Begrifflichkeiten
Die unter dem Eindruck der UN-Behindertenrechtskonvention (United Nations: 2006) geführten Debatten um die Implementierung von Inklusion, insbesondere im Bildungsbereich, haben dazu geführt, dass dieser Begriff meist ausschließlich auf Behinderung bezogen wird (Georgi: 2015, S. 26). Grundsätzlich bezeichnet Inklusion jedoch ein allgemein gültiges Menschenrecht, das darauf abzielt, strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, die benachteiligte Ausgangslagen – wie etwa sozioökonomischen Status, sexuelle Orientierung oder ethnische Herkunft – auszugleichen und Partizipation zu ermöglichen. Während auf politischer Ebene nach wie vor der vergleichsweise einschränkende Begriff der Integration vorherrscht (vgl. Georgi: 2015; Schwarz: 2009), beginnt sich der Begriff Inklusion auf der institutionellen Ebene der Erwachsenenbildung nun auch für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte durchzusetzen. Insbesondere seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015/2016 setzt sich die Erwachsenenbildung in Österreich dezidiert auch unter den Begriffen der Inklusion und der Teilhabe gezielt mit ihrer Arbeit in der Migrationsgesellschaft auseinander (vgl. die Beiträge in: Verein CONEDU: 2017). Die im Zuge dieser Auseinandersetzung entstandenen „Leitlinien für eine Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft“ (Bundesinstitut für Erwachsenenbildung: 2015) konzentrieren sich vor allem darauf, diskriminierende und rassistische Strukturen und Praktiken in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung aufzuspüren und zu beseitigen und Menschen mit Migrationserfahrung – wobei sich der Begriff hier auf alle in der Praxis vorkommenden Formen der Migration bezieht – auch für pädagogische Arbeit und Bildungsmanagement zu gewinnen, womit ein Aspekt der Teilhabe abgedeckt ist. Allgemein bezieht sich der Begriff Teilhabe im Kontext der österreichischen Erwachsenenbildung auf rechtlich-politische und damit gesellschaftliche Teilhabe, wie etwa das Wiener Integrationskonzept verdeutlicht. Dieses Integrationskonzept umfasst die fünf Schwerpunkte Deutsch und Mehrsprachigkeit, Bildung und Arbeit, Zusammenleben und Partizipation – als politische Teilhabe –, Versachlichung, Messbarkeit und Information sowie Menschenrechte (Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 17 – Integration und Diversität: 2021, S. 7). Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die politische Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, euphemistisch ausgedrückt, beschränkt ist: Während österreichweit 25,4 Prozent der Bevölkerung aufgrund ihrer Zuwanderungsgeschichte vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, sind es in Wien je nach Altersgruppe zwischen 30 und 40 Prozent (Statistik Austria: 2022a, S. 20; Yilmaz: 2022). Lediglich nicht-österreichische EU-Bürger*innen mit Hauptwohnsitz in Wien können an Bezirksvertretungswahlen teilnehmen; eine Wahlmöglichkeit auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene ist auch ihnen versagt.1 Es scheint fraglich, inwiefern also diese auf Inklusion ausgerichtete Zielsetzung zur politischen Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bei gleichbleibender Gesetzeslage zielführend oder gar demotivierend ist.
Bedarfe
Tatsächlich möchte ich jedoch in Bezug auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der Erwachsenenbildung die Begriffe der Teilhabe und der Inklusion weiterfassen als auf die aktive Anwerbung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte für pädagogische Arbeit und Bildungsmanagement oder den Bereich der Mikrodidaktik (Lehren und Lernen auf Kursebene) und der Mesodidaktik (Konzeption und Gestaltung von Inhaltsbereichen). Inklusion und umfassende Teilhabe setzen auf allen drei didaktischen Ebenen an – inklusive der Makrodidaktik (Programmplanung, Weiterbildungsberatung). Um hier auf allen Ebenen Wirkung zu entfalten, ist die Kenntnis des Zielpublikums Voraussetzung. Was wissen wir also über Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der österreichischen Erwachsenenbildung?
