Lehre, dem Lernen und dem „gelebten Leben“. Die angesprochenen Räume schmelzen ineinander und transzendieren die herkömmlichen Grenzen zwischen Schule und Freizeit, dem Individuum und dem Kollektiv. Die Tatsache, dass die SchülerInnen nicht beurteilt werden und keine Prüfungen ablegen müssen, schafft einen Freiraum, in dem der ständigen Nachfrage nach Ergebnissen und Leistung keine Bedeutung zukommt.
In der Evaluation wurde sichtbar, dass das Lernumfeld an den Volkshochschulen junge Menschen durch die Faktoren zu Bildung motiviert, welche von der Selbstbestimmungstheorie (SDT) beschrieben wurden: Die jungen Menschen wurden durch die Befriedigung ihrer psychologischen Bedürfnisse nach der eigenen Autorität, Kompetenz und Zugehörigkeit motiviert. Im Folgenden gebe ich Einblicke in TeilnehmerInnenbeschreibungen über ihre Zeit an der Volkshochschule.
Autonomie und Zugehörigkeit
Einer der zentralen Werte der Volkshochschulen ist Staatsbürgerschaftslehre: Die TeilnehmerInnen sollen dazu angeregt werden, sich zu engagieren und VerantwortungsträgerInnen einer demokratischen Gemeinschaft zu werden. Dies ist ein individueller innerhalb eines kollektiven Lernprozesses. Das hört sich in der Beschreibung einer Schülerin so an:
„Siehst du, die Gemeinschaft ist hier ganz offensichtlich wichtig. Also, das ist wahrscheinlich das Beste von allem hier: du hast Freiheit mit Verantwortung und zwar der Gemeinschaft gegenüber, dir selbst gegenüber und auch den Lehrern gegenüber“. (Eine Schülerin).
Diese neuen Narrative waren den vorangehenden – über Probleme wie etwa sozialer Ausschluss oder Angst vor anderen Menschen – direkt entgegengestellt. Das Gefühl der „Freiheit mit Verantwortung“ war anstelle der früher geäußerten Probleme getreten.
Die TeilnehmerInnen machten die Erfahrung, als Erwachsene behandelt zu werden, sie spürten die Erwartung, dass sie sich wie Erwachsene verhalten und zur Gemeinschaft beitragen.
Die LehrerInnen förderten die Entwicklung der Autonomie und der Zugehörigkeit, indem sie die TeilnehmerInnen dazu anhielten, Verantwortung für den Unterricht und die praktischen Aktivitäten an der Volkshochschule zu übernehmen. Ein Schüler bzw. eine der Schülerinnen erzählte, wie der Lehrer bzw. die Lehrerin für Outdoor-Aktivitäten die SchülerInnen dazu anleitete, Verantwortung für das Lösen verschiedener Aufgaben zu übernehmen. Als etwas nicht funktionierte „übernahm die Lehrerin und sagte: ‚Schaut mal und versucht es anders, es kann sein, dass es deshalb nicht funktioniert.‘ Und dann hatten wir die Chance es noch einmal zu versuchen, und so lernten wir, wie wir das selber machen können.“ (Ein Schüler).
Kompetenz
Viele der SchülerInnen zogen Vergleiche zwischen ihren Erfahrungen an der Volkshochschule und denen während ihrer Grundschulausbildung. In den Narrativen über die Grundschulausbildung trat wiederholt die Eigenschaft auf, dass sie bei den SchülerInnen ein Gefühl der Inkompetenz hinterließ. Ein Schüler bzw. eine der Schülerinnen formulierte dies so: „Nein, ich hatte nicht das Gefühl, dass ich in irgendetwas gut war (…) in der Schule und (…) ich hatte Lernschwierigkeiten, mit denen ich zu kämpfen hatte , also (…) gab ich auf, kann man so sagen.“ (Ein Schüler/eine Schülerin).
In dieser Gruppe junger Menschen sind die Erzählungen über die Grundschulausbildung negativ. Einer der Faktoren, die zu dem Gefühl des Versagens beigetragen haben, ist die hohe Priorität, welche den akademischen Fächern beigemessen wird, und die geringe Bedeutung, die den kreativen Fächern zukommt. Viele der SchülerInnen beginnen ihre Zeit an der Volkshochschule mit unterschiedlichem Demotivationsgrad. Sie gewinnen aber Motivation durch die LehrerInnen, welche die SchülerInnen als ihnen gegenüber verpflichtet und engagiert empfinden. Während ihrer Zeit an der Volkshochschule erwerben die SchülerInnen ein Gefühl der Kompetenz. Sie erlernen Neues und erschaffen sich dadurch ein neues Narrativ, in dem Unzulänglichkeit und Versagenserfahrungen durch Kompetenzbewusstsein ersetzt werden.
