Kontinuität und Veränderung an der Spitze des VÖV
Hauptversammlung des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen am 8. Mai 2019

voev-HV-mai-2019_w

Der neu gewählte Vorstand des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen
Foto: C. Jobst

Bei der Hauptversammlung des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) am 8. Mai 2019 in der Urania Wien wurde der langjährige Vorstandsvorsitzende, Bürgermeister Dr. Michael Ludwig, der seine Funktion nach 24 Jahren an der Spitze des Bundesverbandes zurücklegte, verabschiedet. Als neuer Vorstandsvorsitzender wurde Dr. Gerwin Müller, Vorsitzender der Kärntner Volkshochschulen, einstimmig gewählt. Als Präsident des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen wurde Altbundespräsident Dr. Heinz Fischer, der diese Funktion bereits von 1999 bis 2007 ausgeübt hat, einstimmig wieder gewählt.

Michael Ludwig hat den VÖV durch turbulente Zeiten geführt, erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die hohen Kürzungen der Bundessubvention zu Beginn der 2000er Jahre. Ludwig hat die österreichische Erwachsenenbildung auch maßgeblich mitgestaltet. Viele bundesweite Maßnahmen konnten mit seiner Unterstützung realisiert werden. Michael Ludwig hat viel dazu beigetragen, dass im VÖV ein kooperatives Arbeitsklima herrscht, er hat sich auch sehr um die in der KEBÖ zusammengeschlossenen Verbände der gemeinnützigen Erwachsenenbildung bemüht. Eine ausführliche Würdigung von Michael Ludwig finden Sie hier. Ludwig bedankt sich für die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit und versichert, dass er auch in seiner Funktion als Bürgermeister und Landeshauptmann die Anliegen der Volkshochschule unterstützen wird.

Der Generalsekretär, Gerhard Bisovsky, fokussierte seinen Bericht auf fünf Themen: Bildung als zentrales Thema, Forschung und Entwicklung, Qualität und Professionalisierung, Demokratie, Volksbildung und Medien, Volkshochschule und Strukturen.

Wir befinden uns mitten in einer Phase der Veränderung: Technologischer Fortschritt, Digitalisierung, Globalisierung, Wertewandel und demografischer Wandel sind die Treiber von Entwicklungen, die sich durch viele Widersprüchlichkeiten und Gegentendenzen auszeichnen. Offenen und liberalen Tendenzen stehen Nationalismus, Schließung und Populismus mehr oder weniger gleichzeitig gegenüber. Bildung ist wichtiger denn je. Orientierung ist gefragt, Handlungsorientierung ist angesagt, denn wir wollen diese Entwicklungen gestalten im Sinne eines gelingenden Lebens.

Die Wissensgesellschaft benötigt Forschung und Entwicklung und einen fundierten Praxisbezug. Der VÖV trägt mit Expertise, Netzwerken und guten Kenntnissen von Bildungspolitiken dazu bei, die österreichische Erwachsenenbildungslandschaft in ihren grundlegenden Merkmalen zu bewahren. Von anderen Ländern werden wir zur Mitarbeit eingeladen, zum Beispiel von Portugal für die Entwicklung der Grundbildungspolitik und für die Europäische Kommission erstellen wir spezielle Länderberichte. Zum Thema Wirkungsorientierung und empirische Evidenz können wir mit guten und validen quantitativen und qualitativen Daten aufwarten. Und wir befassen uns auch mit der Vergangenheit: Das Österreichische Volkshochschularchiv wird vom VÖV und den Wiener Volkshochschulen getragen und seine Bestände wurden vor kurzem vom Staatsarchiv als wertvolles und schützenswertes Kulturgut anerkannt. Mit der offenen Plattform „Knowledgebase Erwachsenenbildung“ stellen wir der interessierten Öffentlichkeit Daten, Statistiken, Materialien zu Volkshochschulen und zur gesamten österreichischen Erwachsenenbildung zur Verfügung. Gemeinsam mit ehemaligen VolksbildnerInnen, haben wir eine Transfer-Plattform für PraktikerInnen entwickelt, über die wissenschaftliche Arbeiten nach Begriffen gesucht werden können: https://www.vhs.or.at/672/. Mit den Wissenschaftspreisen (Ludo-Hartmann-Preis und Barbara-Prammer-Preis) motivieren wir Universitäten und unsere MitarbeiterInnen zur Beschäftigung mit Volksbildung und bürgerschaftlicher Bildung.