Allgemein wird festgehalten, dass Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in der Regel seltener Weiterbildungsprogramme in Anspruch nehmen (Statistik Austria: 2018, S. 25 f.). Diese Feststellung ist allerdings mit Einschränkungen zu bewerten, da hier nur der Vergleich von Menschen mit und Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft angestellt wurde.
In den jährlichen Auswertungen der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) werden Zahl und Arbeitsbereiche der Mitarbeiter*innen, eine in Kategorien aufgeteilte Veranstaltungsstatistik, allgemeine Teilnahmezahlen und Geschlechterverhältnisse erhoben.2 Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind hier weder als Mitarbeiter*innen noch als Teilnehmer*innen erfasst. Eine Umfrage des Zentrums für Soziale Innovation (ZSI) an den Wiener Volkshochschulen im Jahr 2018 ergab, dass 30 Prozent der Mitarbeiter*innen Migrationshintergrund aufweisen, i.e. „beide Elternteile ausländischer Herkunft sind“ (zit. nach Stadt Wien – Integration und Diversität: 2020, S. 85 f.); da auf die originalen Daten dieser Befragung nicht zugegriffen werden konnte,3 lässt sich der Anteil der Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund in den einzelnen Arbeitsbereichen nicht eruieren.
Auch die Erhebungen des EU-weit angelegten Adult Education Survey (AES), an denen Österreich in drei Untersuchungsperioden, von 2005 bis 2007, von 2011 bis 2012 und von 2016 bis 2017 teilgenommen hat (Statistik Austria: 2009; 2013; 2018), differenzieren lediglich zwischen österreichischer und nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft – obwohl der zugrundeliegende Fragebogen durchaus detaillierte Fragestellungen für einen auszudifferenzierenden Migrationshintergrund enthielt (Eurostat und Statistik Austria 2016/17: F17–20, F44, F46)4. Das Statistische Taschenbuch Schule und Erwachsenenbildung, das auf den differenzierten Grundlagen des Mikrozensus basiert (Statistik Austria: 2022c), berücksichtigt in seinen Darstellungen den Migrationshintergrund gar nicht (Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung: 2021). Die Feststellung, dass in Österreich lebende Ausländer*innen häufiger als Österreicher*innen eine Universität, Fachhochschule oder hochschulverwandte Ausbildung absolvieren (Statistik Austria: 2009, S. 27; 2013, S. 23; 2018, S. 22) , ist etwa durch die Anzahl von Studierenden anderen Ländern (29 Prozent) – allen voran aus Deutschland – an österreichischen Universitäten zu relativieren (Statistik Austria: 2022a, S. 48); Österreich belegt den ersten Platz unter den 15 beliebtesten Studienländern für deutsche Studierende im Ausland (Statista: 2021). Dem gegenüber war der Anteil der Personen mit bloßer Pflichtschulausbildung in der ausländischen Wohnbevölkerung in allen Erhebungszeiträumen deutlich höher als jener der Bewohner*innen mit österreichischer Staatsbürgerschaft (vgl. Abb. 1). Insgesamt bestätigte sich der Bildungsforschungsgemeinplatz, dass die Bildungsmobilität zwischen den Generationen stark vom Bildungsgrad des elterlichen Haushalts abhängt und dass Menschen aus bildungsfernen Haushalten (mit Pflichtschule als höchstem Bildungsabschluss) nur äußerst selten einen höheren Abschluss erreichen (vgl. Abb. 2). Doch wie lassen sich diese Aussagen auf die in Österreich lebenden Menschen mit Migrationshintergrund umlegen? Lassen sie sich überhaupt verwenden? Können auf einer solchen Datengrundlage überhaupt Bildungsbedarfe erhoben werden?