„Bevor ich hier herkam, war ich wirklich nicht eine Person, die aufstand und viel erzählte. Und dann wählte ich Chor-Singen als Fach. Am Besuchstag stand ich allein vor dem ganzen Publikum und sang. Man kann also sagen, dass mir das hier Kraft gegeben hat. Ich bin mir jetzt total bewusst darüber, was ich zu tun habe: Von nun an für die Dinge kämpfen.“ (Ein Schüler/eine Schülerin).
An der Volkshochschule werden die jungen Menschen durch ihr Interesse an Musik, Sport, Schreiben und Malen motiviert. Sie erzählen, dass sie während ihres Aufenthalts verschiedene Kompetenzen erwerben: persönliche, soziale und berufsbezogene. Am stärksten ist die Reflexion ihres Selbstbewusstseins und das Herausfinden, dass sie zu viel mehr fähig sind, als sie gedacht hatten.
Aus der Perspektive der Selbstbestimmungstheorie unterstützt die Lernumgebung an den Volkshochschulen die autonome und intrinsische Motivation. Durch die Identifizierung mit engagiertem Lehrpersonal und den Grundwerten „Freiheit in Verantwortung“ und „Gemeinschaftsgeist“ entwickelt sich bei den jungen Menschen Lernmotivation. Sie erleben, wie Lernen frei von Zwang von außen und ohne Reglementierungen stattfinden kann. Das ist ein Ziel für sich selbst, (Cort: 2011).
Conclusio
In der dänischen Jugendbildungspolitik wird der Schwerpunkt darauf gelegt, junge Menschen auf ihrem Bildungsweg durch externe Faktoren, vorrangig durch Androhung von Sanktionen und fortwährende Kontrolle durch Leit- und Bildungspläne zu regulieren. Diese Faktoren hemmen die intrinsische Motivation der SchülerInnen und legen Priorität auf introjizierte Motivation von außen (Guay, Ratelle & Chanal, 2008). Das Bildungssystem hat sich zunehmend individualisiert und kann sich so nach den psychologischen Bedürfnissen Einzelner richten.
Allerdings wird in individualisierten Systemen das Bedürfnis, Teil einer Gemeinschaft zu sein (Bezogenheit) unterminiert. Zudem hinterlässt die Grundschulausbildung in einem Teil junger Menschen das Gefühl der Inkompetenz, welches in Kombination mit dem von außen auferlegten Druck, einen Bildungsweg auszuwählen, dem „95 % Ziel“ kontraproduktiv entgegensteht.
In der Praxis der Volkshochschulen, unterstützen die Ideale und Prinzipien der liberalen Bildung junge Menschen bei ihrer Motivationsentwicklung. Sie erleben dort Zugehörigkeitsgefühl, Autonomie und nicht zuletzt auch eigene Kompetenzerfahrung, wodurch sich die Motivation entwickelt, sich für Bildung zu engagieren.
Telefonumfragen in den Jahren 2011 und 2012 zeigten, dass zirka Zweidrittel der Interviewten weiter in ein Jugendbildungsprogramm gegangen waren (Nielsen & Koudahl: 2011; Cort: 2012). Dieser Erhebung wird eine weitere im Herbst 2013 folgen, die auf den Meldedaten basiert, da es telefonisch nur möglich war, 35–45 Prozent der ProjektteilnehmerInnen zu erreichen.
Ein Hauptunterschied zwischen der vorherrschenden Bildungspolitik und der Praxis im „Bridging Project“ ist, dass die Volkshochschulen prozessorientiert sind und darauf Wert legen, die jungen Menschen in ihren persönlichen Entwicklungsvorgängen zu begleiten. Die Bildungspolitik hingegen ist ergebnisorientiert. Der Bildungsplan ist hauptsächlich ein aus der Logik des Projektmanagements entstandenes administratives Werkzeug. Daraus folgt, dass Bildungsentscheidungen zu einem strategischen Prozess verkommen, in dem der junge Mensch „nur“ genügend Information benötigt, um sich seinen Weg von Unbildung zur abgeschlossenen Bildung zu bahnen.
Für die jungen Menschen im „Bridging Project“ war dies nicht machbar: Sie brauchten darüber hinaus Zeit, um zu reflektieren, wer sie sind, bevor sie die (für sie radikale) Entscheidung treffen konnten, welchen beruflichen Weg sie einschlagen sollten. //
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