Digital gestütztes Lernen – erste Erfahrungswerte aus der Steiermark

Noch zu Beginn des Frühjahrssemesters 2020 war ein digitaler Unterricht an der VHS Steiermark seitens der Kursleiter:innen, aber auch seitens der Zweigstellenleiter:innen außerhalb des Vorstellbaren. Ein Großteil unserer Hörer:innen präferierten und präferieren nach wie vor das lebensnahe und persönliche Lernen vor Ort. Der Begriff „ZOOM“ war ein Fremdwort und kaum jemandem geläufig. Mit den ersten covid-geschuldeten Kursunterbrechungen begann das Eis hinsichtlich digitalen Unterrichts bei manchen Kursleiter:innen und Kursteilnehmer:innen zu schmelzen. Erste ZOOM Lizenzen wurden angekauft und technische Verbesserungen bei WLAN und Hardware Ausstattung vorgenommen. Einige Kursleiter:innen mussten massiv in ihr technisches Equipment investieren, um auch von ländlichen Regionen aus digitale Kursangebote offerieren zu können. So kam es zu einer erheblichen Verschiebung der Lernorte. Während Klassenräume, sowie Turnsäle in öffentlichen Schulen und auch VHS-eigene Räumlichkeiten aufgrund der Lockdowns vielfach unbenutzt blieben, etablierten sich notgedrungen digitale Kursformate und virtuelle Lernorte.

Die ersten Versuche im Frühjahr 2020, Präsenzkurse auf einen Onlinemodus umzustellen, waren holprig und brachten viele Teilnehmer:innen in die Bredouille. Die Referent:innen stellten fest, dass zahlreiche Hörer:innen über keine Mailkonten bzw. nicht über WhatsApp verfügten. Somit war ein Lernen auf Distanz, geschweige denn mittels digitaler Formate, kaum möglich. Der Anspruch auf Niederschwelligkeit konnte so nicht gehalten werden. Soziale Benachteiligung, eingeschränkte Erreichbarkeit und somit verminderte Teilhabe am Kursgeschehen waren zusätzliche Gründe, weshalb viele Personen aus dem Stammklientel in dieser Zeit verloren gingen. Dies zeigten auch Studien in anderen Bundesländern, unter anderem jene von Angelika Hrubesch in ihrem Artikel „Distance-/Digital-learning und Bildungsbenachteiligung“, welche die Entwicklung an Wiener Volkshochschulen im Jahr 2020 beleuchtete1.

Wenn auch das lebensnahe Lernen vor Ort pandemiebedingt stark einschränkt wurde, konnte die VHS mit neuen Online- und Hybridangeboten weiterhin als Bildungsnahversorger punkten. Die Erfolge fielen regional sehr unterschiedlich aus. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich die Bereitschaft der Kursleiter:innen, angebotene Präsenzkurse auf digitale bzw. hybride Formate umzustellen, trotz vieler Schulungsmaßnahmen in Grenzen hielt. So führte die VHS Steiermark im Frühjahr 2021, dessen ungeachtet, 595 digitale Kurse mit rund 5.203 Teilnahmen durch. Dennoch war dieses Ergebnis verglichen mit der Zeit vor Corona ernüchternd. Zwei Jahre zuvor, im Frühjahr 2019, konnten noch 2.366 Kurse mit 31.660 Hörer:innen absolviert werden. Dass die digitalen Lernorte noch nicht den Geschmack unseres Teilnehmer:innenklientels getroffen hatten, zeigte das Frühjahr 2022. Trotz regionsspezifischer Ausreißer und obwohl einige unserer Teilnehmer:innen auch die Vorteile des Onlineunterrichtes zu schätzen gelernt haben, reduzierte sich der Anteil der digitalen Fortbildungen gegenüber dem vorangegangenen Frühjahr. 305 Onlinekurse bzw. 11 Kurse im hybriden Format entsprechen einem Kursanteil von 21,5 %. In Summe fanden an der VHS Steiermark im Frühjahr 2022 1.471 Kurse mit 15.297 Hörer:innen statt.

Mittlerweile hat jede der zwölf steirischen VHS-Zweigstellen digitale Kursformate im Programm. Seit dem Herbstsemester 2022 gibt es auch wieder stabilere Rahmenbedingungen für die Durchführung von VHS-Kursen, die eine bessere Vergleichbarkeit der Kennzahlen ermöglichen. Bei Betrachtung der Kurszahlen der VHS Steiermark im Herbstsemester 2022, sowie Frühjahrssemester 2023, könnte man den Eindruck gewinnen, die digitalen Formate hätten sich auf einem Niveau von rund 16 % eingependelt (HS 22: 1744 Kurse davon 258 online und 14 hybrid / FS 23: 2085 Kurse davon 323 online und 8 hybrid). Onlineunterricht wird von einem Großteil unserer Teilnehmer:innen immer noch als „Notlösung“ betrachtet, daher werden die realen Lern- und Begegnungsorte den Formaten des Distance- und Digital-Learnings vorgezogen. Nur vereinzelt ist die Tendenz zu Digitalformaten steigend. Manche Zweigstellen haben sich in den letzten Semestern damit ein zusätzliches neues Standbein aufgebaut.

