Bildung löst keine gesellschaftlichen Probleme – Bildung ist ein eigenständiges Problemfeld. Davon ist El-Mafaalani überzeugt. Dem vielstimmigen Bildungsbegriff nähert sich der Autor mit drei Sichtweisen:
– als Humankapital wirtschaftlich und gesellschaftlich verwertbarer Fähigkeiten;
– als Persönlichkeitsbildung, um seiner selbst und der Welt bewusst zu werden;
– als Habitus zur milieu- und klassenspezifischen Entwicklung von Kompetenzen und der Persönlichkeit.
Mit „Mythos Bildung“ will der Autor zeigen, wie man die Chancen auf Teilhabe von Kindern aus benachteiligten Milieus verbessern kann und dem Ziel näher kommt, zur Bildung von mehr Menschen beizutragen, die „sich einmischen“ wollen. Seine eigene Expertise dafür begründet der Autor mit diversen Erfahrungen mit dem sowie mit seinen Einblicken in das Bildungssystem, die er gewonnen hat: als Schüler und Student, als Berufs- und Hochschullehrer, als Ministerialbeamter und Bildungsforscher sowie last but not least als Vater.
Im Hinblick auf Bildungsreformen und Bildungspolitik hält der Autor ein Umdenken, einen Perspektivenwechsel für notwendig. Es sei zwar in den letzten Jahren sehr viel geschehen und viele Veränderungen seien durchgeführt worden, doch es war immer nur „ein Mehr des Gleichen“ – bezüglich Ungleichheit wurde kaum eine Verbesserung erreicht. Vor dieser Aufgabe steht nach Meinung des Autors „das Bildungssystem“– genau genommen ist damit in dieser Publikation immer nur „das Schulsystem“ gemeint: soziale Ungleichheiten bekämpfen und die SchülerInnen auf künftige Herausforderungen vorbereiten.
Das Buch geht diesen Anliegen in verschiedenen thematischen Schwerpunkten nach: Erörterung von Bildungskonzepten mit den jeweiligen Konsequenzen für Ungleichheit; Zusammenhänge, Effekte und Entstehung ungleicher Bildungschancen; paradoxe Folgen der Bildungsexpansion; Bedeutung des Aufwachsens in Armut für Kinder; Belastung von Lehrpersonen; Vorschläge für Veränderungen wie z. B. die Einführung von multiprofessionellen Teams oder der Ausbau zu Ganztagsschulen.
Wie schon gesagt, reduziert der Autor in seinem Buch das Bildungssystem auf das Thema Schule. Für den Bereich Erwachsenenbildung – für den die Schule mit ihren bedeutsamen Lernerfahrungen sicherlich einen Schlüssel für weitere Bildungsbereitschaft darstellt – liegen im Text kaum Hinweise auf weiterführendes Lernen oder lebensbegleitende Bildung vor. Die Anliegen des Autors sind verständlich formuliert und nachvollziehbar argumentiert. Manchmal werden allerdings Komplexität und Problematik von Themen oder übergreifende Zusammenhänge allzu sehr vereinfacht. Es ergibt sich dann der Eindruck, Sachverhalte werden einem Stil analog zu „Nachrichten in einfacher Sprache“ geopfert.
Für LeserInnen, die Bezüge zur deutschen Schul- und Bildungsreform suchen, ist das Buch sicherlich von Interesse. //
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