Als Mitte März zu Beginn des Corona-Lockdowns nicht nur alle Geschäfte, Schulen und Universitäten umgehend schließen mussten, waren auch alle Kurse der Volkshochschulen unmittelbar von den Regierungsmaßnahmen betroffen. Ausmaß und Dauer der Krise waren kaum einschätzbar und das Gebot der Stunde bestand daher – ähnlich wie in den Schulen – in der möglichst raschen Umstellung von VHS-Kursen auf Online-Formate.
Doch noch mehr als in Schulen oder Universitäten mangelte es in der Erwachsenenbildung an entsprechender Expertise, Know-how und Equipment sowie den dafür benötigten finanziellen Ressourcen.
Der Verband Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) entschied daher als „Erste-Hilfe-Paket“ bereits Anfang April, einstündige Webinare für das Arbeiten mit Zoom anzubieten und die KursleiterInnen niederschwellig für die Herausforderungen des Online-Unterrichtens zu sensibilisieren. Außerdem wurden für Unterrichtende der beiden größten Fachbereiche der Volkshochschulen – dem Sprachensektor und dem Bewegungsbereich – Online-Schulungen konzipiert.
Bei der Planung der Fortbildungen war in keiner Weise abschätzbar, in welchem Ausmaß sie von Kursleitenden und/oder MitarbeiterInnen der Volkshochschulen angenommen werden würden, und wie immer verbreiteten wir die diesbezüglichen Informationen in erster Linie direkt über die VHS-Landesverbände und unseren Newsletter. Von den bisherigen Seminaren ausgehend, rechneten wir mit etwa zehn bis maximal 30 Anmeldungen pro Kurs.
Als an den darauffolgenden Tagen die per Mails eintreffenden Kurs-Anmeldungen nicht enden wollten, konnten wir das zunächst gar nicht fassen. Auf dem kleinen Laptop-Bildschirm im Home-Office meisterte meine Kollegin Suzana Jurisa die enormen Herausforderungen. So musste sie unter anderem die ersten rund 1.000 Anmeldungen entsprechend zuordnen, Bestätigungen versenden, Mails mit speziellen Anfragen beantworten und Absagen aufgrund zu großer Kursgruppen ausschicken.
Aufgrund der völlig unerwarteten enormen Nachfrage entwickelten wir sehr rasch weitere Angebote bzw. wiederholten besonders gut besuchte Webinare und Kurse. So lagen wir nach den Osterferien bei einem Stand von fast 3.000 Anmeldungen – einer Zahl, von der in „Vor-Corona-Zeiten“ niemand auch nur zu träumen gewagt hätte. Hierzu muss auch noch angemerkt werden, dass diese Anmeldungen einen Bereich betrafen, der davor kaum Beachtung erfahren hatte, schien doch das Thema Digitalisierung den VHS-Unterrichtenden kein besonderes Anliegen zu sein.
„Corona-Spezial“: eine wilde Mischung aus unterschiedlichsten Wünschen und Bedürfnissen
Die zahlreichen Anmeldungen und Nachfragen der darauffolgenden Wochen belegen eindrucksvoll, wie sich die Situation schlagartig gedreht hatte: Plötzlich erkannten sogar die Digitalisierungskritischsten die enormen Potenziale des Online-Unterrichtens in Zeiten von Corona, und den meisten konnte es nicht schnell genug gehen, wenn es galt, sich für die neuen Herausforderungen zu rüsten.
Die umfassenderen Online-Angebote für Sprachkursleitende und Unterrichtende im Bewegungsbereich wurden speziell auf die jeweiligen Besonderheiten und Möglichkeiten der Fachbereiche ausgerichtet, wie etwa das gleichzeitige Abspielen von Musik und Anleiten während einer Zoom-Zumba-Stunde oder das Feedback-Geben im Sprachenunterricht. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass sich die Kursleitenden in Webinaren und asynchronen Selbstlernphasen neues Wissen aneignen konnten. Im „Learning by Doing“ erprobten sie das Gelernte und erhielten darauf auch sogleich Rückmeldungen von den ReferentInnen.
Dabei erwies es sich als herausfordernd, den mannigfaltigen und komplexen Ansprüchen beim Umstieg auf Online-Kurse zu begegnen. Wie sich in zahlreichen Telefonaten oder Mailkorrespondenzen manchmal in wahrhaft mühevoller Kleinstarbeit herausstellte, verfügten viele Unterrichtende über keine entsprechende bzw. nur stark veraltete Technik (etwa mehr als zehn Jahre alte Computer) und waren auch mit neueren Tools wie Zoom oder Learning-Management-Systemen wie Moodle überhaupt nicht vertraut. Viele kannten nicht einmal deren Namen und hatten auch noch nie zuvor Online-Tools eingesetzt, geschweige denn selbst online unterrichtet.
Diese großen individuellen Unterschiede wurden noch durch die stark divergierende Situation an den einzelnen Volkshochschulen sowohl in puncto Ausstattung, Wunsch nach Angebot von Online-Unterrichtseinheiten, Informationen bzgl. Verhaltensregeln etc. verstärkt. Mit anderen Worten: Die allgemeine Verunsicherung und der Bedarf an individueller Klärung und Unterstützung waren enorm und nicht alle Probleme konnten im Rahmen der angebotenen Kurse noch über Mail-Verkehr bzw. Telefonate mit der Seminaradministration gelöst werden (vor allem auch deshalb, weil sie nur indirekt die angebotenen Kurse betrafen). Vermutlich wurde vielen Unterrichtenden erst langsam bewusst, dass die Angebote nur einen ersten Einstieg bzw. eine Hilfestellung für den Übertritt ins Online-Unterrichten bieten und keineswegs ganze längere Ausbildungen ersetzen konnten. Und natürlich konnten die Kurse auch nicht über allgemeine Sorgen und Ängste der Unterrichtenden in Bezug auf Arbeits- und Einkommensentgang hinwegtäuschen oder schwierige bzw. unterschiedliche Arbeitsbedingungen in den einzelnen Institutionen verändern. Die allgemeine Betroffenheit und Verunsicherung war trotzdem immer wieder stark spürbar und dämpfte zeitweise die Stimmung in den Kursen.