So konnte die VHS Leoben in den letzten beiden Studienjahren ihren Onlineanteil an abgehaltenen Bildungsveranstaltungen bei über 40 % halten (2021/22 von 304 Kursen 112 online und 11 hybrid; 2022/23 von 408 Kursen 155 online und 9 hybrid). Das digitale Angebot der VHS Leoben beschränkt sich dabei auf die Bereiche Gesundheit, Sprachen und Selbstmanagement, wobei die Gesundheitskurse im letzten Studienjahr 2022/23 knapp die höchste Nachfrage erhielten (siehe Abb.1 Verteilung Onlinekurse VHS Leoben 2022/23).

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Keine Änderungen gab es überraschenderweise beim geschlechtsspezifischen Interesse nach digitalem Kursangebot. Von 2307 Personen, die sich für diese Formate angemeldet hatten, blieb der Männeranteil bei 12 % exakt gleich hoch wie im Präsenzmodus. Mit einem Frauenanteil von 88 % bleibt die weibliche Dominanz augenscheinlich.

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Bei der Analyse des Alters der Interessenten an digitalen Formaten kommt es zu einer erwarteten massiven Verschiebung und zu einer Verjüngung der Volkshochschule. In der Abbildung 2 wird die Altersstruktur der Teilnehmer:innen der VHS Leoben vor der Corona-Pandemie und jener, die an Onlinekursen 2022/23 teilgenommen hatten, gegenüber gestellt. So wies die Altersgruppe der 30-39-jährigen einen Anteil von über 42 % auf und ist somit die deutlich stärkste Altersgruppe unserer Online-Hörer:innen. Zusammen mit den unter 30-jährigen bilden diese beiden Alterssektoren eine Mehrheit von fast 65 %. Während in den Präsenzkursen die über 50-jährigen einen gewichtigen Anteil von 45 % einnehmen, sind diese im Onlinemodus mit 17 % nur gering vertreten (siehe Abb.2 Altersstruktur der Teilnehmer:innen VHS Leoben 2019 versus 2023).

Die hohe Zahl an digital durchgeführten Kursen in Leoben ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass viele neue Kursteilnehmer:innen aus allen Regionen der Steiermark gewonnen werden konnten. Der Bezirk Leoben, den die VHS Leoben betreut, zählt aktuell knapp unter 60.000 Bewohner:innen und verliert seit geraumer Zeit – so wie die gesamte Obersteiermark – massiv an Einwohner:innen. Zuwächse sind in den kommenden Jahren nicht zu erwarten, daher wäre eine Ausweitung der Onlineschiene nur mit dem regionalen Stammklientel nicht zu bewerkstelligen. 2022/23 betrug der Anteil der Hörer:innen bei digitalen Formaten aus dem Bezirk Leoben 13 %, jener der gesamten Obersteiermark knapp 24 %. Das heißt, die VHS Leoben profitierte von den Interessent:innen, die insbesondere aus Graz und Graz Umgebung an unseren Onlinekursen teilnahmen (50 %). Über 100 Personen aus anderen Bundesländern waren zudem Gäste in unseren Kursen, fünf davon kamen sogar aus dem Ausland.

Die Gründe, weshalb die VHS Leoben innerhalb der VHS Steiermark eine wichtige Rolle bei der Durchführung von digital gestützten Formaten einnimmt [2022/23 603 durchgeführte Kurse steiermarkweit, davon 164 (=27 %) aus Leoben] sind vielfältig. Zu Beginn der Pandemie konnten wir viele Kursleiter:innen motivieren, über den eigenen Schatten zu bringen und in die neue, fremde Materie einzutauchen. ZOOM Schulungen an der VHS Steiermark und durch den VÖV trugen dazu bei, Vorurteile abzubauen und neue Schritte zu setzen. Zunächst standen noch Befürchtungen, Präsenzkurse könnten einem neuerlichen Lockdown zum Opfer fallen, im Mittelpunkt der Überlegungen, gleich digitale oder hybride Formate anzubieten, um ein kontinuierliches Arbeiten im Semester gewährleisten zu können. Das überwiegend positive Feedback der Teilnehmer:innen bestärkte alle Beteiligten, an dieser Schiene weiter zu arbeiten. Zudem gesellten sich positive Aspekte für Kursleiter:innen, die sich nun zum Teil weite Fahrtstrecken sowie Fahrzeiten zum Kursort ersparten. Jüngeren Referent:innen mit Kinderbetreuungspflichten behagte diese Zeitersparnis besonders, da in den eigenen vier Wänden eine solche Betreuung nun einfacher wurde. 

