Inklusion in der Praxis der Volkshochschule Linz

Vielfalt zählt zu den Stärken einer Gesellschaft. Sie schätzt den Menschen um seiner selbst willen und ist daher Grundvoraussetzung für eine faire Gesellschaft, für die sich die Volkshochschulen einsetzen.

Gemäß dem Bildungsauftrag der Volkshochschulen ist es unser Ziel, alle Menschen –  unabhängig von Alter, Herkunft, Handicap, sozialer Situation oder Vorbildung – an Bildung teilhaben zu lassen. Hier stellen wir drei Schwerpunkte unserer Arbeit in diesem Bereich vor: Unsere Maßnahmen und Standards der Barrierefreiheit, den aktuellen Jahresschwerpunkt Inklusion sowie das Projekt „Du kannst was“ als Maßnahme zur Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in der Berufsausbildung.

Bildung barrierefrei an der VHS Linz im Wissensturm

Schon bei der Planung des Wissensturms, wo der Großteil der Kurse und Veranstaltungen der VHS Linz stattfindet, hat der Linzer Gemeinderat das Projekt „Bildung und Behinderung“ und damit eine barrierefreie Gestaltung des Wissensturms, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht, beschlossen. Vertreter*innen von Betroffenen wurden in die Planung weitgehend eingebunden. Alle Seminarräume sind barrierefrei zugänglich und es sind die technischen Voraussetzungen für induktive Höranlagen eingerichtet. Taktile Leitsysteme führen durch das gesamte Gebäude. In jedem Turmgeschoß gibt es nach Geschlechtern getrennte WCs für körperlich beeinträchtigte Menschen. Spezielle Lesehilfen, Blindenschrift-Ausgabegeräte und -drucker unterstützen Menschen mit Sehbeeinträchtigungen im Bibliotheksbereich.

Sicherheit für alle

Im Hinblick auf die Sicherheit gibt es optische Warnsysteme für den Feueralarm in all jenen Räumen, in denen sich schwerhörige oder gehörlose Menschen alleine aufhalten könnten. Ein akustisches Alarmsystem ist ebenfalls vorhanden. Im Brandfall können gehbeeinträchtigte Menschen unter Aufsicht der Feuerwehr über die Lifte aus dem 15-geschoßigen Gebäude evakuiert werden. Die Aufzugsanlagen sind über eine mit Druckbelüftung ausgestattete Schleuse erreichbar und können so im Brandfall in Betrieb bleiben und für Evakuierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. 

Barrierefreiheit und virtuelle Zugänge

Die Informationszugänge via Internet (insb. Online-Katalog der Bibliothek, Kursprogramm der Volkshochschule) werden nach den internationalen Standards der Barrierefreiheit gestaltet. Die Volkshochschule Linz als städtische Einrichtung orientiert sich an den Richtlinien für barrierefreie Webinhalte Web Content Accessibility Guidlines (WCAG 2), Konformitätsstufe AA bzw. dem geltenden Europäischen Standard EN 301 549 V2.1.2 (2018-08) um eine möglichst barrierefreie Zugänglichkeit zu erreichen.

Kursangebote für alle Bedürfnisse 

Im Kursjahr 2022/23 möchten wir unseren besonderen Fokus auf Menschen mit Beeinträchtigung richten und vermehrt inklusive und chancengerechte Bildungsangebote anbieten sowie unser bestehendes Kursangebot für Menschen mit Handicap möglichst inklusiv gestalten und Teilnahmebarrieren weitestgehend abbauen. Ziel muss es sein, dass unterschiedliche Menschen, mit oder ohne Beeinträchtigung, gemeinsam lernen – voneinander und miteinander.

Für den Schwerpunkt „Inklusion“ des laufenden Arbeitsjahres sind EDV-Einzeltrainings für stark sehbeeinträchtigte Personen, EDV-Kurse „Schlecht sehen und gut am Computer“ und Smartphone-Kurse „Barrierefreiheit am Smartphone für Menschen mit Sehbeeinträchtigung“ sowohl im Wissensturm als auch dezentral in den Volkshäusern geplant.

Hinsichtlich des Aspektes der Inklusion haben die unterschiedlichen Fachbereiche – neben den bereits bestehenden Angeboten – neue integrative Kurse, Workshops und Vorträge für das kommende Bildungsjahr geplant. Im Fachbereich „Gesundheit. Ernährung und Sport“ erscheinen verschiedene entwicklungsfördernde Kurse für Kinder, Eltern und Erwachsene neu im Programm. Angeboten werden Kurse zum ganzheitlichen Wahrnehmungstraining für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, Intensiv-Sprachförderung mit dem Kinderkochkurs nach Affolter sowie entwicklungsfördernde Eltern-Kind-Gymnastik.

