Johannes Wahl: Lebenslanges Lernen zwischen Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Die Verankerung in pädagogischen Arbeitsfeldern.

Johannes Wahl: Lebenslanges Lernen zwischen Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Die Verankerung in pädagogischen Arbeitsfeldern.
Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2017, 218 Seiten.

„Lebenslanges Lernen“ ist in aller Munde! Aber beeinflusst das Wissen darüber auch die pädagogische Praxis? Woher speist sich dieses Wissen und wie wirkt es sich in unterschiedlichen Berufsfeldern aus? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Johannes Wahl detailliert in seinem übersichtlich strukturierten Buch, das auf einer umfangreichen Dissertation an der Universität Frankfurt am Main basiert. Auf drei Berufsgruppen richtet der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität Frankfurt sein Augenmerk: Elementarbildung, berufliche Bildung und Weiterbildung. Motivierender Anlass und Hintergrund seiner Forschung ist die Studie „Pädagogische Erwerbsarbeit im System des lebenslangen Lernens“ (PAELL: 2009). Sie attestiert den „pädagogisch Tätigen“ hohe Bedeutung, weil sie Lernprozesse unterstützen, die sich mit gesellschaftlichen Anforderungen, zunehmender Pluralisierung der Lebenslagen, Lebensphasen und Lebensstilen sowie mit Tendenzen zu weiterer Individualisierung beschäftigen.

Ziel der Untersuchung ist es, das Wirken europäischer und nationaler Empfehlungen zum lebenslangen Lernen zu erkunden und den Zusammenhang zwischen pädagogischer Praxis und bildungspolitischem Diskurs zu ergründen.

Als theoretische Basis dient das wissenssoziologische Konzept von Peter Berger, Thomas Luckmann und Alfred Schütz. Von Letzterem übernimmt der Autor auch die Unterscheidung in Vertrautheits- und Bekanntheitswissen. Das meint, dass Wissen zwischen Wissensträgern – im Hinblick auf die gesellschaftliche Bedeutung ihres Wissens – sozial unterschiedlich verteilt ist. Davon zu trennen ist noch, was wir glauben (zu wissen): je nach Wissensart wird in der Studie versucht, die Orientierungskraft des lebenslangen Lernens zu erkunden.

Unser Wissen, urteilte Alfred Schütz, erwerben wir in „geschlossenen Sinnbereichen“. Das sind „Erfahrungswirklichkeiten“, die wir – nicht nur in einer sozialen Wirklichkeit existierend – mit unseren individuellen Erfahrungen „aufschichten“. Diese Prozesse und Kontexte der Wissensproduktion betreffend das lebenslange Lernen, will die Studie, auf die drei genannten Berufsfelder bezogen, erforschen.

Nach dieser theoretischen Grundlegung erläutert Wahl das Begriffsfeld lebenslanges Lernen. Er nennt es „polyvalent“, erläutert die damit verbundene bildungspolitische Reformstrategie und den seit den 1990er-Jahren parallel zum vermehrten Gebrauch des Begriffs vor sich gehenden Wandel in der Lernkultur. Dieser betont die Orientierung am Subjekt sowie den Bedarf an pädagogisch Tätigen und an LernberaterInnen, die selbstgesteuertes Lernen unterstützen. Diversifiziert und im gesellschaftlichen Wandel befindlich, so der Autor, erweisen sich nicht nur der Begriff des lebenslangen Lernens, sondern auch die drei ausgewählten pädagogischen Arbeitsfelder, die genau vorgestellt werden.

Für weitere wissenschaftliche Studien wegweisend werden Forschungsdesign und methodische Vorgangsweise geschildert. Eine Triangulation von qualitativen und quantitativen Methoden empirischer Sozialforschung kommt zum Einsatz. Im quantitativen Sektor wertet der Autor 635 Datensätze (Fragebogen) aus, qualitativ zehn Gruppendiskussionen mit 137 TeilnehmerInnen. In „verschränktem“ Sinn erfolgen die deskriptive statistische Analyse sowie eine „analytische“ Verdichtung.

Aus den differenziert vorgetragenen Ergebnissen der Untersuchung lässt sich lebenslanges Lernen als ein in vielen Kontexten erwähntes Konstrukt erkennen – als „absolute Metapher“. Es eröffnet einen Möglichkeitsraum für unterschiedliche Perspektiven und Phänomene. Deutlich wird das Selbstverständnis in den drei gewählten pädagogischen Berufsfeldern: ihre zentrale Leistung besteht in der „Humanontogenese“ (ganzheitliche menschliche Entwicklung). Die Befragten aus der Erwachsenenbildung fühlen sich in ihrem Wirken komplementär und synchron mit den anderen pädagogischen Arbeitsfeldern. In der Kooperation der Arbeitsfelder miteinander und im Selbstverständnis der Befragten meint der Autor der Studie einen konstruktiven Beitrag zu einem „pädagogisch organisierten System des Lebenslangen Lernens“ zu erkennen.

Die wissenschaftlich präzis durchgeführte Untersuchung kann als Vorbild für künftige Studien angesehen werden, die die Professionalisierung, Kooperation und das Selbstbewusstsein pädagogisch Tätiger betreffen. Das Buch – ein Beitrag zur pädagogischen Berufstätigkeit und ein Baustein für das Bildungskonzept lebenslanges Lernen – sollte in keiner wissenschaftlich einschlägigen Bibliothek fehlen. //

Lenz, Werner (2018): Johannes Wahl: Lebenslanges Lernen zwischen Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Die Verankerung in pädagogischen Arbeitsfeldern. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag 2017, 218 Seiten. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2018, Heft 264/69. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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