Schweiz: Modulares Baukastensystem „Ausbildung der Ausbildenden“ (AdA)

1. Aufbau

Das Baukastensystem AdA wurde Mitte der 1990er-Jahre auf Initiative des Schweizer Verbandes für Weiterbildung (SVEB), dem aktuell rund 680 Mitglieder aus privaten und staatlichen Anbietern von Weiterbildung, Verbände, innerbetriebliche Weiterbildungsabteilungen und Einzelpersonen angehören, ins Leben gerufen. Den bildungspolitischen Hintergrund bildete die Entwicklung des Schweizerischen modularen Baukastensystems, das seit Mitte der 1990er-Jahre – neben der klassischen Berufsqualifikation – modulare Teilqualifikationen geschaffen hat, „mit denen Lernende auf flexible Weise sich einen (beruflichen) Bildungsabschluss sozusagen ‚ansparen‘ können“ (Marty: 2009, S. 95). Auch im Berufsfeld der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (EB/WB), das bis dato stark fragmentiert und heterogen ist und dessen Qualifikationen weder staatlich reglementiert noch gefördert wurden, wurde damit „ein Nerv der Zeit“ getroffen. In einem ersten Schritt wurden gemeinsam mit namhaften Erwachsenenbildungsinstitutionen Kompetenzstandards entwickelt, auf deren Fundament das – letztendlich dreistufige – Baukastensystem zur praxisnahen Professionalisierung im Bereich der EB/WB aufbaut (Schläffli & Sgier: 2008, S. 56–57). Im Unterschied zum österreichischen Professionalisierungsmodell der Weiterbildungsakademie (wba) gelang es in der Schweiz mit AdA – über das SVEB-Grundzertifikat hinaus –, staatlich anerkannte Abschlüsse (Eidgenössischer Fachausweis AusbilderIn und Eidgenössisches Diplom AusbildungsleiterIn) zu schaffen, die für eine Tätigkeit in der EB/WB auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus qualifizieren. Fachausweis und Diplom wurden innerhalb des Berufsbildungssystems implementiert, wo sie im Bereich der Höheren Berufsbildung angesiedelt sind. Sie werden über das Berufsbildungsgesetz (BBG) geregelt.

Zur Absolvierung der einzelnen Module im Rahmen der drei anerkannten Abschlüsse gibt es generell zwei Wege: Zum einen können die geforderten Kompetenzen im Rahmen einer regulären Qualifizierung erworben werden. Dabei müssen die Gesuchstellenden auf entsprechende, im Baukastensystem akkreditierte Aus-, Fort- und Weiterbildungen externer Anbieter zurückgreifen – nur diese sind berechtigt, Modulzertifikate als Teilabschlüsse zu den Berufsprüfungen und höheren Fachprüfungen auszustellen (ebd.). Zur Sicherung der Qualität gibt es ein Modulanerkennungsverfahren (AKV), das entsprechend den jeweiligen Zertifikaten vorgegebenen Standards folgt und dem sich die Anbieter alle sechs Jahre wieder neu unterziehen müssen. Grundsätzlich müssen die Anbieter, die geprüfte Module durchführen wollen, über das von den Kantonen eingeführte Qualitätszertifikat für Weiterbildungsinstitutionen eduQua verfügen. Dieses wiederum sieht für die Anbieter vor, dass ein bestimmter Prozentsatz der Mitarbeitenden über einen Abschluss aus dem AdA-Baukasten bzw. ein entsprechendes Qualifizierungsäquivalent verfügt – was nicht unwesentlich zur Verbreitung von AdA beiträgt. Mit Stichtag 31. Dezember 2014 waren 112 Institutionen berechtigt, die Ausbildungen des AdA-Baukastens durchzuführen (SVEB/FSEA: Jahresbericht 2014, S. 13).

Zum anderen können die Module auch über die individuelle Validierung bereits erworbener Kompetenzen (non-formal und informell) anerkannt werden. Dieser Weg wird allerdings – im Unterschied zum Modell der wba – von weniger Personen wahrgenommen (zirka fünf Prozent der Abschlüsse im AdA-Baukastensystem) (Kraus et al.: 2013, S. 6). Die entsprechende gesetzliche Grundlage findet sich im Schweizerischen BBG vom 13. Dezember 2002: „Die beruflichen Qualifikationen werden nachgewiesen durch eine Gesamtprüfung, eine Verbindung von Teilprüfungen oder durch andere vom Bundesamt anerkannte Qualifikationsverfahren“ (ebd., Art. 33). Letzteres wird in der Berufsbildungsverordnung (BBV) wie folgt präzisiert: „Als andere Qualifikationsverfahren gelten Verfahren, die in der Regel nicht in Bildungserlassen festgelegt, aber geeignet sind, die erforderlichen Qualifikationen festzustellen“ (ebd., Art. 32). Dazu gehört das oben genannte Verfahren zur Gleichwertigkeitsbeurteilung (GWB).

