Helga Kromp-Kolb: Für Pessimismus ist es zu spät. Wir sind Teil der Lösung.

Helga Kromp-Kolb: Für Pessimismus ist es zu spät. Wir sind Teil der Lösung.
Wien – Graz: Molden Verlag, 2023, 224 Seiten.

Am Scheideweg: Katastrophe oder bessere Welt? Helga Kromp-Kolb, renommierte Klimaforscherin an der Universität für Bodenkultur, langjährige Hochschullehrerin und unermüdliche Volksbildnerin, hat sich entschieden: Sie will zu einer besseren Welt beitragen. Im Sinne des italienischen Philosophen und Politikers Antonio Gramsci (1891–1937), er spricht vom Pessimismus des Verstandes und dem Optimismus des Willens, meint die Autorin, für Pessimismus ist es schon zu spät. 

Aufgrund ihrer vielen Vorträge, ihrer oftmaligen Teilnahme an Diskussionen und ihrer engagierten Präsenz in den Medien hat Helga Kromp-Kolb sicherlich schon einen gewissen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit. Mit dem Buch erfüllt sie einen oft an sie herangetragenen Wunsch, ihren zahlreichen Zuhörer*innen eine schriftliche Grundlage zu liefern. 

Sieben Jahrzehnte umspannt der Text, der wissenschaftliche und persönliche Sichtweisen der Autorin lesefreundlich anbietet. Mit Bezügen zu ihrer eigenen Lebensgeschichte skizziert sie ein Zeitkolorit vom Wiederaufbau in Österreich nach den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg (1939–1945) bis heute. In die Zeit eines wachsenden gesellschaftlichen Problembewusstseins für die Sorgen um die Umwelt in den 1960er-Jahren fällt auch ihr Studium an der Universität Wien und der Beginn ihres wissenschaftlichen Werdeganges. Sie schildert ihre Position als Frau in einer fast durchwegs männlich dominierten universitären Szene, aber auch das Erstarken der – allerdings von mächtigen Playern abgelehnten – Anliegen des Umweltschutzes. 

Gehör in der Gesellschaft errang sich die Publikation des Club of Rome, „Die Grenzen des Wachstums“ (1972). Weitere mediale Aufmerksamkeit brachten die Warnungen vor der Atomkraft, von Befürwortern Kernkraft genannt, da ohne Assoziation zur Atombombe. Begleitende Proteste, wie auch die Besetzung der Hainburger Au (1984), hatten schließlich auch politische Konsequenzen. Mit den Wahlen zum Nationalrat kam 1986 „grünes Denken“, vertreten von der neuen Partei „Die Grünen“ aber auch von anderen Parteien aufgenommen, in das österreichische Parlament. 

Der zeitgleich ab den 1980er-Jahren an Einfluss gewinnende Neoliberalismus brachte aber einen „Backlash“ für Umwelt- und Klimaschutz. Der Neoliberalismus hemmte und erstickte die schwungvollen Absichten. Helga Kromp-Kolb erinnert sich (S. 216): „Wir kämpften nicht mehr um verbesserte Gesetzgebung, wir versuchten den Abbau des Erreichten zu verhindern.“ 

Als neues Thema kristallisierte sich aber bald und mit Nachdruck der von Menschen mitverursachte Klimawandel – bedingt durch fossile Industrie – als vordringliches Problem heraus. Dagegen organisierte sich eine Lobby der „Leugner“. Sie formierte sich, bemerkt Helga Kromp-Kolb, analog wie die Kampagnen der Tabakindustrie gegen Rauchergesetze, unterstützt von in Auftrag gegebenen hochdotierten wissenschaftlichen Gegengutachten. Die widerstreitende Pro- und Contra-Stimmung ist bis heute aktuell geblieben. 

Das Alleinstellungsmerkmal „Klimakrise“ ging allerdings schnell wieder verloren. Der Klimawandel befindet sich zurzeit in einer Reihe mit mehreren „multiplen Krisen“. Doch die Situation ist völlig neu. Historisch gesehen besteht bezüglich des Klimas ein Druck, rasch und effizient zu handeln – mit Perspektiven, die über die üblichen Wahlperioden weit hinausgehen. Helga Kromp-Kolb betont, dass dringend geforderte gesellschaftliche Transformationen, „die Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen“ beenden sollen. Die notwendigen Transformationen sollen zudem nicht nur regional, sondern „weltumspannend“ wirken.

Für das Ende ihres Buches wählt Helga Kromp-Kolb bewusst einen optimistisch-positiven Ausblick. Sie meint, der Kampf um Klimaschutz kann eine Erfolgsgeschichte werden. Sie ermutigt Leserinnen und Leser, für eine attraktive und glückliche Zukunft einzutreten. Als Anlässe zur Hoffnung zählt sie unter anderem auf: leichter Rückgang des Wachstums der Weltbevölkerung; verringerte Kosten für erneuerbare Energie; weniger Investitionen in den fossilen Sektor; Zunahme von Grätzel-Oasen; wachsendes Verständnis für lokale Wirtschaft und regionale Verbundenheit; mehr politisches Engagement der jungen Generation; Adaptionen/Wandel im Wirtschafts- und Finanzsystem zu einer neuen Ökonomie – „socio-ecological-economics“.

Bildung, mit besonderer Intention die Demokratie zu stärken, soll einen bedeutenderen Stellenwert bekommen. Kooperative und interdisziplinäre Forschung sowie eine Wissenschaft, die „sich stärker auf gesellschaftliche Zukunftsfragen“ ausrichtet, werden von Helga Kromp-Kolb gefordert und erwartet. 

Die Autorin appelliert an uns alle, rascher und entschlossener zu handeln. Jede und jeder Einzelne ist mit ihrer/seiner Entscheidung, wie wir unser Leben weiterführen, wichtig. Sie ersucht um Bereitschaft, das „Undenkbare“ zu denken. Deshalb empfiehlt sie eine offensive „Risikokultur“. Sie vergisst nicht, zu betonen, dass Klimapolitik eine Politik der Umverteilung beinhaltet. Deshalb gibt sie Fragen, wie Politik und Wirtschaft verflochten sind und wie Demokratie erhalten werden kann, höchste Priorität. 

Das Buch der Wissenschafterin und Volksbildnerin liefert praxisnahe Argumente und Grundlagen, persönliche und gesellschaftliche Entscheidungen bezüglich Klimawandel zu treffen. Es regt an, (Erwachsenen)Bildung attraktiv und lebensnah zu gestalten, Professionalisierung fortzusetzen sowie demokratische Selbst- und Mitbestimmung im sozialen und politischen Umfeld zu stärken.

Aufgrund der umfassenden Problematik und des interdisziplinären Ansatzes sowie wegen des lehrreichen, aber nicht belehrenden Inhalts, ist das Buch für alle Bereiche der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, die gesellschaftlichen Wandel und soziale Transformationen thematisieren, zu empfehlen. //

Lenz, Werner (2024): Helga Kromp-Kolb: Für Pessimismus ist es zu spät. Wir sind Teil der Lösung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2024, Heft 282/75. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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