Ein Blick in die jährliche Statistik der österreichischen Volkshochschulen zeigt, dass Volkshochschulen österreichweit besonders stark bei Sprachen, Gesundheit und Bewegung sowie bei Kreativität und Kunst vertreten sind. Ebenso sind Volkshochschulen dafür bekannt, im Zweiten Bildungsweg, also bei Berufsreifeprüfung, Studienberechtigungsprüfung und Lehre mit Matura, prominent im Rahmen der Erwachsenenbildung vertreten zu sein. Auch im Hinblick auf Bildungsangebote zum Nachholen von Schulabschlüssen, insbesondere im Rahmen der Initiative Erwachsenenbildung (IEB) mit den Angeboten zum erwachsenengerechten Pflichtschulabschluss (ePSA) sind Volkshochschulen mit ihren Angeboten ganz vorne dabei und werden damit ihrem Anspruch, Bildung für alle zu bieten, gerecht.
Doch dies ist bei weitem nicht alles. Seit über 25 Jahren führen die Wiener Volkshochschulen Aus- und Weiterbildungen für (angehende) Beschäftigte in pädagogischen Berufen durch, 1999 wurde dafür eine eigene spezialisierte Einrichtung geschaffen – das Institut für Kindergarten- und Hortpädagogik (IKH). Das IKH ist heute ein von den Wiener Magistratsabteilungen 10 und 11 (MA 10/MA 12) anerkanntes Aus- und Weiterbildungsinstitut, es wächst stetig und ist mittlerweile eine der größten trägerübergreifenden Einrichtungen dieser Art in Österreich. Für 2023 ist geplant, dass die Berufsausbildung für Kindergruppenbetreuer*innen sowie Tagesmütter/-väter sowohl in Wien als auch in Niederösterreich anerkannt wird. Ebenso kann am IKH beispielsweise der Managementlehrgang für Kindergartenleiter*innen und der Ausbildungslehrgang für Kindergartenassistent*innen absolviert werden. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf einem alle wichtigen Bereiche der pädagogischen Arbeit umfassenden Weiterbildungsprogramm für Pädagog*innen und Kindergruppenbetreuer*innen. Diese werden sehr gerne besucht, auch um der gesetzlichen Weiterbildungsverpflichtung nachzukommen. Alle aktuellen Aus- und Weiterbildungen finden sich online unter www.vhs.at/ikh.
Eine weitere wesentliche Angebotsschiene des Instituts für Kindergarten und Hortpädagogik der Wiener Volkshochschulen ist die Durchführung von Schulungen, die von kleineren privaten Betreuungseinrichtungen für ihre gesamten Teams gewünscht werden. Dies findet einerseits im Rahmen von „IKH on tour“ statt, wo spezifische Weiterbildungen entsprechend den Anforderungen der Beschäftigten am jeweiligen Standort durchgeführt werden können und andererseits durch Aufträge großer Trägereinrichtungen, sowie Abteilungen der Stadt Wien, die im elementarpädagogischen Feld tätig sind, aber auch Einrichtungen aus dem schulischen bzw. schulnahen Kontext. So wurde das IKH beispielsweise seitens der Stadt Wien mit der Konzeptionierung und Durchführung eines Ausbildungslehrgangs für Assistenzpädagog*innen beauftragt. Auf weitere Kooperationen zwischen den Wiener Volkshochschulen und der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik der Stadt Wien weist Christian Nowak in seinem Beitrag in dieser Ausgabe der ÖVH hin.
Genauso wie Volkshochschule „mehr“ ist, ist auch Schule „mehr“ als Unterricht, der von Lehrer*innen gestaltet wird. An mehr als 140 Ganztagsschulen in Wien wird die schulische Tagesbetreuung von Freizeitpädagog*innen durchgeführt. Trägerorganisation ist die „BiM – Bildung im Mittelpunkt GmbH, ein Unternehmen der Stadt Wien“. Das IKH wird seit über 15 Jahren von der BiM sowie von der Vorgängerorganisation, der „Wiener Kinder- und Jugendbetreuung“ mit der Durchführung von Aus- und Weiterbildungen beauftragt.