Das dreistufige System von AdA, das sich ausschließlich an schon in der EB/WB praktisch Tätige richtet, stellt sich laut Abbildung wie folgt dar (Alice Adult Learning Information Center: o.J.) (Abb. 2):

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Abb. 1
Die Abschlüsse im AdA-Baukasten. (Quelle: Eckhardt-Steffen: 2015)

Auf Stufe 1 werden erwachsenenpädagogische Grundqualifikationen des Lehrens und Lernens – speziell für nebenberuflich oder teilzeitlich Lehrende – vermittelt und bei erfolgreichem Abschluss mit einem SVEB-Zertifikat testiert. Dieser 1995 eingeführte und damit traditionsreichste Abschluss im AdA-Baukastensystem umfasst ein Modul mit mindestens 90 Stunden Präsenzzeit und 165 Stunden Selbststudium. Wie den aktuellen Zahlen zu entnehmen ist, wird das SVEB-Zertifikat mit mehr als 38.000 Abschlüssen seit seiner Gründung per Ende 2014 – gegenüber den beiden anderen Abschlüssen – am häufigsten nachgefragt (Eckhardt-Steffen: 2015). Im Rahmen des Baukastensystems bildet das SVEB-Zertifikat gleichzeitig das erste Modul für die 2. Stufe – den Eidgenössischen Fachausweis AusbilderIn. Dieser 2000 eingeführte und 2015 revidierte Abschluss, der insgesamt fünf Module umfasst, richtet sich auf die Qualifizierung vor allem hauptberuflich Tätiger in der EB/WB sowie der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Im Unterschied zur Grundqualifikation des SVEB-Zertifikats zielt der Abschluss des Eidgenössischen Fachausweises auf ein stärker autonomes Wirken im Berufsfeld ab. Der gesetzlich geschützte Titel wurde bisher mehr als 9300 Mal vergeben (ebd.). Stufe 3 bietet schließlich Führungskräften der EB/WB sowie der inner- und außerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung die Möglichkeit, ihre Kompetenzen im Bereich Planung, Konzeption, Entwicklung und Evaluation anspruchsvoller Bildungsangebote und -programme sowie Personalführung, Marketing und Akquise zu erweitern. Das jüngste Qualifizierungsangebot – es wurde 2010 ins Leben gerufen – schließt mit dem Eidgenössischen Diplom zum/zur AusbildungsleiterIn ab. Als Voraussetzung für eine Zulassung zu dieser Höheren Fachprüfung (HFP) gilt der Eidgenössische Fachausweis AusbilderIn (Stufe 2) oder ein Eidgenössisches Diplom BetriebsausbilderIn oder das Diplom ErwachsenenbilderIn sowie der Besuch weiterer sechs Module. Nach dem Verfassen einer Diplomarbeit und dem erfolgreichen Absolvieren der gesamtschweizerisch durchgeführten, eintägigen mündlichen Prüfung wird der Titel AusbildungsleiterIn mit Eidgenössischem Diplom verliehen. Mit Stand 31. Dezember 2014 wurden 83 Diplome vergeben (ebd.). Darüber hinaus werden einzelne Module des AdA-Baukastens auch von anderen Berufsgruppen – bspw. der Pflege, Polizei und Elternbildung – genutzt, womit ein Synergieeffekt entsteht, der auch auf eine Durchlässigkeit des Systems abzielt.

Außerhalb des Baukastensystems gibt es weitere Professionalisierungsangebote – bspw. in der Deutschschweiz auf Stufe 3 ein Diplom für ErwachsenenbildnerInnen an Höheren Fachschulen (HF), einen Studiengang Master of Arts (MA) in Educational Sciences mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung in Kooperation der Pädagogischen Hochschule FHNW und der Universität Basel sowie in der Suisse Romande an der Universität Genf zwei verschiedene Abschlüsse in Erwachsenenbildung.