Qualität und Professionalisierung sind unverzichtbar. Zur Implementierung von Qualitätsmanagement hat der VÖV vor vielen Jahren mit einem eigenen Projekt österreichweit beigetragen. Der Bundesverband hat im vergangenen Jahr die erste Retestierung nach LQW erfolgreich abschließen können. Die Weiterbildungsakademie Österreich (wba), die führend vom VÖV und seinen Mitgliedern entwickelt wurde, validiert und zertifiziert grundlegende Kompetenzen der Erwachsenenbildung. Der VÖV ist Projektträger für das „Kooperative System der Erwachsenenbildung Österreichs“ und derzeit wird die wba in einem esf-kofinanzierten Projekt „digitalisiert“, um die hohen Beratungs- und Validierungskompetenzen der Mitarbeiterinnen noch besser nützen zu können.

Demokratie, Volksbildung und Medien gehören zusammen. Wir haben den ersten österreichischen „Demokratie-MOOC“ umgesetzt, gemeinsam mit dem Demokratiezentrum und der Technischen Universität Graz. Mit den Medienpreisen zeichnen wir beste Qualität in Radio und Fernsehen aus, mit dem Axel-Corti-Preis auch fundierte Analyse und Mut zum Widerspruch. Das Büro Medienpreise führen wir für die Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs, die seit zwei Jahren die Medienpreise vergibt.

Die Volkshochschule ist unverzichtbar. Sie hat sich immer an gesellschaftlichen Entwicklungen ausgerichtet. Das war schon sehr früh bei der Digitalisierung der Fall. Nun sind wir dabei ein österreichweites Curriculum, das auf dem Europäischen Digitalen Kompetenzrahmen basiert, zu entwickeln und beteiligen uns an der Initiative fit4Internet. Ein weiteres zentrales Thema ist das der Integration. Im Zuge mehrerer Flüchtlingsbewegungen waren die Volkshochschulen eine der aktivsten Bildungseinrichtungen, sie wurden vom Bundesverband mit Materialien, bildungspolitisch und in weiterer Folge auch mit Ausbildungslehrgängen unterstützt. Weiterhin wird die Volkshochschule dazu beitragen, Bildung in den Regionen umzusetzen.

Obwohl Wissen heute beinahe überall und immer verfügbar ist, wird es nach wie vor unsere Aufgabe sein, einen Grundstock an Wissen zu vermitteln, zu seiner Aktualisierung beizutragen sowie uns mit Wissen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig werden wir aber auch Lernumgebungen zu schaffen haben, die entdeckendes und forschendes Lernen unterstützen. In den Vordergrund rücken wird die Förderung von Selbstbestimmtheit. Ziel wird es sein, unsere TeilnehmerInnen zu unterstützen, die Welt in Gegenwart und Zukunft mitzugestalten.

Unser Erfolg und der der österreichischen Erwachsenenbildung hängen damit zusammen, dass Österreich funktionierende Strukturen hat, um die uns viele andere Länder beneiden. Diese gilt es zu bewahren und zu verbessern.

Die Pädagogische Referentin des VÖV, Beate ­Gfrerer, Geschäftsführerin der Kärntner Volkshochschulen, hat ihren Bericht über die Arbeit des Pädagogischen Ausschusses (PAUS) in vier Themenbereiche gegliedert: Programmentwicklung, Politische Bildung und Fortbildung, bildungspolitische Themen sowie Grundsätze und Leitlinien der VHS-Arbeit.

