Die „westliche Moderne“ – über die Welt verstreut gibt es „multiple Modernitäten“ – hält der Soziologe an der Humboldt Universität Berlin, Andreas Reckwitz, für überholt. Bislang war sie zu sehr vom Fortschritt überzeugt. Die Verlustdynamik wurde unterschätzt. Erst in der Spätmoderne, in den letzten fünf Jahrzehnten von der etwa 250-jährigen Geschichte der Moderne, entsteht ein Wandel im gesellschaftlichen Verhältnis zu Verlusten. Sein Buch positioniert der Autor als Beitrag zu einer „Theorie der Moderne“, wobei er eine „redigierte Perspektive“ auf den Modernisierungsprozess entwickelt. Die praxisorientierte Frage des Forschers lautet: Wie sollen und können wir mit Verlusten umgehen?
Der erste Teil des Buches widmet sich der Beschreibung und den Wirkungen von Verlusten. Andreas Reckwitz sieht Verluste nicht bloß als individuelles Geschehen, sondern als soziales Phänomen. Verluste betreffen „Erfahrungen, die erst in soziokulturellen Gefügen von Praktiken, Diskursen, Emotionslagen und Arenen entstehen und ihre gesellschaftlichen Wirkungen durch die Subjekte hindurch erzielen“ (S. 33 f.). Verluste sind „Selbst- oder Weltverluste“, wobei von Subjekten oder Gruppen etwas verloren wird, an das ihre Identität emotional positiv gebunden ist. Daher können eine ganze Welt und das Selbst bei Verlust zerbrechen.
Die Komplexität von Verlusten wird von Andreas Reckwitz verdeutlicht, in dem er auf „Verlustgeschichten“, die zeitlichen Aspekte und die Affektivität, die damit einhergehenden Gefühle wie Trauer, Wut, Angst oder Verbitterung verweist. Der prozessuale Charakter der natürlichen und sozialen Welt drückt sich auch im Verlust aus, Reckwitz verwendet daher den Begriff „doing loss“ – analog zum Begriff „doing politics“, um den unablässigen, endlosen Fabrikationsprozess der sozialen Welt abzubilden. //
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