Aus- und Weiterbildung für Freizeitpädagog*innen im Rahmen der schulischen Tagesbetreuung
In der ersten Phase lag der Auftragsschwerpunkt v. a. in der Ausbildung von Freizeitpädagog*innen. Die modulare Ausbildung umfasste über 440 Unterrichtseinheiten und war ein abgestimmtes Konzept von Theorie und Praxis. Die inhaltlichen Schwerpunkte lagen auf den Bereichen Pädagogik, Didaktik, Gesundheit und Bewegung, kreatives Arbeiten mit Kindern sowie Selbstreflexion und der eigenen Persönlichkeitsentwicklung der angehenden Freizeitpädagog*innen. Ein zentrales Element war auch eine reflexive Praxisbegleitung durch Mentor*innen, die die Auszubildenden an den Praxisstandorten besuchten und für Reflexionsgespräche zur Verfügung standen.
Themen, die für die Gestaltung des Arbeitsalltags relevant waren und weiter vertieft werden sollten, wurden in Form von berufsbegleitenden Weiterbildungen aufbereitet. Mit der Etablierung eines Ausbildungslehrgangs für Freizeitpädagog*innen an der Pädagogischen Hochschule liefen die Berufsausbildungen über das IKH aus. In den darauffolgenden Jahren und bis heute liegt der Auftragsschwerpunkt bei der Konzeptionierung und Durchführung von Weiterbildungen für die Beschäftigten. Aufgrund des pädagogischen Grundverständnisses, auf dem die Aus- und Weiterbildungstätigkeit des IKH beruht, stehen neben der Vermittlung der jeweiligen fachlichen Kompetenzen insbesondere die Vermittlung eines Verständnisses von pädagogischer Haltung und einem Bild vom Kind im Zentrum, das von Respekt, Offenheit und Toleranz geprägt ist. Die Rechte des Kindes sind in diesem Verständnis Ausgangspunkt pädagogischen Handelns. Sowohl den Auftraggeber*innen als auch den Verantwortlichen des IKH ist es wichtig, die Weiterbildungen am Bedarf der Freizeitpädagog*innen auszurichten, der sich aufgrund der Anforderungen ihres Arbeitsalltags ergibt. Demzufolge spiegeln die Angebote der letzten Jahre viele Themen wider, die der berufliche Alltag mit sich bringt, aber auch solche, die aufgrund politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen an Bildungsorganisationen herangetragen werden und die das Involviertsein von Bildungseinrichtungen in das politische Geschehen deutlich machen. Zur Verdeutlichung was damit gemeint ist, kann beispielsweise die Weiterbildung mit dem Titel „Asyl ABC“ angeführt werden, die mehrmals aufgrund der Fluchtbewegungen nach 2015 durchgeführt wurden. In dieser Weiterbildung wurden Informationen zu Asyl, Asylverfahren und Bleibeaussichten gegeben, die Situation von Asylwerberfamilien und das Leben und Umfeld der Kinder in den Quartieren thematisiert und besonders auch auf die Bedürfnisse von Kindern mit Fluchterfahrung eingegangen. Die emotionale Bedeutung von Flucht, Migration und Neubeginn und die spezifische Rolle der Freizeitpädagogik standen dabei im Fokus. Zivilcourage und Kinderrechte waren weitere Themen von Bildungsveranstaltungen.
Andere Weiterbildungsthemen waren u. a. Fragen zu Arbeitsmedizin, zu Lärmprävention oder zu Fragen von Planung und Reflexion. Spezielle Schulungen wurden für die anspruchsvolle Tätigkeit von Springer*innen, also von Pädagog*innen, die an unterschiedlichen Standorten und in unterschiedlichen Gruppen eingesetzt werden, abgehalten. Einen wichtigen Bereich stellen auch Weiterbildungen zu Arbeitsgestaltung, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung von Freizeitpädagog*innen dar. Dazu zählen etwa Themen wie authentische Kommunikation, gewaltfreie Kommunikation, Raumgestaltung, Stress- und Zeitmanagement oder das Führen von Elterngesprächen.