Im Bereich der Programmentwicklung ist vor allem das Kernprogramm zu nennen, an dem operativ seit 2017 gearbeitet wird. Das Kernprogramm basiert auf den Europäischen Schlüsselkompetenzen für das lebensbegleitende Lernen sowie auf dem Weißbuch Programmplanung der Wiener VHS und soll dazu beitragen, die Übersichtlichkeit zu verbessern und mit einem Angebotskatalog die Programmplanung erleichtern. Das Kernprogramm baut auf Lernergebnisse und ist damit in weiterer Folge auch anschlussfähig an den Nationalen Qualifikationsrahmen. Die Programmentwicklung wird zu einem großen Teil von den PAUS-Arbeitsgruppen getragen, sie entwickeln Mindeststandards für Kursleitende, erarbeiten Vorschläge für das Programm und die Fortbildung und arbeiten fachspezifisch dem Kernprogramm zu. Von 2016 bis 2019 waren folgende Arbeitsgruppen tätig: Basisbildung, Pflichtschulabschluss; Berufsreifeprüfung/Studienberechtigungsprüfung; Gesundheit und Sprachen.

Politische Bildung ist eine der Kerntätigkeiten der Volkshochschulen, die nicht immer leicht umzusetzen ist. Im Zuge des Gedenkjahres 2018 wurden mehr als 200 Veranstaltungen in allen Bundesländern durchgeführt, die mehrheitlich durch einen guten Besuch gekennzeichnet waren. Mit dem Demokratie-MOOC wurde erstmals ein internetbasiertes Format gestartet, dass die gesellschaftspolitische und demokratiepolitische Bildung unterstützt.

Das bundesweite Fortbildungsprogramm des VÖV wird komplementär zu den Angeboten der Landesverbände bzw. Mitglieder gestaltet und bezieht darüber hinaus auch die VÖV-Schwerpunkte mit ein. Im Berichtszeitrum konnten mehr als 1.100 Seminarteilnahmen verzeichnet werden.

Der PAUS hat sich mit bildungspolitischen und strategischen Themen auseinandergesetzt, hier sind insbesondere die österreichische Validierungsstategie zu nennen, die sich dadurch auszeichnet, dass sowohl formative Verfahren, in deren Zentrum die Erarbeitung der eigenen Lernergebnisse steht, wie auch summative enthalten sind. Letztere zielen auf die Zertifizierung der erworbenen Qualifikationen, wie zum Beispiel die Weiterbildungsakademie (wba). Ein zentrales bildungs- und gesellschaftspolitisches Thema, war der Themenkomplex Flucht und Migration. Stellungnahmen zum Integrationsgesetz wurden verfasst, in einigen Fällen gelang es, durch gezielte Interventionen zu erreichen, dass die Volkshochschulen und die österreichische Erwachsenenbildung überhaupt, Integrationsmaßnahmen weiterhin durchführen können, womit eine hohe inhaltliche aber auch methodisch-didaktische Kompetenz erhalten bleibt. Schließlich wurde die Professionalisierung durch eigene Ausbildungslehrgänge für DaF/Z und für Basisbildung gefördert und die Volkshochschulen wurden durch Materialien in der Bildungsarbeit unterstützt. Eine große Aufgabe wird die Digitalisierung sein. Wir befinden uns mitten in einer digitalen Transformation, die sowohl in der Vermittlung und im Unterricht Veränderungen bringen werden wie auch in die Information, Beratung und in der Verwaltung von Bildung. Wir setzen uns mit Werkzeugen und Plattformen auseinander, die der DVV entwickelt hat und wir stellen derzeit das IT-Programm auf den DigComp um, das ist der europäische Rahmen für digitale Bildung, der Kernstück der österreichischen Digitalisierungsstrategie ist.

Die Grundsätze der VHS-Arbeit und ihre Leitlinien waren Thema in einer PAUS-Klausur, in der wir uns mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft der VHS auseinandergesetzt haben. Dabei hat sich herausgestellt, dass die 1994 formulierten Grundsätze aktueller denn je sind und nur geringfügiger Ergänzungen bzw. Adaptionen bedürfen, an denen weiter gearbeitet wird. Auch das Thema Esoterik und Verschwörungstheorien wurde im PAUS ausführlich mit Experten diskutiert. 2013 hat der VÖV-Vorstand eine Richtlinie zum Umgang mit Esoterik-Angeboten beschlossen, die auf den seit 1999 bestehenden Richtlinien der Wiener Volkshochschulen basieren und geringfügig erweitert wurden.

