Wissenschaft für alle zugänglich zu machen und an wissenschaftlichen Erkenntnissen partizipieren zu können, gehört zu den Gründungsmotiven der Wiener Volksbildung. Mit progressiven Ideen, zukunftsweisenden Projekten und entschlossenen KooperationspartnerInnen nehmen die Wiener Volkshochschulen bis heute einen festen Platz bezüglich innovativer Wissenschaftsvermittlung in der Geschichte der Stadt ein.
Von Beginn an: Erkenntnis erweitern
Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandene moderne Volksbildung war in Wien stark wissenschaftszentriert. Als Vorbild fungierten die an der Universität Cambridge 1873 eingerichteten volkstümlichen Vortragskurse für die breite Bevölkerung. Die Ausdehnung des universitären Unterrichts – die „University Extension“ – wurde in England mit Begeisterung angenommen und half, die gesellschaftliche Rolle und Bedeutung universitärer Forschung zu festigen. Anfang der 1890er-Jahre breitete sich die Idee der University Extension nicht nur in Europa, sondern ebenso in Amerika, Kanada, Australien und Russland aus.
Auch die frühen Wiener Volksbildungsvereine suchten im Rahmen von volkstümlichen Universitätskursen Formen der Zusammenarbeit mit der Universität. Die Einrichtung der Universitätsausdehnung 1895 an der Universität Wien führte bald zur Akademisierung der Volksbildungsarbeit. WissenschafterInnen wie Albert Einstein, Ludwig Boltzmann, Ludo Moritz Hartmann, Alfred Adler oder Maria Jahoda fanden in den Volkshochschulen jene Orte, an denen sie ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse popularisieren konnten.
So entwickelte sich in unterschiedlicher Ausprägung das Prinzip Wissenschaft bzw. Wissenschaftlichkeit zu einem Leitmotiv der Wiener Volksbildungsarbeit. Oft fanden neue wissenschaftliche Methoden und Theorien, die an den Universitäten (noch) nicht gelehrt werden sollten, vorab Eingang im Programm der Wiener Volkshochschulen.
Die bedeutendste historische Wirkung in der Frühphase der wissenschaftszentrierten Volksbildung in Wien hatte die Gründung der ersten „Volksuniversität“ am 24. Februar 1901, des „Volksheims Ottakring“. Die Verwendung des Namens Volkshochschule wurde von der Statthalterei untersagt und konnte erst auf Boden der Ersten Republik offiziell verwendet werden.
University Meets Public – eine Tradition schreibt sich weiter
Im Herbst 1998 wurde auf Initiative des heutigen Bürgermeisters Dr. Michael Ludwig die lange Tradition der Zusammenarbeit zwischen den Volkshochschulen und der Universität Wien durch das neue Projekt „University Meets Public“ (UMP) wiederbelebt.
Am 26. November 1998 besiegelten der damalige Rektor der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Greisenegger, und der vormalige Vorsitzende des Verbandes Wiener Volksbildung (VWV), Dr. Michael Ludwig, die neue Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen. Der Kooperationsvertrag wurde 1999 unterzeichnet und dadurch festgelegt, dass Universitätslehrende an Wiener Volkshochschulen im Rahmen eines eigenständigen Angebots Vorträge oder Vortragsreihen zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Themen gestalten.
Folgende Punkte wurden als zentrale Ziele festgelegt:
„Die beiden Bildungseinrichtungen durch Vernetzung durchlässiger zu gestalten; Die Popularisierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu fördern; Eine neue qualitative Initiative im Bereich der Erwachsenenbildung zu setzen; Das Problem der schlecht informierten StudienanfängerInnen durch die Nutzung von Synergieeffekten zu minimieren; Durch die Planung und Durchführung gemeinsamer kultureller Projekte eine neue Dimension der Berufsfortbildung auf dem Kunst- und Kultursektor zu schaffen.“ (Brugger: 2003, 2 f.).
Viele später erfolgreiche WissenschafterInnen konnten ihre Arbeiten vorstellen und Erfahrungen sammeln. Auch Werner Gruber, Direktor der astronomischen Einrichtungen der Wiener Volkshochschulen – Planetarium Wien, Kuffner Sternwarte sowie Urania Sternwarte – startete im Rahmen von University Meets Public seine Karriere als Volksbildner.
Bildungsinteressierte WienerInnen konnten sich niederschwellig über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse informieren. Das Leistungsspektrum der Universitäten konnte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – die Wiener Volkshochschulen festigten ihre Position als zentrale Orte der Wissensvermittlung. University Meets Public konnte sich als ein wichtiger Beitrag zum „lebensbegleitenden Lernen“ etablieren. Neben der Universität Wien beteiligten sich in der Folge auch die Universität für Bodenkultur, die Technische Universität Wien und die Medizinische Universität Wien als Partneruniversitäten am Kooperationsprojekt University Meets Public.
Aus University Meets Public wird „VHS-Science“
Im Herbstsemester 2012/13 wurde University Meets Public zum Kernstück des neuen Schwerpunkts „Science“ der Wiener Volkshochschulen: WissenschafterInnen vieler weiterer Universitäten und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen kamen und kommen laufend als KooperationspartnerInnen hinzu.