In den letzten Jahren hat sich bei den Aufträgen an das IKH ein überaus interessanter Schwerpunkt zu sonderpädagogischem Förderbedarf herauskristallisiert. Was ist darunter zu verstehen? Schulungen zu Sonderpädagogik und Inklusion (SPI) sind vom Begriff her weit gefasst und umfassen Weiterbildungen zu unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten mit dem Fokus auf Fördermöglichkeiten in der Freizeitpädagogik. Diese lassen sich in vier Bereiche gliedern:
- Verhalten(-sauffälligkeiten),
- Beeinträchtigungen und Behinderungen,
- psychische Erkrankungen,
- Chronische Erkrankungen.
Im Rahmen des Bereichs verhaltenssensibler Themen wurden etwa Weiterbildungen zu ADHS oder zu Sensorischer Integration konzipiert und durchgeführt. Beeinträchtigungen und Behinderungen umfassen u.a. Trisomie, Autismus, Hör- und Sehbehinderung. Bei chronischen Erkrankungen wurden beispielsweise Diabetes und Epilepsie mit den Freizeitpädagog*innen bearbeitet.
Alle vier Bereiche umfasst der einsemestrige Lehrgang „Betreuung von Gruppen mit Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf“. Dieser SeF-Lehrgang bezieht sich in besonderer Weise auf das Abkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD) der Vereinten Nationen, das im Oktober 2008 von Österreich ratifiziert wurde sowie auf die Empfehlung der Expert*innen-Kommission des „IQS – Institut des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen“ im nationalen Bildungsbericht 2009: „In einer ‚Schule für alle‘ vom 6. bis zum 15. Lebensjahr sind tatsächlich alle in- und ausländischen Kinder aller Begabungen, mit und ohne Behinderung auf ein gemeinsames Leben in Pluralität und kultureller Vielfalt vorzubereiten. Dabei kann auf die Erfahrungen der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ebenso zurückgegriffen werden wie auf alle Versuche von inklusivem Unterricht in der Mittelstufe […]“. (IQS: 2009). Ein Auftrag, der auch für Freizeitpädagog*innen an Schulen gilt, diese verständlicherweise aber vor Herausforderungen im Betreuungsalltag stellt. Damit die Freizeitpädagog*innen bestmöglich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet werden, gab die BiM den oben genannten Lehrgang in Auftrag, den das Institut für Kindergarten – und Hortpädagogik mitentwickelt und bereits drei Mal durchgeführt hat. Der Lehrgang umfasst einen Theorie- und einen Praxisteil sowie eine abschließende Portfolioarbeit. Der Theorieteil greift die Themen der gesetzlichen Rahmenbedingungen, der Elternarbeit, „Vom Defizit zur Ressource“, „Lernen & Fördern“ und „Besondere Bedürfnisse“ auf. Der letztgenannte Bereich beinhaltet den sachgerechten Umgang mit Heilbehelfen, Hebe- und Lagerungstechniken, Krankheitsbilder und Entwicklungsverzögerungen und davon abgeleitete Freizeitangebote, das Ableiten von Fördermaßnahmen bei Wahrnehmungsstörungen sowie haltgebende Strukturen in der Freizeitgruppe.
Fragen und Aspekte von Ergonomie im Betreuungsalltag sowie Gebärdensprachkurse wurden in einem eigenen Weiterbildungsschwerpunkt durchgeführt.
Die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen BiM und IKH ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie durch die Zusammenarbeit einer schulnahen Institution und einer Erwachsenenbildungseinrichtung Kompetenzen zusammengeführt werden können und zu einem „Mehr“ führen. Zu einem „Mehr“ für die Volkshochschule durch eine zusätzliche Angebotsschiene im pädagogischen Bereich und zu einem „Mehr“ für die Schule durch die kompetente und qualifizierte Arbeit von Freizeitpädagog*innen und nicht zuletzt zu einem „Mehr“ für alle Kinder, die an den Wiener Schulen das freizeitpädagogische Programm im Rahmen der schulischen Tagesbetreuung und der Ferienbetreuung in Anspruch nehmen. //
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