Abb. 1: Abgeschlossene höhere Ausbildung von Menschen mit und ohne österreichische Staatsbürgerschaft in Österreich. Quelle: auf der Datengrundlage von Statistik Austria: 2009, S. 24; 2013, S. 23; 2018, S. 22
Abb. 2: Bildungsmobilität von Menschen aus bildungsfernen Haushalten in Österreich. Quelle: auf der Datengrundlage von Statistik Austria: 2009, S. 24; 2013, S. 23; 2018, S. 22
Im Anschluss an die von 2011 bis 2014 in zehn europäischen Ländern durchgeführte Studie zu den „Benefits of Lifelong Learning“ (BeLL) des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) und des Leibniz-Zentrums für lebenslanges Lernen (Thöne-Greyer: 2014), an der Österreich nicht teilgenommen hatte, führte die Donau-Universität Krems in Zusammenarbeit mit dem Verband der Österreichischen Volkshochschulen (VÖV) von 2018 bis 2022 eine daran angelehnte Studie durch, um aus der Teilnehmer*innenperspektive den größeren Nutzen der nicht-formalen, nicht-beruflichen Erwachsenenbildung zu untersuchen (Keser-Aschenberger & Vater: 2022). Das Profil der Teilnehmer*innen dieser Studie war in der Mehrheit weiblich, gebildet und im mittleren Alter. 38 Prozent der Teilnehmer*innen verfügten über einen Hochschulabschluss, 15 Prozent hatten eine Lehre, zwölf Prozent eine berufsbildende mittlere Schule und elf Prozent eine berufsbildende höhere Schule abgeschlossen. Auch der sprachliche Hintergrund und die Nationalität der Teilnehmer*innen wurden abgefragt: Die Mehrheit (89 Prozent) waren österreichische Staatsbürger*innen, 5,3 Prozent stammten aus einem EU-Land und 4,6 Prozent aus einem Nicht-EU-Land; 88,5 Prozent hatten Deutsch als Erstsprache gegenüber 11,5 Prozent mit einer anderen Erstsprache (Keser-Aschenberger & Vater: 2022, S. 33). Es zeigte sich, dass Menschen, deren „Herkunftssprache“ nicht Deutsch ist, im Vergleich zu den übrigen Befragten nach dem Besuch eines Volkshochschulkurses ein höheres Maß an Veränderung in Bezug auf ihre Lernfähigkeiten, gesellschaftliches Engagement und ihrer Wahrnehmung von beruflicher Verbesserung wahrgenommen hatten, während das Interesse an Politik nur bei den Befragten mit deutscher Erstsprache zunahm (Keser-Aschenberger & Kil 2020). Die Kategorien Sprache und Nationalität wurde nicht verschränkt ausgewertet.
Eine Studie zu Migrant*innen in Wiener Einrichtungen der Erwachsenenbildung (Pohn-Weninger: 2005) zeigte, dass im Kursbereich eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage besteht, die Angebotsstruktur sehr eng auf niedlich qualifizierte Kund*innengruppen fokussiert und dass die Einrichtungen zumeist nur über recht vage Vorstellungen über diese Zielgruppe verfügen – vor allem aber, dass keine Bedarfs- und Potentialanalysen vorliegen. Folglich konzentrierten sich die Angebotsplanung – die zu 78 Prozent aus Deutschkursen bestand – an „kompensatorischen Modellen der Ausländerpädagogik“, die Migrant*innen primär als Träger von Bildungsdefiziten wahrnimmt und vorhandene Fertigkeiten, Qualifikationen und Erfahrungen ausblendet. Auf der Mitarbeiter*innenebene zeigte sich 2005, dass sämtliche Wiener Erwachsenenbildungseinrichtungen Migrant*innen beschäftigten (95 Prozent), die in unterschiedlichen Bereichen tätig waren (Abb. 3).
