Vermittlung von Orientierung und Werten gefragt

Auch die Burgenländischen Volkshochschulen waren im letzten Jahr mit der Frage konfrontiert, wie für Asylwerberinnen Deutschkurse angeboten werden könnten.

In den letzten Jahrzehnten wurden immer wieder Deutschprojekte über Projektförderungen umgesetzt. Außerhalb dieser Projektförderungen war es allerdings schwierig, Kurse oder Kursplätze für AsylwerberInnen zu finanzieren.

Immerhin war es möglich, vor allem junge unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in die Vorbereitungskurse zum Pflichtschulabschluss aufzunehmen und ihnen so einen Start in weitere Bildungs- und Berufsmöglichkeiten zu ermöglichen.

Heute, wo etwa 2.700 AsylwerberInnen im Land untergebracht sind, stellen sich Herausforderungen, wie wahrscheinlich in allen ländlichen Regionen. Die AsylwerberInnen sind in vielen kleinen Unterkünften in kleinen Gemeinden untergebracht. Sie sind kaum mobil, weil sie auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, der auch einen wesentlichen Kostenfaktor darstellt. Gleichzeitig ist die Gruppe zu klein, um vor Ort einen Kurs anzubieten.

In vielen Gemeinden haben sich unterstützende Gruppen von Freiwilligen gebildet, die bei den Volkshochschulen anfragen, um diesen Personen Deutschunterricht zu ermöglichen. In dieser Situation haben wir zunächst versucht, die Freiwilligen, die zu unterrichten begonnen haben, mit Lehrmaterial zu unterstützen. Einige Methodenworkshops für diese Zielgruppe waren gut besucht. Es wurde aber bald klar, dass man mit Kursen von Freiwilligen nicht das Auslangen finden wird. Viele haben zu wenig Erfahrung mit der Zielgruppe oder sie können ihr intensives Engagement nicht auf Dauer aufrechterhalten.

Als sehr hilfreich hat sich eine Fördermöglichkeit des Landes Burgenland über die Bedarfszuweisung an die Gemeinden erwiesen: Die Burgenländischen Volkshochschulen organisieren in der jeweiligen Gemeinde Deutschkurse (meist 3 x 3 Unterrichtseinheiten pro Woche, zwei Module zu je 45 Unterrichtseinheiten), die Gemeinde stellt kostenlos Kursräume zur Verfügung, unterstützt bei der Erreichung der Zielgruppe und bezahlt diese Kurse. Das Land Burgenland refundiert im Anschluss die anfallenden Kosten. Mit dieser sehr unbürokratisch gehandhabten Förderung konnten wir bisher 60 Kursmodule umsetzen und 520 Personen erreichen.

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Projekt: Deutschkurse für AsylwerberInnen mit Orientierungsmodulen zum Zusammenleben in Österreich und Demokratiebildung

Die politische und öffentliche Diskussion um sogenannte „Wertekurse“ haben uns letztlich veranlasst, hier aktiv zu werden und ein eigenes Bildungskonzept zu entwickeln. Deutschlernen soll explizit mit Inhalten der politischen Bildung verschränkt werden, und das bereits auf niederschwelligem Sprachniveau.

Aufgrund der langjährigen Erfahrungen in der Durchführung von Kursen zu „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF), aber auch in der Umsetzung von Basisbildungsmaßnahmen und Lehrgängen zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses, wo politische Bildung zum Lerninhalt gehört, haben die Burgenländischen Volkshochschulen somit niederschwellige Orientierungsmodule zum Zusammenleben in Österreich und zur Demokratiebildung für ein spezifisches Deutschlernangebot erarbeitet. So können KursteilnehmerInnen grundlegende Sachinformationen erhalten und werden dazu ermutigt, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen und sich in der Folge auch aktiv in der Gesellschaft zu engagieren.

Ziel dieses Deutschangebotes ist es, Flüchtlingen bzw. AsylwerberInnen sowie MigrantInnen landeskundliches Wissen zur Erstorientierung im Alltag, wichtige Gepflogenheiten ihres neuen Lebensumfeldes sowie grundlegende Kenntnisse über unser politisches System und unseren Wertekanon in Verbindung mit Deutschkenntnissen zu vermitteln, um ihnen die Eintrittsphase in Österreich zu erleichtern. Eine frühestmögliche Verschränkung des Deutschunterrichts mit Inhalten der Grundwerte des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Österreich und der Demokratiebildung leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration und Akzeptanz von Flüchtlingen und MigrantInnen in unserer Gesellschaft.

Durch die Implementierung der Basismodule „Werte unserer europäischen Gesellschaft“, „Mein Leben in Österreich“ sowie der Vertiefungsmodule „Politikbegriff und politische Partizipation“ und „Migration, Integration und Identität“ in den Unterricht und das Erlernen der deutschen Sprache soll der politischen Bildung in diesem Lernprozess eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es gilt dabei, die Lernenden zu unterstützen, sich Sachkompetenz, Fragekompetenz, Orientierungskompetenz, Urteilskompetenz und Handlungskompetenz in diesen Themenfeldern anzueignen.

