1. Einleitung
Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen – allen voran die Globalisierung sowie demographischer und technologischer Wandel – stellen das Individuum in allen Lebensphasen vor neue Herausforderungen. Eine mögliche Antwort auf diese Veränderungen ist „lebenslanges Lernen“, verstanden als Lernen aus beruflichen, sozialen und persönlichen Gründen in allen Abschnitten des Lebens (Kolland & Klingenberg: 2011).
Bildung stellt damit auch im Alter eine wichtige Ressource dar, um die durch den demographischen Wandel neu entstehende verlängerte nachberufliche Lebensphase zu gestalten und zu reflektieren. Bildung im Alter steht damit auch als Bildung für das Alter im Vordergrund der Diskussion (Kade: 2009): Sie kann dabei helfen, Lebenslagen und Lebensveränderungen in der nachberuflichen Phase zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen (Köster: 2012). Gleichzeitig stellt Bildung im Alter ein wichtiges Vergesellschaftungselement älterer Menschen dar, das besonders dann wirken kann, wenn andere Determinanten der gesellschaftlichen Teilhabe – wie Anbindung an einen fixen Arbeitsplatz – in der nachberuflichen Phase an Bedeutung verlieren.
Bildung im Alter liegt dabei meist ein weiterer Bildungsbegriff zu Grunde als in jüngeren Jahren (Kruse: 2003): Wenn Bildung nicht mehr vom Bildungs- oder Berufssystem aufoktroyiert wird, so ändert sich Bildung in ihren Zielen, Motivationen und ihrer Form. Lebenslanges Lernen findet damit nicht nur lebenslang, sondern auch lebensumfassend statt: Neben unterschiedlichen Lebensphasen als Ausgangspunkt für Bildungstätigkeit tritt neben Lernen in formalen Kontexten auch informelles Lernen im Alltag in den Fokus der SeniorInnenbildung.
Obwohl Bildung also auch in der nachberuflichen Phase eine wichtige Grundlage der sozialen Teilhabe älterer Menschen darstellt, tritt sie in der öffentlichen Wahrnehmung in Österreich und Europa häufig in den Hintergrund. Dies hat vor allem zwei Gründe: Erstens ändern sich unsere gesellschaftlichen Vorstellungen vom Alter erst langsam von einer Defizit- zu einer Ressourcenperspektive – ältere Menschen werden immer noch häufig als wenig (bildungs)aktiv, zurückgezogen oder gesundheitlich eingeschränkt verstanden. Hier versuchen Angebote der SeniorInnenbildung in Österreich aktiv entgegenzuwirken, indem sich dieser Sektor stärker der Selbstbestimmung älterer Menschen zuwendet (siehe Abschnitt 2). Zweitens ist der Zugang zu Bildung in der nachberuflichen Phase – obwohl die Bildungsbeteiligung in den letzten Jahren rasant steigt – durch eine hohe Selektivität gekennzeichnet: intrinsische und extrinsische Bildungsbarrieren stellen für viele ältere Menschen signifikante Hürden im Zugang zur Bildung in der nachberuflichen Phase dar (siehe Abschnitt 3).
2. Institutionelle Entwicklung der SeniorInnenbildung in Österreich
Die österreichische SeniorInnenbildung entwickelt sich parallel zur europäischen Bildung für Menschen im dritten und vierten Lebensalter über mehrere Jahrzehnte eher gemächlich und bleibt dabei zunächst fast vollständig im Bereich der Erwachsenenbildung verankert.
Von staatlicher Seite wurde 1945/46 eine Zentralstelle für Volksbildung im Unterrichtsministerium geschaffen. Im Jahr 1950 folgt die Einrichtung des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen – die Standorte der Volkshochschulen werden nach dem Krieg zum sozialen Ort. Während die dort vermittelte Bildung anfangs stark auf praktische Alltagsstrategien abzielt, werden nach und nach auch die Zugänge zu Zeitgeschichte, Kunst und Kultur für die Bevölkerung geöffnet (Filla: 2014). 1956 kommt es zur Eröffnung des „Bundesstaatlichen Volksbildungsheim St. Wolfgang des Bundesministeriums für Unterricht“, heute besser bekannt als „Bundesinstitut für Erwachsenenbildung“ (BIfEB)1. Als Aus- und Fortbildungsstandort für ErwachsenenbildnerInnen mit MultiplikatorInnenfunktion nimmt es zusammen mit dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) eine wichtige Rolle im Bereich der Vernetzung innerhalb des Feldes der SeniorInnenbildung ein. Auch die katholischen, evangelischen und nicht-konfessionellen Bildungswerke entstehen in dieser Zeit. In den 1960er-Jahren entwickeln sich erste Ansätze zu Bildungsangeboten als Nebenprodukt von Fürsorge im wohlfahrtsstaatlich organisierten Österreich: Während in sogenannten Wärmestuben primär die Linderung der materiellen Not Älterer im Vordergrund steht, ergeben sich daraus neben der Kommunikation mit Gleichaltrigen auch Vorträge oder Ausflüge und damit Raum für Bildungstätigkeiten (Heidecker & Sauter: 2011). Im Jahr 1972 wird die „Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ)“ gegründet.