Abb. 3: Beschäftigungsbereiche von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Wiener Einrichtungen der Erwachsenenbildung im Jahr 2005. Quelle: auf der Datengrundlage von Pohn-Weninger: 2005, S. 11
Differenzierte und detaillierte Angaben zum Bildungsstand von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden im österreichischen Mikrozensus erhoben. Hier werden in diesem Zusammenhang Fragen zur Staatsbürgerschaft, zum eigenen Geburtsland und zu jenem beider Eltern, zum Herkunftsland und zur Aufenthaltsdauer in Österreich gestellt sowie detaillierte Fragen zu Berufstätigkeit und Ausbildung inklusive sieben Fragen zur Weiterbildung (Statistik Austria: 2022c). Die Ergebnisse dieses Mikrozensus fließen sowohl in den Integrations- und Diversitätsmonitor der Stadt Wien (2020) als auch in das Statistische Jahrbuch zu Migration und Integration in Österreich ein (Statistik Austria: 2022a). Durch die Unterscheidung zwischen erster und zweiter Generation von Zuwander*innen wird in letzterem deutlich, dass der Anteil jener Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die nur einen Pflichtschulabschluss als höchste Ausbildung aufweisen können, zugunsten eines deutlich höheren Anteils von Abschlüssen einer Lehre oder einer berufsbildenden mittleren und höheren Schule (BMS) zurückgeht. Während die Abschlüsse an einer AHS, einer BHS oder einem Kolleg nahezu unverändert sind, nimmt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an einer höheren Ausbildung deutlich ab (Abb. 4).
Abb. 4: Höchster Bildungsabschluss von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte der ersten und der zweiten Generation in Österreich im Jahr 2021. Quelle: auf der Datengrundlage von Statistik Austria: 2022a, Abb. 51
An dieser Stelle ist es notwendig, den Begriff Migrationshintergrund – an dessen Stelle ich hier den Begriff Zuwanderungsgeschichte verwendet habe – in den erwähnten Studien näher zu beleuchten. Die Autor*innen der einzelnen Studien fassen den Begriff Migrationshintergrund keineswegs einheitlich auf (Abb. 4). So lassen sich die Ergebnisse dieser Studien kaum miteinander vergleichen, um hier eine zusammenfassende Aussage zu tätigen. Jedenfalls erfasst die Unterscheidung zwischen dem Besitz einer österreichischen und nicht-österreichischen Staatsbürgerschaft lediglich 64 Prozent der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Sinne der im Mikrozensus erhobenen Daten, denn nur dieser Anteil besitzt keine österreichische Staatsbürgerschaft (Statistik Austria: 2022a, S. 22).
Abb. 5: Definitionen des Begriffs Migrationshintergrund. Quelle: auf der Datengrundlage von Pohn-Weninger: 2005; Statistik Austria: 2009; 2013; 2018; 2022a; 2022c
Bedürfnisse
Annette Sprung konstatierte bereits 2008, dass empirische Erkenntnisse zum Weiterbildungsverhalten von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Österreich nur sehr dürftig sind, da Bildungsträger keine Kriterien wie Migrationshintergrund oder Staatsbürgerschaft erfassen. Diese Situation hat sich seitdem nicht wesentlich verändert. Noch heute stehen in der Weiterbildungspraxis für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Österreich jene – durchaus notwendigen – Angebote im Vordergrund, die auf sogenannte Integrationsprozesse, vor allem im Bereich Spracherwerb und Grundkenntnisse der Systeme und Gesetze des Aufnahmelandes abzielen. Wie aber die hier differenzierte Darstellung des Migrationshintergrunds auf Basis des Mikrozensus 2021 zeigt, wird hier auf ein potenzielles Weiterbildungsbedürfnis von Menschen mit Migrationshintergrund der zweiten Generation, die sich zusehends dem mittleren Bildungssegment annähern, nicht eingegangen. Gründe für rückläufige höhere Bildungsabschlüsse dieser Gruppe werden nicht thematisiert, geschweige denn kontextualisiert. Aufgrund fehlender empirischer – und differenzierter – Daten und vor allem mangels auf diesen aufbauenden zielgruppengerichteter Bedarfserhebungen oder Potenzialanalysen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das bestehende Angebot allen Kund*innen, also auch jenen mit Migrationshintergrund (in diesem Fall der zweiten Generation) offen stünde – ein Argument, das Pohn-Weninger (2005, S. 9) in seiner Erhebung wiederholt zu hören bekam. Die Annahme, dass Menschen mit Zuwanderungsgeschichte möglicherweise weniger von dem Angebot erreicht werden – oder es in Anspruch nehmen – wird auch von der Tatsache unterstützt, dass
50,5 Prozent der Erwachsenen in Österreich angaben, unentgeltlich über Weiterbildungsmöglichkeiten informiert worden zu sein, was dem zweithöchsten Informationsstand in der Europäischen Union entspricht (European Commission, European Education and Culture Executive Agency: 2021, S. 143). Auch in verschiedenen Formen persönlicher Weiterbildungsberatung oder digitaler Selbsthilfetools, die speziell auf Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen ausgerichtet sind, nimmt Österreich im EU-Vergleich eine vorbildliche Rolle ein (European Commission, European Education and Culture Executive Agency: 2021: S. 147–151, 176).
