Ein „Agrarkrieg“ tobt, gegen die Natur und gegen uns selbst. Ein „Heer“ von „Agrarkriegern“ agiert: Chemie-, Pharma-, Saatgutkonzerne; Funktionär*innen aus der Landwirtschaft; gleichgültige Landwirt*innen … Noch nie wurden so viele Nahrungsmittel erzeugt, noch nie so viele verschwendet. Die „Schlachtfelder“: Monokulturen, Agrarsteppen, bereinigte Flure, Mastfabriken. Zu den „Waffen“ zählen fossile Energie, tonnenschwere Maschinen, Kunstdünger, Kraftfutter, Antibiotika… . Es geht den „Agrarkriegern“ um Gewinn, den Bezug zur Natur haben sie verloren.
So martialisch eröffnet Bartholomäus Grill seine Kampfschrift. Sein Schmerz und Zorn über den Zustand der Landwirtschaft – ein Wirtschaftszweig für etwa zwei Milliarden Menschen –, aber auch sein Ansporn, umweltverträglich zu wirtschaften, erfüllen sein Buch mit Esprit und Verve, mit Sehnsucht und Poesie sowie – nicht zu knapp – mit Faktischem. Bartholomäus Grill (geb. 1954) ist im bayrischen Gebirge aufgewachsen, war langjährig internationaler Korrespondent und Redakteur bei der ZEIT und beim SPIEGEL und ist mit regionalen und globalen Entwicklungen vertraut.
Seine Kindheit als Bergbauernbub in den 1950er Jahren sieht Bartholomäus Grill heute als Aufwachsen in einer „versunkenen Welt“. Schonender Umgang mit Ressourcen (Kreislaufwirtschaft), Einklang mit der Natur, selbstbewusster Bauernstand, Brauchtum, katholischer Glaube, Nachbarschaftshilfe, das Gefühl zusammenzugehören waren die tragenden Werte. Schon ab den 1960er Jahren haben sich die Siedlungsformen markant verändert. Einzelne, „verlorene“, letzte Bauernhöfe gibt es noch, aber die Landschaft prägen inzwischen Gewerbebetriebe, Wellness- und Kurhotels, Ferienwohnungen, Sessellifte, Hallenbäder, Boutiquen …
Den Umbruch brachte in diesen Jahren die „Grüne Revolution“. Bartholomäus Grill schildert diesen Wandel als „Zerstörungswut der modernen Landwirtschaft“. Durch neue Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger wurden die Bauern und Bäuerinnen zu Produzent*innen. Nicht ohne Konsequenzen: Umweltverschmutzung, Preisdiktate, fragwürdige politische Direktiven, z. B. Strafabgaben für die Überproduktion von Milch, sogenannte „Übermilch“.
Der Heimathof des Autors musste schließlich aus ökonomischen Gründen aufgegeben werden. Zwischen 1960 und 2022 war das in Deutschland ein Schicksal von etwa einer Million landwirtschaftlicher Betriebe.
Aus internationaler Perspektive schildert Bartholomäus Grill den fortschreitenden, dramatischen Verlust fruchtbarer Ackerböden samt ihrer Mikroorganismen und Kleinstlebewesen. Die Böden werden durch Monokulturen ausgelaugt und vom Wind verblasen. „Bodenschwund“, beschleunigt durch Abholzung oder Überweidung, verursacht „Desertifikation“ – Wüsten breiten sich aus. Als warnendes Fallbeispiel werden die negativen Entwicklungen in Afrika angeführt.
Grill hält fest, dass die Produktion tierischer Lebensmittel einen höheren Flächenbedarf als pflanzliche Lebensmittel hat – „Fleisch frisst Land!“. Wenn sich bezüglich des Klimas etwas ändern soll, ist, nach Meinung des Autors, ein globaler Ernährungswandel notwendig. Von mikrobiellen Nahrungsmitteln erwartet er keine Lösung, sondern allenfalls neue Produktions- und Gewinnstrukturen.
Mit dem Verlust der traditionellen Landwirtschaft sieht er zugleich den Verlust einer jahrtausendealten Kulturform einhergehen. Gewisse Hoffnungen setzt der eher pessimistisch klingende Autor auf die zunehmende Zahl an Biobauern und Biobäuerinnen aus meist mittelständischen Familienbetrieben, auf alternative Bauernverbände und auf Erzeugergemeinschaften. Einen Verbündeten erwartet er sich auch in der Natur selbst. Die zahlreichen Naturkatastrophen könnten viele Menschen zum Nachdenken bringen.
Zusammengefasst lautet die im Buch erhobene Anklage (S. 212): „Unser Landwirtschafts- und Ernährungssystem zählt zu den Hauptverursachern des Klimawandels und des Aussterbens, seine Zerstörungskräfte bedrohen die Existenzgrundlagen der menschlichen Zivilisation.“ Der agroindustrielle Komplex entzieht sich öffentlicher Kontrolle und verhält sich strategisch wie der militärindustrielle. Um dem vor sich gehenden „Ökozid“ begegnen zu können, sind u. a. Politik, Nahrungserzeugungsindustrie sowie Bauern und Bäuerinnen gefordert.
Das Buch macht – nicht zuletzt – deutlich, welch negative Rolle der Fleischkonsum bei der Verringerung unserer Lebensgrundlagen spielt.
Die Konsequenzen für Bildung und Erwachsenenbildung verstehen sich fast von selbst: Aufklärung über regionale und globale Zusammenhänge, Aufklärung über die Rolle von Großindustrien und ihre Aktionär*innen – Aufklärung über die Rolle jedes*r Einzelnen im täglichen Umgang mit Nahrung und Natur. //
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