Während in Österreich bis in die 1970er Jahre das Defizitmodell des Alterns dominiert, wonach Alter als „defizitärer Sonderstatus“ (Becker & Brandenburg: 2014, S. 43) begleitet von körperlichem Verfall und einem Rückzug aus dem sozialen Leben (Disengagement-Theorie) begriffen wird, findet in den 1980er-Jahren ein Wandel des Altersbildes mit Auswirkungen auch auf die Bildungsangebote statt: Man beginnt, auf das Kompetenzmodell des Alters zu rekurrieren, welches die Prämisse eines aktiven und erfolgreichen Alterns als Kern hat – entsprechende Bildungsangebote gehen auf Aktivierung im dritten Lebensalter ein (Aktivitätstheorie). Diese Programme finden sich nun nicht nur auf Ebene verschiedener Organisationen (Bildungswerke, Volkshochschulen etc.), sondern auch vermehrt in Gemeinden, Vereinen und kleinen Initiativen.
In den 90ern nimmt die SeniorInnenbildung schließlich die Wende zu einem Verständnis selbstbestimmten Älterwerdens, beispielsweise durch die Integration von IKT2-Programmen, was als Zuwendung zu lebensweltlich en Themen begriffen werden kann und auf die Förderung der Eigenständigkeit der älteren Personen abzielt. Heute hat sich SeniorInnenbildung zur Altersbildung entwickelt und der gerontologische Diskurs beschäftigt sich analog zum gesellschaftlichen und technologischen Wandel mit der Neukonzeption des Alterns als eine „Neue Kultur des Alterns“ (Kolland: 2016). Im Sinne des lebenslangen Lernens endet die Phase der Informationsgewinnung nicht mehr nach Abschluss der Ausbildung oder dem Austritt aus dem Berufsleben, sondern begleitet Menschen auch im dritten und vierten Lebensalter. SeniorInnenbildung ist somit zum jetzigen Zeitpunkt „eine Form von ‚Selbstbildung‘, ist handlungs- und erfahrungsorientiert, dient der eigenen und der gesellschaftlichen Entwicklung und ist in diesem Sinne nachhaltig“ (Heidecker & Sauter: 2011, S. 43).
Von einer systematischen, institutionell verankerten SeniorInnenbildung kann in Österreich allerdings (noch) nicht gesprochen werden. Obwohl die SeniorInnenbildung einen Bereich mit wachsender Nachfrage darstellt, ist ihre Bedeutung nach wie vor randständig (Klercq: 2000). Bislang fehlt es an einer systematischen Institutionalisierung der SeniorInnenbildung in Österreich. Auch in der Aktionslinie 9 aus der von der österreichischen Bundesregierung erarbeiteten Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich (2011) kommt man zu dem Schluss: „Derzeit sind Bildung und Weiterbildung überwiegend auf das Berufsleben ausgerichtet. Bildung in der nachberuflichen Lebensphase ist hingegen wenig etabliert. Ein flächendeckendes Grundangebot ist nicht vorhanden, und Bildungsberatung für Ältere wird kaum angeboten“.
Die größten AnbieterInnen für SeniorInnenbildungsangebote sind in Österreich die Volkshochschulen sowie die verschiedenen Bildungswerke, weiters der österreichische Bibliothekenverbund, die österreichischen Volksliedwerke und der Bundesverband Seniorentanz Österreich. Daneben agieren Vereine, Initiativen etc. teilweise selbstorganisiert ohne Unterstützung durch Förderungen oder Mitgliedsbeiträge. Bildungsarbeit mit Älteren findet oft auch in semi-privaten Settings statt, in denen Bildung nicht im Fokus steht – somit auch nicht (statistisch) erfasst werden kann (Heidecker & Sauter: 2011) –, oder bewegt sich in Einrichtungen der Pflege quasi im Zwischenfeld von Bildung und Alter.
