Eine erfolgreiche Kooperation: Die 31. Konferenz zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung

Nachdem die 30. Konferenz zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung im November 2012 in Wien stattgefunden hatte, folgte nun – endlich – vom 23. bis 25. Mai 2016 in Bonn die Fortführung einer 1981 begonnenen Tagungsreihe. Damals fand in Innsbruck ein Treffen ehemaliger Mitarbeiter der deutschen, österreichischen und schweizerischen Volkshochschulverbände statt, in dessen Folge bis zum Jahr 2000 jedes Jahr eine Konferenz organisiert werden konnte. Die Energie für diese beachtliche Leistung speiste sich sehr lang aus dem Willen eines Kreises von Männern und Frauen, die maßgeblich und an führenden Stellen zur Wieder- bzw. Neugründung der Volkshochschulen und ihrer Verbände nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen hatten. Sie wollten, dass ihre Erfahrungen und Erinnerungen nicht verloren gehen sollten. Nun bedurfte es einer neuen Grundlage, um diese stolze Tradition fortführen zu können. Geschaffen wurde sie mit einer Kooperation zwischen dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und dem Österreichischen Volkshochschularchiv (ÖVA).

In seiner Eröffnungsrede betonte Peter Brandt vom DIE die Bedeutung der neuen Kooperation mit dem Österreichischen Volkshochschularchiv für die Fortführung dieser für das Selbstverständnis der Erwachsenenbildung wichtigen Konferenz. Die Begrüßung erfolgte durch den Leiter und wissenschaftlichen Direktor des DIE, Josef Schrader.

Den kulturhistorisch weitausholenden Eröffnungsvortrag hielt Univ.-Prof. Horst Siebert zu „Geschichte und Wandel der kulturellen Bedeutung von ZeitzeugInnenschaft in der Erwachsenenbildung“.

Die nachfolgenden Referate lieferten Beiträge zum Generalthema der Konferenz „Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein in der Erwachsenenbildung. Eine kritische Standortbestimmung“. Seitens des DIE steuerte Klaus Heuer ein Referat bei, in dem er über Beispiele, Befunde und Perspektiven von Forschungen über die Geschichte der Erwachsenenbildung in anderen Disziplinen als der Geschichtswissenschaft sprach.

Wie es damit in diesem Fach bestellt ist, stand im Zentrum der Ausführungen von Christian H. Stifter, dem Direktor des ÖVA. Er ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob zwischen Erwachsenenbildung und historischer Fachwissenschaft von einem ungeklärten Verhältnis gesprochen werden müsse. Sein Befund fiel überaus kritisch aus: Einleitend konstatierte er eine eklatante Diskrepanz zwischen dem Boom historischer Themen und deren fast völligem Fehlen im Veranstaltungsangebot der Volkshochschulen; sodann legte er dar, dass die Geschichte der Erwachsenenbildung in einschlägigen historiographischen Publikationen – von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen – schlicht nicht vorkomme; und schließlich stellte er fest, dass seitens der Erwachsenenbildung die fachwissenschaftlichen Erfordernisse verfehlt würden. Positiv gewendet ergeben sich aus dem Fazit, es müsse von einem Nicht-Verhältnis gesprochen werden, vielfältige Aufgaben für die weitere Arbeit an einer den Standards den historischen Fachwissenschaften genügenden Geschichtsschreibung der Erwachsenenbildung.

Der Autor dieses Beitrags gab einen knappen Abriss der ersten 30 Konferenzen. Die Daten zu den ersten 30 Konferenzen sind enthalten in einem vom Österreichischen Volkshochschularchiv herausgegebenen Dokumentationsband.1 Dieser Band wurde für die 31. Konferenz erstellt und enthält alle Angaben zu den Terminen, Tagungsorten, Themen, Referaten und TeilnehmerInnen.

Das dritte Kapitel dieser Publikation beinhaltet ein Verzeichnis der Referentinnen und Referenten samt einer Auflistung aller Themen, über die sie gesprochen haben. Blättert man diese Seiten durch, fällt sofort auf, dass ein Referent die weitaus größte Zahl an Vorträgen beigesteuert hat – es handelt sich um Wilhelm Filla, der, seit er 1984 Generalsekretär des VÖV wurde, sich bei den ersten 30 Konferenzen mit nicht weniger als 20 Referaten eingestellt hat. Umso schmerzlicher ist es, festhalten zu müssen, dass seinem Beitrag in Bonn keine weiteren folgen werden. Denn Willi Filla (wie er zumeist genannt wurde) verstarb plötzlich und völlig unerwartet einen Monat später. Sein Tod ist auch für diese Konferenz ein schwerer unersetzlicher Verlust. Seinen Ausführungen zu „Forschung über die Geschichte der Erwachsenenbildung – Engführungen und Desiderata“ kommt somit der Status eines Vermächtnisses an die weiteren Arbeiten zu, insbesondere was er über bisherige „Weiße Flecken“, das geringe methodische Reflexionsniveau sowie theoretische Defizite gesagt hat.