Darüber hinaus wird es eine fachbereichsübergreifende Vortragsreihe inklusive Workshops zu Querschnittsthemen zwischen Gesundheit und Lernen geben mit dem Titel: „Lernen – eigentlich geht’s eh…“: 

Behandelt werden dabei Themen wie: Legasthenie, Dyskalkulie, Lernen, ADHS/ADS, Autismus, die Mototherapie sowie Wahrnehmungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Ziel ist es, eine breite Zielgruppe dabei zu unterstützen, mehr Know-how und Verständnis für Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen bzw. Lernschwierigkeiten aufbringen zu können.

Miteinander und voneinander lernen! – Projekt „Bildung für alle!“

Eine Kooperation der Volkshochschule Linz und der Akademie für integrative Bildung

Inklusion betrifft uns alle. Beinahe jeder Mensch war oder ist in seinem Leben von Ausgrenzung betroffen; in der Schule, im Beruf, beim Sport, – körperlich, sprachlich, kognitiv oder auf eine andere Art. 

Die Akademie für integrative Bildung arbeitet gemeinsam mit der Volkshochschule in Linz und anderen Bildungsträgern an verschiedenen Standorten in Österreich am Projekt „Bildung für alle!“. Ziel ist es, Bildungsangebote barrierefrei und für alle Menschen uneingeschränkt zugänglich zu machen. Um das zu erreichen, müssen wir miteinander reden! 

In diesen Gesprächen wollen wir gemeinsam Ideen für Verbesserungen, Anpassungen und inklusive Kursangebote entwickeln. 

Zudem wollen wir neue Methoden, Werkzeuge und Hilfsmittel gemeinsam erproben und einsetzen, um Bildung nachhaltig uneingeschränkt nutzbar zu machen. 

Mithilfe der Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden diese Ideen auch praktisch umgesetzt. 

Inklusion beginnt im sozialen Umfeld und funktioniert nur, wenn sie im Alltag gelebt wird. 

Daher soll dieses Projekt regionale Kooperationen zwischen sozialen Einrichtungen und deren Klient*innen/Kund*innen auf der einen Seite und Bildungsträger*innen auf der anderen Seite verstärken oder ermöglichen. 

Die österreichischen Volkshochschulen sind seit ihrer Gründung Orte der Kommunikation und der kulturellen Vielfalt. Sie ermöglichen Bildungschancen für alle Menschen, die ihre Potenziale voll entfalten und aktiv an der Gesellschaft teilhaben können. 

Somit bieten diese offenen Orte der Begegnung optimale Voraussetzungen für ein gelingendes voneinander-und-miteinander-lernen. 

Validierung und Inklusion in der Berufswelt1

Der Begriff Validierung beschreibt Prozesse der Anerkennung und Zertifizierung von meist außerhalb formaler Bildungsinstitutionen erworbenen Kompetenzen. Diese werden damit sichtbar gemacht.

Dem Konzept zugrunde liegt die Idee, dass Menschen in verschiedensten Kontexten lernen, nicht ausschließlich in Schulen, Universitäten und Weiterbildungseinrichtungen. Große Teile unseres Lernens findet außerhalb der anerkannten Bildungsinstitutionen statt: am Arbeitsplatz, in der Freizeit, beim ehrenamtlichen Engagement, in der Familie.

Validierungsprozesse machen Kompetenzen sichtbar und bündeln diese zu einem anerkannten Abschluss. Lernerfahrungen, Fähigkeiten, Kompetenzen werden anerkannt, unabhängig vom Weg, auf dem sie erworben wurden.

Validierung kann somit als Chance betrachtet werden für Menschen, deren Weg durch die anerkannten Bildungsinstitutionen aus unterschiedlichen Gründen schwierig, brüchig oder mit Barrieren oder Diskriminierungserfahrungen versehen war.

Validierung in der Berufswelt bietet konkrete Vorteile für Arbeitnehmer*innen, Arbeitssuchende und auch Arbeitgeber*innen: Sie unterstützt die Inklusion auch von Menschen mit Migrationserfahrung am Arbeitsmarkt. Sie kann Um- und Quereinsteiger*innen helfen, erworbene Kompetenzen aus ihrem bisherigen Berufsfeld sichtbar und transferierbar zu machen, ohne erneut eine vollständige Ausbildung zu absolvieren.

