Whanaungatanga? Gemeinsamkeit! Havora? Wohlbefinden! Hewaka he noa? Wir stehen das gemeinsam durch!
Dieses Vokabular aus der Sprache der Maori bringt uns der pädagogische Reisebericht nach Neuseeland in freundlicher Weise näher. Ebenso wie das Wirken der Bildungsreformerin Sylvia Ashton-Warner (1908–1984) oder die gelungene neuseeländische Schulreform, die individuelles Lernen ermöglicht. Positiv fasziniert schildert die Autorin, gelernte Psychologin und preisgekrönte Journalistin, ihre exemplarischen Erfahrungen mit dem neuseeländischen Schulwesen und betont wiederholt: Auf die einzelnen Lehrenden kommt es an!
Die Autorin berichtet hauptsächlich über die Grundschule, die ihre zwei Töchter während des sechsmonatigen Aufenthaltes besuchten. Doch sie gibt ebenso Einblick in pädagogische Grundhaltungen und Überzeugungen, die bei unseren geografischen Antipoden das Geschick der Bildung bestimmen.
Warum das Buch für den Sektor Fortbildung und lebensbegleitende Bildung von Interesse ist? Schule und Erwachsenenbildung stehen in engem Zusammenhang, denn intellektuelle und emotionale Haltungen Erwachsener werden durch schulische Erfahrungen hinsichtlich der weiteren Bildungsaspirationen nicht unwesentlich beeinflusst.
Für die Kinder der etwa fünf Millionen großen Bevölkerung, in die die zirka 14 Prozent Urbevölkerung der Maori offensichtlich gut integriert ist, wurde ein Schulsystem geschaffen, das niemanden zurücklassen will, Konkurrenz vermeidet und Wert darauf legt, nicht andere, sondern sich selbst zu übertreffen. Kinder sollen nicht herabgesetzt und gedemütigt werden, sondern motiviert und ermutigt.
Hasel beschreibt den neuseeländischen pädagogischen Stil anhand einiger Prinzipien, die erfolgreiche Lehrende beachten sollen:
– die Fähigkeit von Kindern fördern sich selbst zu regulieren;
– klare Lernziele vorstellen, aber die Wege dahin offenlassen;
– Kriterien festlegen, anhand derer die Kinder beurteilen können, ob sie ihre Ziele erreichen;
– wissen, was bei Misserfolg zu tun ist.
Grundsätzlich herrscht an Neuseelands Schulen eine positive Einstellung gegenüber Fehlern. Sie helfen dem Gehirn zu wachsen – niemand kann alles, jede/r kann etwas. Erkennbar wird, was Schulen leisten sollten, um Kinder mit einem Lernverhalten auszustatten, auf das sie auch als Erwachsene vertrauen können.
Hasel schildert einfühlsam den pädagogischen Alltag in Schulen, an dem sie mit ihren Kindern teilnahm oder den sie beim Besuch anderer Schulen erlebte. Sie bemerkt die klaren Vorgaben durch die Lehrenden und die Offenheit, die Kindern bei den Wegen und Umwegen gelassen wird. Problemorientiert, lösungsorientiert, direkt unterstützend nennt sie die Qualitäten der Lehrenden. Auf jede/n einzelne/n Lehrende/n kommt es an. Ausführlich schildert die Autorin das Verhalten der Lehrenden. Team-Teaching ist Normalität. Bei Bedarf wird Kindern eine zusätzliche Lehrkraft – im Rahmen der schulischen Selbstverwaltung – ohne bürokratischen Aufwand bereitgestellt. Für ihr Ziel bei den SchülerInnen geistige Beweglichkeit gepaart mit Respekt, Empathie, Selbstbewusstsein anzuregen, brauchen die LehrerInnen ein sicheres „Standing“. Sie sind die Regisseure des Unterrichts, sie sind Vorbilder, die auch nicht alles richtigmachen, aber zu den eigenen Schwächen stehen, sie vernetzen sich und tauschen sich aus. Den Diskurs bestimmen Utopien nicht Ängste wie in Deutschland (Österreich?), meint die Autorin.
Aber zu erkennen ist auch die Bedeutung von Organisation: die Verbindung zu WissenschafterInnen, die zu den Kindern in den Klassenraum kommen, der Kontakt mit der Schulverwaltung, der nicht über mühsame Bürokratie, sondern im direkten Austausch erfolgt.
„Train the Trainer“ geschieht vor Ort – alle LehrerInnen sollen den Wandel verstehen, auch wenn Reformen dann langsamer vor sich gehen: Bildungsreform als Marathon. Zum Beispiel heißt der Unterricht in Mathematik: „Problem Solving“. Kinder, die ungern lesen, gibt es nicht. Es gibt nur Kinder, die noch nicht das richtige Buch gefunden haben.
Im Rahmen der Schulreform entwickelten sich ein Selbstverständnis und eine pädagogische Organisationsform, in der LehrerInnen wissen wollen, wie es ihren Schüler/innen geht. Als Leitbild gilt: Gewaltige gesellschaftliche Veränderungen stehen bevor – Schule soll ein Ort sein, wo gelernt wird diesen optimistisch gegenüber zu treten.
Selbstverständlich kommt auch der Schulleitung große Bedeutung zu: Der Direktor tanzt nicht immer, er begrüßt auch täglich die SchülerInnen, er singt mit der Schulinspektorin, er vermittelt, er … aber vielleicht wollen Sie das selbst lesen?
Hasel beschreibt eine Bildungslandschaft, die am anderen Ende der Welt kultiviert wird. Der Hauch des pädagogischen Windes, der von den neuseeländischen Inseln herüberweht, scheint beeinflusst von Maria Montessoris „vorbereiteter Umgebung“ bis zu Paulo Freires „politisierender Alphabetisierung“.
Das publizierte Lesevergnügen lässt fragen, ob das „pädagogisch Gute“ nicht auch hierzulande sehr naheliegt, und ob es vielleicht gar nicht so schwer ist, sinnvolle Änderungen durchzuführen, um selbstbestimmte Bildung in jedem Lebensalter zu ermöglichen. //
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