Abschließend ist festzustellen, dass die Volkshochschulen auch und gerade vor dem Hintergrund der digitalen Transformation wichtiger denn je sind. Sie bieten Orientierung in einer immer komplexer werdenden Welt, sie unterstützen kritische Herangehensweisen und sie fördern das soziale Miteinander.

Der Finanzreferent des VÖV, Günter Kotrba, Direktor der Salzburger Volkshochschule, gliederte seinen ­Bericht in vier große Bereiche: Wirtschaftliche Situation, Steuer und Sozialversicherung, Digtalisierung und Finanzierung durch die Gebietskörperschaften.

Die wirtschaftliche Situation des VÖV hat sich im Berichtszeitraum deutlich verbessert. Durch gezielte Maßnahmen konnten Kosten eingespart werden und dabei war es unumgänglich auch bei den Personalkosten anzusetzen. Die Verluste konnten jedenfalls deutlich reduziert werden, auch die Mitglieder haben sich beteiligt und gleichzeitig wurden und werden mehr als 60 Prozent der Fördermittel aus der Leistungsvereinbarung an die Mitglieder weitergegeben. Rund 69 Prozent der Einnahmen des VÖV kommen aus der Leistungsvereinbarung, die Erlöse aus Projekten betragen rund 22 Prozent und der verbleibende Rest verteilt sich auf Einnahmen aus VÖV-Veranstaltungen, Vermietungen und sonstige Erlöse.

Das Thema Sozialversicherung und Steuer beschäftigt den VÖV und die Erwachsenenbildung seit Jahrzehnten. Der VÖV ist mit dem Finanzreferenten und dem Generalsekretär in der kleinen Expertengruppe der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) vertreten. Gerade die KEBÖ hat in all den Verhandlungen und den Erfolgen, die für die gesamte österreichische Erwachsenenbildung errungen werden konnten, eine wichtige Rolle gespielt. Mit unterschiedlichen Expertisen sowie Kontakten und Zugängen ist es gelungen, das beitragsfreie Aufwandspauschale zu erhalten. Allerdings ist es nicht zu beschönigen, dass die Einführung der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung, die um ein Jahr verschoben wurde und nun ab 1. Jänner 2019 Gültigkeit erlangt hat, eine enorme zusätzliche administrative Belastung für die Volkshochschulen und die gesamte Erwachsenenbildung gebracht hat.

Seitens des VÖV wurden die Landesverbände bzw. Mitglieder bei der technischen Umsetzung mit einem einmaligen Betrag unterstützt. Weiters wurde ein in allen Volkshochschulen verwendbarer Mustervertrag für Lehrende erarbeitet.

Beim Thema Digitalisierung werden wir um gemeinsame Investitionen nicht umhin kommen, wollen wir den Anschluss nicht verlieren. Dies betrifft die Lehre, die Verwaltung und insbesondere Services, die wir für unsere TeilnehmerInnen und Lehrende erbringen.

Durch die Zuschüsse der Gebietskörperschaften können die Volkshochschulen leistbare Bildung für die Bevölkerung anbieten. Erst dieser Mix an Einnahmequellen – der größte Teil davon kommt von den Teilnehmenden und aus Projekten, die für die öffentliche Hand durchgeführt werden – und von mehreren fördernden Gebietskörperschaften, den wir in mehreren europäischen Ländern beobachten können, macht es möglich, dass die Volkshochschulen ein breites Programmangebot für alle Menschen anbieten können. Das breite Programmspektrum spricht Menschen in allen Lebenslagen, in allen Altersgruppen und insbesondere auch solche mit niedrigeren Einkommen an. Zudem wird nicht nur Markgängiges angeboten und durchgeführt, sondern auch Bildung, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedarfen entspricht. //

Bisovsky, Gerhard (2019): Kontinuität und Veränderung an der Spitze des VÖV. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2019, Heft 267/70. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

Kommentare

Neuen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Zurück nach oben