2. Ablauf

Wie die folgende Abbildung zeigt, stellt sich der Ablauf des Anerkennungs- und Zertifizierungsverfahrens im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung wie folgt dar:

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Abb. 2
Gleichwertigkeitsbeurteilung im AdA-Baukastensystem. (Quelle: Eckhardt-Steffen 2011)

Dem ersten Schritt, der Kompetenzbilanzierung, liegt das Erstellen einer Selbstbeurteilung der bzw. des Antragstellenden zu Grunde. Diese umfasst ein sogenanntes „Dossier“, wo entlang der aktuellen Kompetenzprofile der einzelnen Module im Rahmen des AdA-Baukastensystems die bereits erworbenen erwachsenenpädagogischen Kompetenzen und Ressourcen dokumentiert und dargelegt werden müssen – und zwar wo und wie diese erworben, wie diese in der Praxis umgesetzt und welche Erfolge damit erzielt wurden. Diverse Unterlagen auf der Homepage des SVEB sowie persönliche Beratung per Telefon und E-Mail begleiten diesen Prozess. Das Dossier, ergänzt durch diverse Nachweisdokumente, wie Diplome, Arbeitszeugnisse, Kursbestätigungen und -evaluationen sowie geleistete Praxisstunden, wird bei der AdA-Geschäftsstelle des SVEB eingereicht. Dort werden über ein mehrstufiges Verfahren, an dem unabhängige Expertinnen und Experten sowie Validierungspersonen beteiligt sind, die Nachweise auf ihre Glaubwürdigkeit und Plausibilität überprüft. Wurden alle Vorgaben erfüllt, erfolgt die Modulzertifizierung. Ist dies nicht der Fall, muss das Modul absolviert werden. Prinzipiell können für alle Module des AdA-Baukastensystems Gleichwertigkeitsbeurteilungen – einzeln oder zusammen – beantragt werden. Wie eine 2013 durchgeführte Analyse der eingereichten Lebenslaufdokumente zeigt, entfallen drei Viertel der Anträge auf Gleichwertigkeitsbeurteilung auf das Modul 1 (SVEB-Zertifikat) (Kraus et al.: 2013, S. 10). Getragen und verantwortet wird das AdA-Baukastensystem neben dem SVEB von zwei weiteren Dachverbänden der Weiterbildung; gemeinsam sind diese Akteure für die strategische Ausrichtung und die Revision der Kompetenzprofile zuständig. //

Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Verlages entnommen aus: Tippelt, Rudolf & von Hippel, Aiga (Hrsg.) (2017): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Wiesbaden: Springer, und leicht gekürzt.

Literatur

Alice Adult Learning Information Center. (o. J.): Kompakt und aktuell – der Ada-Bereich.

Eckhardt-Steffen, Ruth (2015): Die Abschlüsse im Ada-Baukasten. Präsentationsunterlagen, persönlich zur Verfügung gestellt.

Eckhardt-Steffen, Ruth (2011): Gleichwertigkeitsbeurteilung im Ada-Baukastensystem. 10 Jahre Erfahrung. Verfügbar unter: https://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0ahUKEwj1h8u01KXZAhUBJ1AKHRoMAzYQFggnMAA&url=https://www.sbfi.admin.ch/dam/sbfi/de/dokumente/gleichwertigkeitsbeurteilungimada-baukastensystem-10jahreerfahru.pdf [05.02.2018]

Kraus, Katrin, Schmid, Martin & Thyroff, Julia (2013): Validierung als Weg in die Erwachsenenbildung. Eine empirische Analyse von Lebenslaufdokumenten. Forschungsbericht. 1. Aufl. Basel: Eigenpublikation

Marty, Res (2009): Das Schweizerische Baukastenmodell – eine bildungspolitische und pädagogische Herausforderung. In Matthias Pilz (Hrsg.), Modularisierungsansätze in der Berufsbildung. Deutschland, Österreich, Schweiz sowie Großbritannien im Vergleich (S. 95–111). Bielefeld: Bertelsmann.

Schläffli, André, & Sgier, Irena (2008): Porträt Weiterbildung Schweiz (2. Vollständig überarbeitete Aufl.). Bielefeld: Bertelsmann.

SVEB/FSEA Jahresbericht/Rapport annuel/Rapporto annuale 2014.

Gruber, Elke (2017): Länderbeispiel Schweiz: Modulares Baukastensystem „Ausbildung der Ausbildenden“ (AdA). In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2017/18, Heft 263/68. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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