Bekannt ist Peer Review vor allem im Hochschulbereich, wo es zur Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten schon lange verbreitet ist. Seit 2004 wird auf europäischer Ebene versucht, Peer Review auch in andere Bildungsbereiche einzuführen, so z.B. an Schulen und in der Weiterbildung. Mittlerweile wird das Verfahren tatsächlich in anderen beruflichen Feldern erfolgreich verwendet, so z.B. in der beruflichen Bildung zur Schulentwicklung.1
Peer Review ist ein externes Evaluationsverfahren, das die evaluierte Einrichtung bei ihrer Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung unterstützt.2 Das aktuelle Erasmus+-Projekt mit dem Titel „Transnational Peer Review in Validation of non-formal and informal learning (VNFIL) Extended“, das noch bis Mitte 2018 läuft, will nun die Möglichkeiten von Peer Review als Methode zur Qualitätsentwicklung im Bereich der Validierung und Kompetenzanerkennung ausloten, testen, weiter entwickeln und gegebenenfalls auch systematisch implementieren.3
Entwicklungsorientiertes Verfahren auf Augenhöhe
Die Projektpartner sind Validierungseinrichtungen aus Österreich, den Niederlanden, Portugal, Frankreich, Litauen, der Slowakei und Belgien. Gemeinsam ist allen, dass sie Validierungsprozesse aus eigener Praxis kennen. Ziel des aktuellen Peer Review-Projekts ist es, transnationale Peer Reviews zwischen den Partnereinrichtungen durchzuführen und das Verfahren für Validierungseinrichtungen weiter zu entwickeln bzw. anzupassen. Außerdem soll versucht werden, nationale Stakeholder zu gewinnen und Peer Review als Instrument zur Qualitätsentwicklung in Anerkennungseinrichtungen einzuführen.
Peer Review ist ein formatives Evaluationsverfahren, das entwicklungsorientiert ist und nicht das Ziel hat, normativ als Kontrollinstanz die Prozesse einer Einrichtung zu überprüfen. Es ist kein neues Qualitätsmanagementsystem und ersetzt ein solches auch nicht. Es basiert auf Freiwilligkeit und gegenseitigem Vertrauen: Die Einrichtung sucht sich die Peers selber aus, die entweder aus ähnlichen Einrichtungen kommen, aber auch Stakeholder oder KundInnen sein können. Die Peers begegnen der Organisation auf Augenhöhe und geben kollegiales Feedback aus ihrer Kenntnis des Feldes heraus („bottom up“). Die Einrichtung wirft einen selbstreflexiven Blick auf ausgewählte Bereiche ihrer Tätigkeit und verfasst einen Self Report, der die Grundlage für die Arbeit der Peers ist, und in dem Evaluationsfragen zu speziellen Themen gestellt werden. Während einem zwei- bis dreitägigen Peer Visit kommen die Peers dann persönlich in die Einrichtung, die sie eingeladen hat und verschaffen sich vor Ort ein Bild von der Lage. Methodisch werden neben Datenanalyse hauptsächlich Interviews eingesetzt, z. B. mit MitarbeiterInnen, KundInnen, Stakeholdern u.a. Am Ende des Peer Visit präsentieren die Peers der Einrichtung ihre Beobachtungen und verschriftlichen diese in einem Peer Review Report. Nun ist es an der Einrichtung, für sich herauszufinden, welche dieser Ergebnisse sie für ihre Weiterentwicklung in naher oder fernerer Zukunft nutzen will und kann.
Lernen über die Grenzen hinweg: Peer Review mit transnationalem Blick
Der transnationale Aspekt ist nicht zwingend notwendig für das Peer Review-Verfahren, aber ein besonderer Pluspunkt in diesem Projekt . Bei jedem Peer Review kommen vier Peers zu einem Team zusammen, das in der Zusammensetzung jeweils drei unterschiedliche Nationalitäten umfassen muss. Dies stellt eine Herausforderung in sprachlicher und organisatorischer Hinsicht dar, hat aber auch einen großen Vorteil: Die transnationalen Peers müssen sich auf ein anderes Bildungs- und Validierungssystem vorbereiten und einlassen. Sie bringen einen Außenblick und eigenes Wissen über die Validierungspraxis des Herkunftslandes mit und können beim Peer Visit Dinge erkennen, die nationale Peers aus der Verbundenheit mit dem eigenen System heraus nie sehen würden.
Grundsätzlich ist der Lerneffekt immer beidseitig: Die Organisation, die sich einem Peer Review-Prozess unterzieht, erhält von den Peers Rückmeldungen für ihre Qualitätsentwicklung. Aber die Peers selber lernen durch ihre Tätigkeit ebenfalls enorm viel und nehmen für ihre eigene Arbeit Lernergebnisse mit, die sie mit der Einrichtung, in der sie arbeiten, teilen können.
Bei transnationalen Peer Reviews ist dieser Lerneffekt für Peers noch einmal potenziert: Lernt man durch den Blick auf ein anderes Verfahren schon als nationale/r Peer sehr viel, gilt das als transnationale/r Peer erst recht. Ohne Einblicke in bildungspolitische Entwicklungen des anderen Landes, ohne Einblicke in die politische Kultur und den Status quo des Validierungssystems funktioniert transnationales Peer Review nicht. Dies wird sozusagen im Prozess, durch konkrete Einblicke in die Bildungsarbeit der besuchten Einrichtung erworben, und bringt einen sehr authentischen und nachhaltigen Lerneffekt mit sich.