Jedes Semester werden im Rahmen von „VHS Science“ rund 300 Vorträge aus der Welt der Wissenschaft präsentiert. Neben aufstrebenden WissenschafterInnen zeigen renommierte, international anerkannte ForscherInnen neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse. Von Medizin und Naturwissenschaft bis zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzungen gibt es im Science-Programm die Möglichkeit, die Vielfältigkeit wissenschaftlicher Debatten kennenzulernen, ohne dafür Vorkenntnisse zu benötigen. Schließlich ist Wissenschaft für alle da!
science@home
Der durch die Corona-Krise ausgelöste Digitalisierungsschub machte auch vor dem Science-Programm nicht Halt und schlug sich im Angebot „science@home“ nieder. Zahlreiche Vorträge wurden und werden als virtuelle Veranstaltungen – als „Science-Webinare“ – angeboten. In den Webinaren kann nun auch von zu Hause aus an wissenschaftlicher Weiterbildung teilgenommen und im Chat mit WissenschafterInnen diskutiert werden.
Erfolgserlebnis Science-Webinare
Dass dies nicht nur zur intellektuellen, sondern auch zur persönlichen Weiterentwicklung im Sinne der Grundsätze der Wiener Volksbildung beiträgt, bestätigt sich etwa im eingesendeten Erfolgserlebnis der Teilnehmerin Birgit: „Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, um endlich einmal einen großen Dank an die Einrichtung der VHS und alle ihre MitarbeiterInnen und Vortragenden ausdrücken zu können.
Ich bin schon 75 und dank der vielfältigen, so interessanten Science-Vorträge über aktuelle Themen aus der heutigen Zeit, viel besser informiert als durch das bloße Zeitungslesen oder gar Fernsehen. Wie oft passiert es mir, dass ich nach einem Webinar bemerke, dass sich in meiner Sicht der Dinge eine kleine Korrektur ereignet hat. Und nicht selten ist das neue Wissen imstande, so manche vielleicht eher ängstliche Haltung zu korrigieren, ja zu entkräften.
Ich habe wirklich Freude an dem Science-Programm, es bereichert mein Leben ungemein. Ich mache auch immer Werbung für die Vorträge der VHS bei allen meinen Bekannten.
Wenn alle PensionistInnen mit dem Eintritt in die Pension verpflichtet würden, im Jahr einige Veranstaltungen der VHS regelmäßig zu besuchen und etwas zu lernen, würde, glaube ich, sogar die Altersdepression abnehmen – das ist so eine leise Lieblingsidee von mir.“1
Junge Wissenschaft | Chancen ergreifen
Die aktuelle Reihe „Junge Wissenschaft“ greift den Grundsatz „Wissenschaft für alle ermöglichen“ auf und bietet im Science-Programm der Wiener Volkshochschulen WissenschaftlerInnen, die noch am Beginn ihrer Karriere stehen, die Chance, ihre Forschungsergebnisse einem breiten Publikum zu präsentieren. Der Wiener Bevölkerung erhält im Gegenzug Einblick in die junge österreichische Forschungslandschaft.
Wie weiter? VHS-Science-Reihe: Digitaler Humanismus
Immer mit einem kleinen Vorsprung zum Puls der Zeit kann sich auch das aktuelle Science-Programm sehen lassen. Mittlerweile ist fast die gesamte Bandbreite der wissenschaftlichen Bereiche mit spannenden Vorträgen und innovativen Workshops abgedeckt: Astronomie, Biologie, Mathematik, Meteorologie, Physik, Umweltwissenschaften, Ernährungswissenschaften, Humanmedizin, Neurowissenschaften, Technologie, Geschichte, Kunst, Musikwissenschaften, Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie, Sprach- und Wirtschaftswissenschaften.
Mit der „Science Card“ – der Weiterentwicklung der früheren UMP-Card (University-Meets-Public-Card) – kann zum Unkostenbeitrag von 29 Euro ein ganzes Semester an allen Wissenschaftsvorträgen des Science-Programms teilgenommen werden. Ausgewählte zusätzliche Workshops, Kurse und Sonderformate können zum halben bzw. ermäßigten Preis besucht werden.
Eine aktuelle VHS-Science-Reihe beschäftigt sich mit der Frage, was Künstliche Intelligenz (KI) alles darf. Der Ansatz des digitalen Humanismus möchte den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen: Nicht die Technologien entscheiden darüber, ob wir human leben oder nicht, sondern wie wir diese neuen Technologien einsetzen. Ein zentraler Baustein für einen digitalen Humanismus ist die Zusammenarbeit der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften mit den Computerwissenschaften.
Die Zukunft der Wissenschaftsvermittlung und Erkenntnisgewinnung an den Wiener Volkshochschulen ist noch nicht geschrieben und wir freuen uns, neue und progressive Wege zu beschreiten und innovativen Entwicklungen Raum zu geben. //
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