Personen ohne formale Bildungs- bzw. Berufsabschlüsse jedoch mit praktischer Erfahrung in einem Berufsfeld können durch Validierung anerkannte Abschlüsse erlangen. Dies erhöht die Beschäftigungsfähigkeit, erweitert die Einsatzmöglichkeiten im Betrieb und eröffnet Aufstiegschancen.

Darüber hinaus stärkt Validierung den bzw. die Lernende selbst: Sie zeigt Erreichtes auf, regt Reflexionsprozesse über die eigenen Kompetenzen und Lernerfahrungen an und macht Stärken sichtbar.

Das Projekt „Du kannst was“ als erfolgreiches Beispiel für die Validierung von Berufserfahrungen2

Das Projekt „Du kannst was“ richtet sich an Personen, die über keinen Lehrabschluss verfügen oder im erlernten Beruf schon mehrere Jahre nicht mehr tätig sind und über mehrjährige Berufserfahrung in einem der im Projekt angebotenen Berufe verfügen. Dabei steht im Vordergrund, im Arbeitsleben erworbene Kompetenzen und Fähigkeiten für den Erwerb eines Lehrabschlusses anzuerkennen. 

„Du kannst was“ ist ein sozialpartnerschaftliches Projekt der Wirtschaftskammer OÖ und der Arbeiterkammer OÖ und wird aus Mitteln des Landes OÖ finanziert. Durchgeführt wird das Projekt vom Firmenausbildungsverbund OÖ (FAV OÖ) in Zusammenarbeit mit dem Grundbildungszentrum der Volkshochschule Linz.

Voraussetzungen für die Projektteilnahme sind ein Mindestalter von 22 Jahren, mindestens 3 Jahre Berufserfahrung im angestrebten Beruf sowie Deutschkenntnisse auf Niveau von mindestens B1.

Das Angebot richtet sich an Menschen

  • die keinen Berufsabschluss haben oder seit längerer Zeit nicht mehr im erlernten Beruf tätig waren.
  • mit Migrationshintergrund, deren im Herkunftsland erworbener Berufsabschluss nicht anerkannt wird.
  • mit beruflichen Kenntnissen im Ausmaß von etwa der Hälfte der im Berufsbild angeführten Fertigkeiten.
  • die über mehrjährige Berufserfahrung in einem der aktuell 24 Berufe, welche validiert werden, verfügen.

In einem verpflichtenden Erstgespräch wird den Interessent*innen der Weg zum Lehrabschluss über „Du kannst was“ vorgestellt und eine überblicksmäßige Bestandsaufnahme ihrer vorhandenen Kompetenzen im angestrebten Berufsabschluss gemacht.

Der Ablauf des Validierungsprozesses im Überblick

Vor allem in technischen Berufen startet der Validierungsprozess mit einem Screening. Die Teilnehmenden zeigen in praktische Arbeitsproben die Fähigkeiten, die Sie mitbringen.

Anschließend durchlaufen die Teilnehmenden einen Selbsteinschätzungsprozess. In zwei bis drei Workshops werden  sie von Fachexpert*innen begleitet,  ihre Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Berufsbild zu erheben und zu dokumentieren.

Darauf folgt der Qualicheck 1: BerufsexpertInnen überprüfen mit den Teilnehmenden gemeinsam die Ergebnisse ihrer Selbsteinschätzung und erheben den daraus resultierenden Weiterbildungsbedarf hin auf eine erfolgreiche Anerkennung des angestrebten Lehrabschlusses.

In maßgeschneiderten Weiterbildungscurricula bekommen die Teilnehmenden jene theoretischen und praktischen Kompetenzen vermittelt, die sie für ihren Berufsabschluss noch benötigen.

Der abschließende Qualicheck 2 entspricht der Lehrabschlussprüfung. Nach positiver Beurteilung der in der Weiterbildung erworbenen Kompetenzen stellt die Lehrlingsstelle der WKOÖ für den/die Teilnehmende*n das Lehrabschlusszeugnis aus.

Seit Beginn des Projektes 2011 haben 1102 Personen den Qualicheck 2 und somit die Lehrabschlussprüfung bestanden. //

1   Vgl. wba – Weiterbildungsakademie Österreich: https://wba.or.at/de/fachinfo/definition-validierung.php; Stand: 25.9.2022

2   Firmenausbildungsverbund Oberösterreich: https://www.favooe.at/initiativen/du-kannst-was/

Rogalo, Ena/Rathmayr, Rainer/Zec, Belmir (2022): Inklusion in der Praxis der Volkshochschule Linz. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2022, Heft 277/73. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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