Das Thema Basisbildung ist aus der Bildungsdebatte nicht mehr wegzudenken. Lange Zeit als Relikt der Vergangenheit tabuisiert, zeigen heute Studien wie PISA und vor allem PIAAC die Dimension der Herausforderung auf. Je nach Betrachtung hat demnach zumindest jeder bzw. jede achte BürgerIn im OECD-Raum Basisbildungsbedarf.1 Basisbildung ist demgegenüber in den Mitgliedsstaaten der EU in unterschiedlichem Ausmaß zum Anliegen und auch zur Profession geworden. Das „European Basic Skills Network“ drückt diese Entwicklung aus: Das Netzwerk vereint sowohl relevante staatliche Institutionen, Dachorganisationen, Forschungseinrichtungen als auch Träger von Basisbildungsprogrammen. Für Österreich ist das Bildungsministerium bzw. die „Initiative Erwachsenenbildung“ vertreten und seit diesem Jahr auch der „Verband Österreichischer Volkshochschulen“2. Als Vision formuliert das Netzwerk eine Gesellschaft, in der alle EinwohnerInnen Europas über jenes Ausmaß an Basisbildung verfügen, das sie benötigen, um Zugang zu lebenslangem Lernen zu erhalten, ihre Beschäftigungsfähigkeit sicherzustellen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Die Mitgliedsorganisationen des Netzwerks tragen dazu u. a. durch Austausch „guter Praxis“ oder Forschungsergebnisse bzw. durch Sensibilisierung auf unterschiedlichen Ebenen und Politikfeldern bei.3 Exemplarisch für diese Anliegen können folgende Konferenzbeiträge hervorgehoben werden:4
Paul Holdsworth (Europäische Kommission) gab einen Überblick und Input zu den notwendigen Strategien der EU-Mitgliedsstaaten. Solche „Upskilling Pathways“ müssten aus einem Ansatz in drei Schritten erfolgen: 1. Erwachsene zur Kompetenzeinschätzung zu befähigen bzw. diese Einschätzung zu ermöglichen, 2. maßgeschneiderte Angebote und 3. Validierung und Anerkennung der erworbenen Kompetenzen. Insbesondere im Kontext von Basisbildung bräuchte es hier zudem einen ganzheitlichen Zugang, der alle relevanten AkteurInnen aus Politik und Gesellschaft mit einschließt sowie entsprechende Kampagnen zur Zielgruppenerreichung. Holdsworth betonte in diesem Kontext immer wieder die Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten, entsprechende Schwerpunkte in den nationalen Bildungssystemen zu setzen, und verwies nicht zuletzt auf die spärliche finanzielle Ausstattung der Erwachsenenbildung (durchschnittliches Bildungsbudget: 4,7 Prozent BNP, EB: 0,1 Prozent).5
Jan Evensen, (Fønix AS, Norwegen) stellte die Aktivitäten seiner Organisation im Rahmen der nationalen Qualifikationsstrategie Norwegens vor.6 Fønix AS konzentriert sich hierbei stark auf den Arbeitsplatz als Umfeld für/von Lernende/n. Im Fokus stehen dabei Personen, die aus verschiedenen Gründen – z. B. aufgrund des Strukturwandels – von Exklusion bedroht sind. Als Beispiel kann die Tätigkeit eines Busfahrers genannt werden, der heute in der Lage sein muss, vier oder fünf unterschiedliche elektronische Terminals zu bedienen. Folgende Fragen werden an die Betriebe und an Betroffene (insbesondere mit Basisbildungsbedarf) herangetragen, um maßgeschneiderte Programme zu entwickeln: Was bedeutet Rechnen/Mathematik in deiner Arbeitssituation? Wie betrifft die Digitalisierung deinen Arbeitsalltag? Wie kommunizierst du mit KollegInnen und KundInnen? Ein weiterer Schwerpunkt der Bildungsarbeit liegt in Angeboten für Menschen mit nicht norwegischer Erstsprache. Hier werden Sprachkurse mit dem Training für anerkannte berufliche Zertifikate (und somit auch mit fachsprachlichem Training) verknüpft.7
Kees Hoogland und Mieke van Groenestijn (Universität Utrecht/Niederlande) stellten die Bestrebungen vor, einen gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Rechnen bzw. mathematische Kompetenzen zu schaffen (CENF).8 Mathematische Kompetenzen verdienen besondere Beachtung, nicht nur, weil Studien quantitativ hier den größten Basisbildungsbedarf belegen. Die Betrachtung mathematischer Fähigkeiten muss heute, mehr denn je, in den sozialen, kulturellen, historischen und politischen Kontext eingebettet werden. Rechnen und Rechnen zu können ist in diesem Sinne soziale Praxis.9 Analog zum GERS (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen) liegt nun der CENF vor, der sich von der untersten Stufe X1/X2 (beginnende Anwendung) über Y1/Y2 (fortgeschrittene Anwendung) bis zu Z1/Z2 (professionelle Anwendung) erstreckt. Diesem Rahmen und den entsprechenden näheren Beschreibungen der einzelnen Stufen zugrunde liegen sowohl die Bewältigung situativer Herausforderungen als auch die individuellen Kompetenzen.10
Clare McNally von der nationalen Alphabetisierungsagentur Irlands (NALA) stellte in ihrem Vortrag eine inspirierende Kampagne zur Erreichung von Zielgruppen für Basisbildungsprogramme vor. Unter dem Motto „Take the first step“ wurde ein ganzes Maßnahmenbündel an Öffentlichkeitsarbeit gestartet (und finanziert).11 Der Bogen der AkteurInnen reicht hier von zahlreichen Teilnehmenden an Basisbildungsangeboten, die – nach einem Medientraining – ihre Story erzählen, bis zu Massenblättern wie dem „Irish Mirror“, deren Unterstützung gewonnen werden konnte. Breit kommuniziert wurden über die Massenmedien u. a. eine nationale Info-Telefonnummer, Kurzvideos sowie Kursangebote. Angemerkt sei an dieser Stelle noch, dass Inez Bailey, Geschäftsführerin von NALA, auch zur neuen Vorsitzenden des „European Basic Skills Network“ gewählt wurde.
Abschlussdokument
Im Rahmen der Konferenz wurde schließlich auch eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der auf die Aktivitäten des Netzwerks hingewiesen wurde. Dazu gehört insbesondere eine Reihe von Open Educational Resources und MOOCs (Capacity Building Series), die dazu beitragen sollen, allen relevanten AkteurInnen Informationen und Kenntnisse zu vermitteln, die sie benötigen, um entsprechende Strategien zu Fragen der Basisbildung zu entwickeln.12 An die politisch Verantwortlichen wurde der Appell gerichtet, angemessene und nachhaltige Finanzierungssysteme zu schaffen. Damit ist insbesondere die Ablösung von Modellen auf Projektbasis hin zu nationalen Basisbildungsprogrammen gemeint. Abschließend kann dazu angemerkt werden, dass nicht zuletzt in diesem Kontext, aber auch etwa in Zusammenhang mit dem von Paul Holdsworth skizzierten „Drei Schritt Ansatz“, die „Initiative Erwachsenenbildung“ immer wieder als positives Beispiel erwähnt und eingebracht wurde. //
Kommentare