Der Mangel an empirischen Daten macht sich auch auf politischer Ebene bemerkbar – wenn er nicht gleichzeitig auch ein Stück weit durch sie bedingt wird (vgl. Reiter et al.: 2021). Im nationalen Indikatorenset zur Erreichung der 2030-Agenda und der UN-Nachhaltigkeitsziele in der Zielsetzung 4 (inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern) sind für die Unterziele 4.5 (gleichberechtigter Zugang zu Bildung) und 4.7 („Global Citizenship“ und nachhaltige Entwicklung in nationaler Bildungspolitik) noch keine nationalen Indikatoren formuliert und mit den Verweisen „keine Bewertung möglich“ bzw. „Datenlücke“ versehen (Statistik Austria: 2022b). Auf das Fehlen dieser Indikatoren in Bezug auf die nationale Realisierung des globalen Entwicklungsziels SDG 4 („Bildung für Alle“) in Österreich haben bereits Langthaler und Obrovsky (2018) aufmerksam gemacht. Im letzten SDG-Indikatorenbericht wurde darauf verwiesen, dass die in den UN-Vorgaben enthaltenen Disaggregationen (Alter, Geschlecht, Behinderung, Migration, etc.) aufgrund mangelnder Datenverfügbarkeit und mangelnder Ressourcen nur vereinzelt umgesetzt werden konnten und dass eine weitere Unterteilung der bereits rund 200 Indikatoren zu einem deutlichen Mehraufwand geführt hätten, der nicht getätigt werden konnte (Statistik Austria: 2020, S. 42). Der Indikator Migrationshintergrund war offensichtlich eine dieser Disaggregationen. Es bleibt zu hoffen, dass das Austrian Socio-Economic Panel (ASEP), das sich für den Zeitraum von 2022 bis 2026 die Erfassung sozioökonomischer Zusammenhänge wie den Einfluss bildungspolitischer Maßnahmen oder des sozioökonomischen Familienhintergrunds auf den Arbeitsmarkterfolg zum Ziel gesetzt hat (OTS: 2022), sich dieser Disaggregationen annehmen wird.
Möchte die österreichische Erwachsenenbildung ihren Anspruch auf Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte an der Erwachsenenbildung in Österreich auf allen drei didaktischen Ebenen garantieren, so ist eine solide empirische Datenbasis auf Grundlage eines ausdifferenzierten Migrationsbegriffs Voraussetzung (Von Hippel et al.: 2018, S. 1142 f.). Erst diese Datenbasis ermöglicht, Bildungsbedarfe zu erheben und abseits der kompensatorischen Modelle einer defizitären Assimilationspädagogik auf allen drei didaktischen Handlungsebenen gezielt diese Ansprüche zu entfalten und ihre Fortschritte zu bemessen, wie Beispiele aus der Schweiz (z.B. Juhasz & Mey: 2009) oder aus Deutschland (z.B. Nohl: 2009; Öztürk: 2014) zeigen. //
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