Wie die Evaluationsergebnisse und sonstigen positiven Rückmeldungen belegen, scheint es jedenfalls gelungen zu sein, sehr rasch einen ersten Bedarf an digitalem Grundwissen zu decken, die entsprechenden Kompetenzen zu stärken und weiteren Schulungsbedarf präziser sichtbar zu machen. Die Angebote wurden von vielen auch als wichtiges Signal der Volkshochschulen gedeutet, dass sie von der Organisation nicht im Stich gelassen wurden.
Außerdem gelang es, eine äußerst heterogene Zielgruppe zu erreichen, wobei die 40-60 Jährigen eindeutig die Mehrheit bildeten und bei den Fachbereichen der Sprachenbereich bei weitem am häufigsten vertreten war. Zu Letzterem lässt sich auch ergänzen, dass dort in Folge auch der meiste Online-Unterricht stattgefunden hatte, der zu einem Großteil auch von den TeilnehmerInnen positiv angenommen wurde.
Ein Digitalisierungs-Hype der Sonderklasse?
Es ist zu vermuten, dass die Krise vielen Unterrichtenden (erstmals) deutlich vor Augen geführt hat, worin die Vorteile des Online-Unterrichtens sowohl für sie als auch für ihre TeilnehmerInnen liegen. So konnten die KursleiterInnen im Rahmen der Fortbildungen die vielfältigen Möglichkeiten von Online-Konferenz-Tools wie Zoom erproben und viele haben durch den sprichwörtlichen Sprung ins kalte Wasser das Schwimmen bzw. erste eigene Tempi gelernt. Auch als Autorin dieses Artikels kann ich hier ein Aha-Erlebnis berichten: Es war mir bisher nicht bewusst, wie interaktiv und multimodal etwa Online-Konferenz-Tools mittlerweile eingesetzt werden können – immer vorausgesetzt die/der Kursleitende versteht, die Technik entsprechend zu nützen.
Bestechend sind auch die Möglichkeiten der asynchronen Onlinephasen des betreuten Selbststudiums. Hier bleibt es den TeilnehmerInnen überlassen, wann sie welche Inhalte lernen möchten. Die unzähligen Apps und Online-Tools, die als Mehrwert eingesetzt werden können, ermöglichen es, diese Phasen mit diversen E-tivities1 ebenfalls multimedial und in unterschiedlichen Sozialformen zu gestalten. Ein gutes Zeitmanagement und möglichst klar vorgegebene Strukturen (klare Zeitangaben und Arbeitsaufträge) und Nachfrage- bzw. Austausch-Möglichkeiten sind dabei allerdings äußerst gefragt. Außerdem erleichtern die Vielfalt der digitalen Medien und Sozialformen sowie die Kleinteiligkeit der Arbeitsaufträge das Durchhalten bei herausfordernden Themen.
Selbstverständlich bleiben aber auch einige offene Baustellen bzw. – um die Metapher fortzuführen – noch gar nicht gestartete Bauvorhaben. So stehen auf Seiten der Institutionen eine entsprechende Vergütung der Unterrichtenden und die damit verbundene Honorierung des Mehraufwandes zumeist noch aus. Auch entsprechende Learning-Management-Tools, technisches Equipment oder Lizenzen sind schon jetzt vermehrt gefragt und bisher kaum ausreichend vorhanden. Schließlich sollte es möglich gemacht werden, dass Lernende mit ihren elektronischen Geräten in der Volkshochschule lernen und jene, die kein Gerät zur Verfügung haben, eines der Volkshochschule benützen können. Ein Laptop oder ein anderes digitales Device pro TeilnehmerIn, wie das etwa in der Schule bald Wirklichkeit werden soll, bleibt wohl in der Erwachsenenbildung zunächst Zukunftsmusik. Schließlich sollte es möglich gemacht werden, dass Lernende mit ihren elektronischen Geräten in der Volkshochschule lernen können. Und auch eine Vereinheitlichung der Kommunikations- und Unterrichtsplattformen ähnlich der deutschen Volkshochschul-Cloud scheint nach wie vor in weiter Ferne.
Auf Seiten der Unterrichtenden ist ebenfalls noch sehr viel Durchhaltevermögen sowie Neugierde auf Neues gefragt. Und auch der für qualitativ hochwertigen Online-Unterricht benötigte Zeitaufwand wird sich mit keinem „Lehrbuch-Unterricht“ vergleichen lassen. Wert erscheint es jedenfalls allemal, sich auf die neuen Möglichkeiten einzulassen. Längerfristig sollte es sich auch lohnen.
Die nächsten Monate werden zeigen, wie die Erwachsenenbildung in Corona-(Nach)-Zeiten ihr Überleben sichert. Eines erscheint so klar wie nie zuvor: Digital gut gerüstet zu sein, bleibt das Gebot der Stunde. //
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