Willi Filla beteiligte sich bei dieser Konferenz auch an einer der hier erstmals versuchten Neuerungen, nämlich gemeinsam mit Dorothea Braun-Ribbat und Anne-Christel Recknagel an einem Zeitzeugengespräch, das Bernhard Schoßig und Paul Ciupke moderierten. Eine weitere Neuerung waren sieben Kurzberichte über laufende Forschungen unter dem Titel „Gelebtes Geschichtsbewusstsein – Fallbeispiele aus der Erwachsenenbildungspraxis“. In diesem Rahmen sprach Günter Blümel über seine fortlaufenden Forschungen zu seiner Publikation über die VHS Göttingen, Fried Peter Bourseaux berichtete über den langen kooperativen Prozess einer weitreichenden Strukturreform an der von ihm über viele Jahre geleiteten VHS Leinfelden-Echterdingen. Paul Ciupke präsentierte und analysierte Gästebücher aus der Weimarer Zeit als Beispiele historischer Quellen zur Geschichte der Erwachsenenbildung. Barbara Degen sprach über das heikle und bislang im Kontext von Erwachsenenbildung völlig ignorierte Thema (politischer) Berufsverbote. Georg Fischer thematisierte Adolf Reichweins ambivalente Tätigkeit in „Erziehungsgemeinschaften“ während des Nationalsozialismus, und konzentriert sich dabei auf das Jahr 1941. Heribert Hinzen sprach über die an Sisyphos gemahnenden Anstrengungen im Rahmen des von ihm lange Zeit geleiteten Instituts für Internationale Zusammenarbeit des DVV. Mit einer Skizze des von ihm gerade erst in Angriff genommenen Forschungsvorhabens über die VHS München in der Zeit von 1918/19 bis 1935 schloss Bernhard Schoßig diesen Programmpunkt ab.

Die dritte Neuerung dieser Tagung war die Präsentation akademischer Abschlussarbeiten und Fachbeiträge. In ihrer in Fertigstellung begriffenen Dissertation behandelt Susanne Barth eine nahezu unbekannte Frühform der Volksbildung: den Wanderlehrer. Karin Gugitscher untersuchte die Bildungs- und Berufsberatung in Österreich während der Ersten Republik. Anschließend stelle Annika Lehmann ihr Forschungsprojekt über Wandlungen des Professionalitätsbegriffs seit den 1970er-Jahren vor. Über die schwierige Quellenlage zur Erwachsenenbildung in der DDR berichtete Tobias Lemke und Cornelia Maier-Gutheil über das gemeinsam mit Dieter Nittel betriebene Projekt „100 Lebensgeschichten – eine Geschichte?“, womit dem kulturellen Gedächtnis der hessischen Erwachsenenbildung nachgespürt wird.

Die große Zahl dieser Kurzbeiträge ließ zu wenig Zeit für Nachfragen und Diskussionen, dennoch erwiesen sich diese Neuerungen als sehr bereichernd, gaben sie doch Einblick in die Vielfalt laufender oder vor kurzem abgeschlossener Forschungsarbeiten zur Geschichte der Erwachsenenbildung.

2018 soll die nächste, dann schon die 32. Konferenz zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung in Wien stattfinden. Besonders erfreulich ist, was Urs Hochstrasser in einer Videobotschaft in Aussicht gestellt hat: künftig wolle sich auch der Schweizerische Volkshochschulverband wieder an den Konferenzen beteiligen. //

1   Ganglbauer, Stephan & Stifter, Christian H. (Hrsg.) (2016): Ohne Quellen keine Geschichte. Dokumentation der bisherigen 30 Konferenzen des Internationalen Arbeitskreises zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung, 1981–2012. Wien: Eigenverlag (Materialien zur Geschichte der Volkshochschulen, Heft 7, hrsg. v. Österreichisches Volkshochschularchiv).

Ganglbauer, Stephan (2016): Eine erfolgreiche Kooperation: Die 31. Konferenz zur Aufarbeitung historischer Quellen der Erwachsenenbildung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. November 2016, Heft 259/67. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

Zurück nach oben