Landesrätin Christine Haberlander
Foto: VHS Linz
Wir werden im Rahmen dieser Festveranstaltung die Präsentation einer „Zeitreise durch die Jahrzehnte“ sehen. Ich möchte daher auch mit einer kleinen Zeitreise in meinen Beitrag einsteigen. Meine Zeitreise führt in das Gründungsjahr der Volkshochschule Linz, in das Jahr 1947.
Dieses Jahr war das dritte der extrem schwierigen Nachkriegsjahre. Die Stimmung dieser Jahre unterstreicht ein Satz aus den „Mitteilungen des Linzer Landestheaters“, wo es heißt:
„Unsere Besucher sagen, sie möchten etwas Heiteres und Unbeschwertes sehen. Sorgen und Probleme hätten sie selbst schon genug.“
Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass aus diesem Jahr 1947 klare Aufbruchsignale gekommen sind:
- in der VOEST wurde der Hochofen Nummer 5 angeblasen,
- die Serienfabrikation des Steyr-Traktors wurde aufgenommen,
- und weil es auch wieder etwas zum Ausstellen gab, fand auch die Rieder Landwirtschaftsmesse wieder statt.
Zu dieser Aufbruchsstimmung hat auch die Gründung der Volkshochschule Linz gehört. Es gab Menschen, denen die in den „Mitteilungen des Linzer Landestheaters“ eingeforderte leichte Muse bereits wieder zu wenig war, es gab Menschen, die trotz Sechstage- und 48-Stunden-Woche aus ihrer Freizeit etwas machen, ihre Freizeit möglichst sinnvoll nutzen, die an sich selbst arbeiten wollten. Und es hat Menschen gegeben, die mit der Volkshochschule den institutionellen Rahmen dafür anbieten wollten.
An dieser Zielsetzung hat sich bis heute nichts geändert. Auch heute gibt es Menschen, die ihre Freizeit dazu nutzen wollen, durch Weiterbildung in sich selbst zu investieren, und es gibt Menschen, die durch ihre Arbeit in der Volkshochschule bereit sind, in die Menschen zu investieren.
Natürlich haben sich die Inhalte des Angebots der Volkshochschule in den letzten sieben Jahrzehnten geändert, der Auftrag bleibt aber derselbe. Ich sehe die heutige Bedeutung der Bildungsform Volkshochschule zu Beginn des 21. Jahrhunderts in folgenden Bereichen:
- Nichts ist so veraltet wie der Satz: „Was Hänschen nicht gelernt hat, lernt Hans nicht mehr.“ Ein zeitgemäßes Update müsste wohl heißen: „Was Hänschen gelernt hat, wird für Hans mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr reichen.“ Lebenslanges Lernen ist also in einer Wissensgesellschaft notwendig geworden und es soll – gerade dafür steht die Volkshochschule – auch Freude machen.
- Individualität kann man hier durch einen eigenen Lehrplan bestimmen. Hier knüpfe ich beim „Freude machen“ an: Die individuelle Ausgestaltung eigener Lerninhalte ermöglicht eine andere Wahrnehmungsmöglichkeit des Lernens – weniger als Zwang, sondern als Interessensschwerpunkt.
- Gemeinsames Lernen als besondere Chance der Volkshochschulen, in der eine positive Gruppendynamik den Lernprozess erleichtert.
- Die Volkshochschule steht für Lernen mit dem Gang des demografischen Wandels. Die Zunahme der „Golden Age“-Generation und die allmähliche Auflösung klassischer Familienbilder können mitunter zu einer Vereinsamung und zu einem geringen Verständnis der Aufgabenstellungen der anderen Generationen führen. Die Volkshochschule bietet hier Angebote für gemeinsames Lernen der Generationen und ein gegenseitiges Verständnis.
- Die Volkshochschulen stehen für qualifiziertes Lernen. Sie gestalten ihr Lernprogramm eigenverantwortlich. Was sich nicht bewährt, setzt sich auch nicht durch. Die Volkshochschule ist auf den Erfolg ihres Lernangebotes und ihrer Kurse angewiesen. Im Umkehrschluss bedeutet das auch eine Qualitätssicherung für das Lernen.
Über all dem steht ein großer gesellschaftlicher Auftrag. Auch an die Volkshochschulen. Nämlich, den Übergang von einer Informationsgesellschaft – die wir fraglos bereits sind – zu einer echten Wissensgesellschaft zu gestalten. Denn Informationen ersetzen nicht Wissen. Dafür brauchen wir die Bildung. Bildung bedeutet Unterscheiden und Erkennen. Wer nicht unterscheiden kann, der merkt, denkt und erkennt nichts. Volkshochschulen haben die Aufgabe, Lernen weiter zu managen. Das gelingt am besten in der Gemeinschaft, beim gemeinsamen Lernen mit anderen, die ein gleiches Ziel vor Augen haben.
Damit bedeuten Bildung und lebenslanges Lernen geistige Vermögensbildung für unsere Gesellschaft. Gerade das macht Einrichtungen wie die Volkshochschule Linz so wertvoll.
Die Volkshochschule ist aber auch ein Teil der Kultur einer Stadt. Sie wurde aus der örtlichen Geschichte und Tradition geboren. Sie ist Teil der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheit einer Stadt und trägt somit zur Unverwechselbarkeit bei.
Nirgendwo in Oberösterreich wird das so deutlich wie hier in Linz mit dem Wissensturm, der vor zehn Jahren eröffnet wurde. Mit dem Wissensturm wurde Bildung im Allgemeinen und die Erwachsenenbildung im Besonderen Teil der Skyline dieser Stadt.
Und genauso wie die Volkshochschule selbst in einer Phase des Aufbruchs entstanden ist, ist auch der Wissensturm in einer absoluten Aufbruchsphase in diesem Stadtteil entstanden.
Ich gratuliere zu beiden Jubiläen. Ich danke allen, die sich in den Dienst der großen Idee „Volkshochschule“ stellen, aber auch jenen, die die Angebote der Volkshochschule für sich nutzen. Das wirft für Sie persönlich, aber auch für die gesamte Gesellschaft reiche Dividende ab. //
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