Gesellschaftliche Systeme aus Recht, Wirtschaft und Politik und die Beziehungen zwischen den Systemen zu erkennen und verstehen zu lernen, ist ein hohes Ziel, das in der kurzen Zeit, die in den Deutschkurs- bzw. Basisbildungsmaßnahmen für diese Inhalte und Lernprozesse zur Verfügung stehen, wohl nur in Ansätzen erreicht werden kann. Aber gerade diesen Ansätzen soll erhöhte Aufmerksamkeit zuteil werden – in der Hoffnung, dass die Lernenden diese Kompetenzen weiter ausbauen und ein Leben lang nutzen werden.

Kooperationspartner bei der Erarbeitung dieses Konzepts und der Modulinhalte ist das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) in Stadtschlaining mit ihrem spezifischen Fachwissen im Bereich der Friedenspädagogik, der Gewaltprävention sowie der Interkulturellen Kompetenz. Das Projekt wird vom Land Burgenland finanziert.

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Die im Kurskonzept „Orientierungsmodule zum Zusammenleben in Österreich und Demokratiebildung“ Themen und Inhalte beinhalten:

Basismodule:

• Werte unserer europäischen Gesellschaft

> Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

> Menschenrechte

> Frauenrechte

> Kinderrechte

• Leben in Österreich

> Das Land Österreich und seine Kultur

> Alltag und Zusammenleben

> Wohnen und Nachbarschaft

> Gesundheit und Sicherheit

> Deutsch und Bildung

> Arbeitswelt und Wirtschaft

> Rechte und Pflichten

Vertiefungsmodule:

  • Politikbegriff und politische Partizipation (politische Konzepte, politisches System in Österreich, Parteien und Wahlen)
  • Migration, Integration, Identität (Vielfalt des Zusammenlebens/Interkulturalität, Identität und Gruppenzugehörigkeit, Rassismus)

Für die beiden Basismodule wurden bereits Materialien ausgearbeitet, die ein thematisches Rahmencurriculum mit Lerninhalten, Zielsetzung und Lernergebnissen sowie Unterrichtsmaterialien und methodisch-didaktische Übungen enthalten. Diese Orientierungsmodule werden mit den Deutschkursinhalten verschränkt, sodass ein neues Deutschkursmodell für AsylwerberInnen entsteht. Darüber hinaus werden in Zukunft die Modulinhalte in alle DaF-Angebote der Burgenländischen Volkshochschulen integriert.

Die TrainerInnen im DaF-Bereich wurden im Einsatz der erarbeiteten Materialien und in der Methodik und Didaktik geschult, um fundierte inhaltliche Kenntnisse sicherzustellen und einen aktuellen Wissensstand zu gewährleisten. Im Laufe des Herbstsemesters 2016/2017 werden die Basismodule erprobt und die Materialien zu den beiden Vertiefungsmodulen entwickelt.

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Weitere Herausforderungen für die nächste Zukunft:

Qualifizierte TrainerInnen

Es gilt, ausreichend qualifizierte TrainerInnen auch für entferntere Regionen zu finden. Es ist oft schwierig, gut ausgebildete, für diese Zielgruppe engagierte TrainerInnen zu finden, die über Zeit verfügen, auch tagsüber in Intensivkursen unterrichten zu können.

Differenziertes Angebot

Nach den Deutsch-AnfängerInnenkursen sind unterschiedliche Lernfortschritte festzustellen: Jüngere Personen, die im Herkunftsland Schulen besuchen konnten, haben schnellere Lernfortschritte, als lernungewohnteiPersonen, denen die lateinische Schrift vielleicht weniger geläufig ist. Hier wird es notwendig sein, an zentraleren Orten weiterführende Kurse mit der Finanzierung von Fahrtkosten zur Verfügung zu stellen.

Übergänge

Sobald die AsylwerberInnen die Anerkennung als Flüchtling erhalten, kann der Österreichische Integrationsfonds oder das Arbeitsmarktservice Deutschkurse finanzieren. Hier versuchen wir die TeilnehmerInnen mit aussagekräftigen Kursbesuchsbestätigungen auszustatten, damit Übergänge in weiterführende Kurse gut möglich sind.

Beratungsbedarf

Im gesamten letzten Jahr waren alle MitarbeiterInnen mit hohem Beratungsbedarf konfrontiert. In Begleitung von freiwilligen UnterstützerInnen gibt es oft viele einzelne persönliche Anfragen nach passenden, möglichst sofort startenden kostenlosen Kursangeboten. Hier wird es hoffentlich bald möglich sein, gemeinsam mit den betreuenden Organisationen eine besser handhabbare Struktur zu entwickeln. //

Deinhofer, Elisabeth (2016): Vermittlung von Orientierung und Werten gefragt. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Dezember 2016, Heft 260/67. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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