Wir erleben ein Zeitalter der „Verlockung des Autoritären“. Diffuse Unzufriedenheit nagt von innen an demokratischen Verhältnissen. Von außen werden sie durch aggressive Kriegshandlungen (Russland) und ökonomisch motivierte schleichende Erosionsprozesse (China) bedroht.
Der Politikwissenschafter Herfried Münkler, an der Berliner Humboldt Universität tätig, vertritt eine klare Überzeugung: Der Wille der europäischen Bürger*innen, ihr Engagement, ihre Sachkompetenz, ihre politische Urteilskraft ist mitentscheidend für die Zukunft von Demokratie.
In vier Kapiteln vertritt der Autor seine Anliegen. Im Ersten diagnostiziert er, „wie es um die Demokratie bestellt ist“. Bedrohung durch Feinde von außen, durch Enttäuschung und Resignation von innen sowie durch veränderte Rahmenbedingungen führen zu Niedergang und schleichender Erosion.
Gründe, warum die Demokratie in der Defensive ist, liefert das zweite Kapitel. In der Geschichte der Demokratie hat die Empfindung, sie sei gefährdet, immer schon eine erkennbare Rolle gespielt. Oligarchischen oder monarchischen Regierungsformen wurde offenbar mehr Stabilität zugetraut, als einer Regierung von Parteien und politisch engagierten Bürger*innen.
Demokratie bringt Interessenkonflikte und konkurrierende Werte mit sich, die kontinuierlich auszuhandeln sind. Besonders durch Verschwörungstheorien in den letzten Jahrzehnten mit ihren Feinderklärungen werden gesellschaftliche Spaltungen vertieft. Intensiviert durch die Wirkung sozialer Medien, urteilt der Politikwissenschafter, werde Demokratie in die Defensive gedrängt.
Was die Demokratie gefährdet und bedroht, ist Inhalt des dritten Kapitels. Münkler nennt drei Herausforderungen:
- sozio-ökonomische Veränderungen,
- Veränderungen der Medien und der Art der Kommunikation,
- die Formen, wie besondere Probleme behandelt werden.
Am Beispiel der ökologischen Krise zeigt Münkler, dass die Demokratie, hinsichtlich der Sensibilisierung der Bürger*innen, dem autoritär-technologischen Regime Chinas überlegen ist. Auf die Wirksamkeit bezogen präferiert der Autor anstelle einer „Konkurrenzdemokratie mit Mehrheitsentscheidung“ über unterschiedliche Handlungsmodelle eine Konsensdemokratie, in der Kompromisse ausgehandelt werden.
Im vierten Kapitel erörtert Münkler, was die Demokratie braucht. Seine klare Antwort: kompetente und engagierte Bürgerinnen und Bürger. Konkret plädiert Münkler für mediale und kommunikative Kompetenz, für Bereitschaft zu politischem Engagement auch in der Kommunalpolitik – „an den Graswurzeln der Demokratie“. In dieser „kompetenten Beteiligung am demokratischen Prozess“ liegt die Chance, die Machthabenden, die Vermögenden, die Regierenden zu kontrollieren und mittels Wahlen politische Richtungsentscheidungen mitzubestimmen.
Demokratie muss permanent reformiert werden, meint Münkler. Deshalb ist in der Schule allein Wissen zu erwerben nicht ausreichend. Eine große Bedeutung und Verantwortung von Weiterlernen, Weiterbildung und Erwachsenenbildung, um an politischen Prozessen teilzunehmen, ist daraus abzuleiten.
Das Buch liest sich als gut verständliches Basisbuch, das aktuelle Probleme von Demokratien in den Blick nimmt. Allerdings werden die Konsequenzen internationalisierter Ökonomie und technologischer Entwicklungen kaum in den Vordergrund gerückt – dies bleibt vielleicht einer weiteren Publikation oder dem Geschick professioneller Lehrender überlassen.
Für die Kategorie Politik/politische Bildung ein tragfähiger, solide argumentierter Lehr- und Lernbehelf. //
Kommentare