3. Bildungsbeteiligung und Bildungsbarrieren in der nachberuflichen Phase
Wie wirken sich diese organisationalen Rahmenbedingungen auf die Bildungsteilnahme älterer Menschen aus? Zur Darstellung der aktuellen Bildungsbeteiligung älterer Menschen wurden die Daten des „Survey of Health, Age, Retirement in Europe“ (SHARE) für Österreich herangezogen. SHARE ist eine repräsentative, europäische Panelbefragung, die Daten zu Gesundheitszustand, sozioökonomischem Status, sozialen Netzwerken und Aktivitäten von EuropäerInnen über 50 Jahren erhebt. In Österreich wurden in der fünften Welle 4252 Personen über 50 Jahre in Privathaushalten befragt. Zusätzlich wurden PartnerInnen unabhängig von ihrem Alter und Personen in Pflegeheimen berücksichtigt (De Luca et al.: 2015). In den folgenden Analysen wurden neben den befragten Personen über 50 Jahren auch PflegeheimbewohnerInnen und PartnerInnen berücksichtigt, sofern diese zum Erhebungszeitpunkt ein Alter von über 50 Jahren angaben.
Die Organisationen der SeniorInnenbildung in Österreich – so zeigt sich anhand der historischen Entwicklung – verändern sich von einem defizitorientierten Bild älterer Menschen, das Bildung eher mit Altenhilfe verknüpft sieht (Karl: 2003), zu einem stärker aktivitätsorientierten Paradigma, das die gesellschaftliche Gestaltungsfähigkeit älterer Menschen durch soziale Partizipation in den Vordergrund stellt. Dass dieser institutionelle Wandel auch durch neue Generationen älterer Menschen mitgetragen und unterstützt wird, zeigen aktuelle Zahlen zur Bildungsbeteiligung älterer Menschen in Österreich: Zwischen 2006/07 und 2013 haben sich die Beteiligungsraten an Bildung in der nachberuflichen Phase fast verdreifacht (siehe Tabelle 1). Werden dabei nicht nur Bildungstätigkeiten im engeren Sinne (formale Bildungstätigkeiten), sondern auch im weiteren Sinne (wie die Beteiligung an Ehrenamt) berücksichtigt, so zeigt sich jede zweite Person über 60 Jahren bildungsaktiv: Aus einer Befragung zum freiwilligen Engagement in Österreich aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass sich 53 Prozent der Menschen zwischen 60 und 69 Jahren und 36 Prozent der Menschen über 70 Jahren freiwillig engagieren (Feistritzer et al.: 2013).
Tabelle 1: Beteiligung an Bildung in der nachberuflichen Phase in Österreich. Survey of Health, Age and Retirement in Europe (2006– 2013). n=2858. Eigene Darstellung.
Lässt sich aus den Daten zur Bildungsbeteiligung auf eine altersbedingte Abnahme des Engagements über den Lebenslauf schließen? Nein, denn es zeigt sich, dass die nachberufliche Phase in Österreich nicht mit Rückzug, Ruhestand und geringerer Bildungsbeteiligung einhergeht, im Gegenteil: Gerade das „dritte Alter“ (Höpflinger: 2015) zwischen 50 und 79 Jahren stellt eine bildungsaktive Lebensphase dar. So zeigen die aktuellen SHARE-Daten für Österreich, dass sowohl die Bildungsbeteiligung im engeren Sinne (Beteiligung an Kursen) als auch im weiteren Sinne (Beteiligung am Ehrenamt) nicht linear mit höherem Lebensalter abnimmt, sondern um die Zeit des Austritts aus dem Erwerbsleben (zwischen 60 und 65 Jahren) sogar ansteigt. Die Partizipation älterer Menschen an Bildung erreicht ihren Höhepunkt im dritten Lebensalter – einer Lebensphase, die nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben von Gestaltungsmöglichkeiten einer neuen Freiheit geprägt ist und oft bei guter Gesundheit erlebt wird – und flacht dann mit zunehmendem Alter ab (siehe Abbildung 1).