Auch die finanzielle Unterstützung vieler AK-zugehöriger Arbeitnehmer:innen durch die Steirische Arbeiterkammer, die diese mit einem 60€ Bildungsscheck pro Semester sowie Mütter und Väter in Karenz mit einem Karenzbildungskonto im Wert von € 1000,- in ihrer Weiterbildung fördert, trug wesentlich zur Steigerung der Teilnahmen bei unseren digitalen Formaten bei. Ein Großteil unserer Hörer:innen greift auf diese Unterstützung durch die AK zurück, wodurch die tatsächlichen Kurskosten für die Teilnehmer:innen erheblich reduziert bzw. gänzlich getilgt werden. Zudem setzte die VHS-Leitung mit verkürzten Kursen ein Zeichen und lud Interessenten zum Schnuppern ein. Diesem kostengünstigen Angebot sind in den letzten Semestern viele gefolgt und haben so ihre Scheu vor digitalen Lernorten abgelegt. Gerade bei unseren Sprachkursen, wo wir versucht haben in den Kurzkursen neue Interessenten zu finden, die dann darauffolgend in die längeren Semesterkurse wechselten, ging dieses Vorhaben vielfach auf. Auch dem zeitlichen Angebot digitaler Kursformate sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt. Während Präsenzkurse in Leoben nur an bestimmten Uhrzeiten nachgefragt werden, könnten Onlinekurse beinahe zu jeder Tages- und sogar Nachtzeit Interessenten finden. So war unter anderem ein sechswöchiger Japanischkurs an der VHS Leoben Samstagmittag ausgebucht. In Präsenzform hätte dieser niemals stattgefunden. 

Auch hybride Formate bringen nun für viele persönliche Vorteile. So kann zum Beispiel eine Freundesrunde aus verschiedenen Teilen Österreichs, die schon seit vielen Jahren gemeinsam nach Italien auf Urlaub fährt, ihre Sprachkenntnisse zusammen in einem Italienischkurs verbessern. Während die Leobener Teilnehmer:innen den Kurs vor Ort in Präsenz verfolgen, schalten sich die übrigen Hörer:innen zum Teil auch aus anderen Bundesländern via ZOOM zu.

Einige Sprachkursleiter:innen hatten gemerkt, dass digitale Kursangebote stärker nachgefragt wurden als jene vor Ort, und blieben daher auf der Onlineschiene. Dies führte dazu, dass das Präsenzangebot einerseits ausgedünnt wurde und mangels zusätzlicher Referent:innen auch nicht aufgefüllt werden konnte, und dass andererseits eigene Kursräumlichkeiten vermehrt leer stehen. Diese Zwickmühle wird in den ländlichen Zweigstellen auch nicht so schnell behoben werden können.

Faktum ist, dass ein Großteil unserer Teilnehmer*in-nen für digitale Lernorte nicht zu begeistern ist, jedoch die VHS als Bildungseinrichtung vor Ort mit einer angenehmen, entspannten und offenen Lernatmosphäre, sowie als traditionelle Stätte der Begegnung schätzt. Analogbildung wird weiterhin ihre Berechtigung haben, da persönlicher Kontakt und praktische Fertigkeiten nicht vollständig digitalisiert werden können. Bei einigen Personen, die einen Abstecher in das Onlineangebot unternahmen, ist es bei einem Versuch geblieben. Auch das ist zu akzeptieren, da die Voraussetzungen aus diversen Gründen nicht überall gegeben sind. Auf der anderen Seite bringt der aktuelle Anmeldestand an der VHS Leoben im heurigen Wintersemester (Stand Anfang Oktober) wieder eine merkliche Steigerung des Interesses an digitalen Angeboten (+18 %) zutage. Daher werden wir weiterhin auf beiden Schienen Angebote offerieren, denn eines ist sicher, digital gestütztes Lernen ist gekommen, um zu bleiben. //

1   Hrubesch, A. (2021): Distance-/Digtial-Learning und Bildungsbenachteiligung. In: Die Österreichische Volkshochschule, 273, 41-43.

Rabko, Hans Jürgen (2023): Digital gestütztes Lernen – erste Erfahrungswerte aus der Steiermark. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2023, Heft 280/74. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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