Evaluation und Professionalisierung auf europäischer Ebene – Austausch und Vernetzung inklusive
Peer Review ist Evaluation und Professionalisierung. Im Vordergrund steht Lernen durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch auf europäischer Ebene. Den teilnehmenden Einrichtungen wird ein beeindruckendes Handwerkszeug zur Verfügung gestellt: Ein Handbuch beschreibt Voraussetzungen, Abläufe, Rollen und Erfordernisse eines Peer Review-Prozesses, eine Toolbox stellt Formulare zur Verfügung, die während eines Peer Reviews nützlich sind und ein europäischer Qualitätsrahmen bietet Empfehlungen, auf welche Themen eine Einrichtung bei einem Peer Review ihren Fokus setzen könnte. Diese Instrumente sind nützlich, aber nie normativ zu verstehen, d.h. sie sollen unterstützen, ohne unverrückbare Wahrheiten darzustellen.
Neben der Qualitätsentwicklung wird auch der Austausch und die Vernetzung von Validierungseinrichtungen untereinander gefördert. Gerade in einem Land wie Österreich, das noch über keine kohärente politische Validierungsstrategie verfügt, ist dies umso wichtiger. Es gibt viele Leuchtturmprojekte, die viel mehr voneinander lernen könnten, wenn es mehr Austausch gäbe. Auf europäischer Ebene bietet Peer Review die Möglichkeit, Beispiele guter Praxis über die Grenzen hinweg auszutauschen, die Professionalisierung von Validierungseinrichtungen voranzutreiben und Vertrauen und Transparenz europaweit zu fördern und zu stärken.
Peer Review – und dann?
Die derzeit laufende Pilotphase des Projekts wird im Frühsommer 2017 abgeschlossen sein. Alle Partnereinrichtungen des Projekts werden dann ein eigenes Peer Review durchlaufen haben und werden selber auch (mehrfach) Peers auf nationaler und transnationaler Ebene entsendet haben. Die wba gehörte zu den ersten, die ihren Peer Visit hatte: Bereits Anfang Dezember 2016 kamen zwei nationale Peers (vom bfi Salzburg und der Frauenstiftung Steyr) sowie zwei internationale Peers (aus den Niederlanden und der Slowakei) auf Besuch. Aber die wba entsandte auch zwei Mitarbeiterinnen als Peer: Gudrun Breyer sammelte Erfahrung als nationaler Peer bei der Frauenstiftung Steyr, Giselheid Wagner war als Peer bei der Universität für Bodenkunde, der einzigen österreichischen Universität im Projekt, und fuhr als transnationaler Peer nach Lissabon.4 In der Folge werden die Ergebnisse und Rückmeldungen aus den Peer Reviews gesammelt, analysiert und zugänglich gemacht. Den Abschluss des Projekts wird eine Konferenz in Brüssel im Juni 2018 bilden.
Die größtenteils begeisterten Rückmeldungen der Peers und der Partnereinrichtungen zeigen, dass Peer Review das Potenzial hat, längerfristig Einzug in die Validierungslandschaft zu finden. Natürlich lässt sich die Methode auch auf andere verwandte Bereiche anwenden, so z.B. auf Erwachsenenbildungseinrichtungen allgemein. Um eine Weiterführung von Peer Review und weitere Vernetzung von Validierungseinrichtungen europaweit auch über das Projektende hinaus zu fördern, unterstützt das Projekt die europäische Peer-Review-Vereinigung, die Maria Gutknecht-Gmeiner in Wien gegründet hat. Als Mitglied dieses Netzwerks können Einrichtungen Peers für einen professionellen Peer Review-Prozess finden oder Peers zu einem Peer Review eingeladen werden.
Validierungsstrategie 2018
Während Länder wie Frankreich, die Niederlande, Portugal oder auch die nordischen Länder bereits funktionierende Validierungssysteme mit gesetzlichen Grundlagen haben, ist Österreich (wie im Übrigen auch Deutschland) in dieser Hinsicht noch Entwicklungsgebiet. Mit der „Empfehlung zur Validierung des nonformalen und informellen Lernens“ des Europäischen Rates von 20125 wurden alle EU-Mitgliedsstaaten aufgerufen, eigene Validierungsstrategien zu entwerfen. Österreich ist nun also dabei, über ein staatlich geregeltes Validierungssystem nachzudenken; nach einem Konsultationsprozess soll 2018 die Strategie veröffentlicht werden. Neben Themen wie Infrastruktur, Zugang, Rechtsanspruch u.a. geht es natürlich um Fragen wie Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Qualität – Qualität der Validierungsverfahren und auch des Personals, das hierfür arbeitet. Hier kommt nun auch Peer Review wieder ins Spiel, denn in diesem Bereich kann es einen Beitrag leisten. Teil des Projekts ist es daher auch, in den Partnerländern Stakeholder-Komittees zu bilden, um Peer Review auch politisch zu implementieren.
Es bleibt also spannend. 2018 scheint für Validierung und Kompetenzanerkennung in Österreich ein wichtiges Jahr zu werden. //
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