Wenn es also darum geht, Bildung im Alter institutionell zu unterstützen, so sind vor allem Lernformate zu berücksichtigen, die weniger stark in formalen und non-formalen Kontexten verortet sind. Bildung im Alter findet praxisorientiert statt und ist als solches in unterschiedlichste Partizipationsformen – wie etwa ehrenamtliches Engagement – eingebettet.
Die nachberufliche Phase ist also nicht prinzipiell als bildungsfern zu verstehen – sie kann Bildungstätigkeiten sogar befördern und als Ausgangspunkt für sie dienen. Gleichzeitig zeigt sich Bildung auch als eine Ressource, um mit den Herausforderungen der neuen Lebensphase nach der Erwerbstätigkeit umzugehen: Wie in zahlreichen empirischen Studien der letzten Jahre beschrieben (Jenkins & Mostafa: 2015; Siegrist & Wahrendorf: 2009; Wahrendorf & Siegrist: 2010), zeigt sich auch in den aktuellen SHARE-Daten für Österreich, dass sich Bildung im Alter positiv auf die Lebensqualität auswirkt. So geben über alle Altersgruppen der Über-50-Jährigen hinweg jene Personen, die sich an Bildung beteiligen, signifikant höhere Werte der Lebensqualität an als jene, die dies nicht tun (p<0,05). Bildung kann damit als Wert verstanden werden, der die Lebenszufriedenheit im Alter wesentlich beeinflusst (Kolland & Wanka: 2014).
Eine Herausforderung im Hinblick auf die Entwicklung der SeniorInnenbildung in Österreich stellen Bildungsungleichheiten im dritten Lebensalter dar. Die „doppelte Selektivität“ (Faulstich: 2003) der Erwachsenenbildung lässt sich auch in der Bildung in der nachberuflichen Phase beobachten: Bereits bestehende Ungleichheiten im früheren Lebensalter aufgrund unterschiedlicher Bildungsniveaus setzen sich im Alter fort. Während sich etwa im Jahr 2013 neun Prozent der älteren Personen mit Abschlüssen aus dem sekundären Bildungsbereich an Bildungsangeboten für SeniorInnen beteiligten, taten dies Menschen mit Ausbildungen des Tertiärbereichs zu 63 Prozent. Auch die finanzielle Situation wirkt – wenn auch weniger stark als das Bildungsniveau der befragten Person – auf die Bildungsbeteiligung im Alter: Während das Viertel mit den höchsten monatlichen Haushaltseinkommen in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung zu 13 Prozent an Bildung teilgenommen hat, taten dies nur fünf Prozent der untersten Einkommensgruppen. Bildung in Österreich zeichnet sich also auch im Alter durch eine hohe soziale Selektivität aus und spricht vor allem höhere Einkommens- bzw. Bildungsschichten an.
Eine Herausforderung ist dabei zusätzlich, dass der fehlende Zugang zu Bildung in der nachberuflichen Phase häufig nicht als Mangel erlebt wird: Auf einer zehnstufigen Skala bewerten PflichtschulabsolventInnen ihre Zufriedenheit mit der Nicht-Teilnahme an Bildungsaktivitäten durchschnittlich mit acht Punkten – und sind damit signifikant zufriedener als Personen mit höherem Bildungsstand, die keine der aufgeführten Bildungsaktivitäten ausüben. Gleichzeitig sind PflichtschulabsolventInnen, wenn sie einer Aktivität nachgehen, signifikant unzufriedener mit dieser Aktivität als Personen mit tertiärem Bildungsabschluss. Aus dieser Perspektive ergibt sich die Herausforderung, Bildungsangebote zu schaffen, die von bildungsfernen Personen in der nachberuflichen Phase als sinnvoll und sinnstiftend erlebt werden. Hier könnten praxisorientiertere, alltagsnähere Lernformen eine Möglichkeit sein, die Anschlussfähigkeit des Gelernten im Alltag transparent zu machen und so mehr Bildungsgruppen mit SeniorInnenbildung zu erreichen. So zeigt sich etwa, dass die Einbindung in ehrenamtliche Tätigkeiten weniger stark nach Bildungsgruppen stratifiziert verläuft als die Einbindung in formale und non-formale Weiterbildung (Wanka & Gallistl: 2016).
4. Diskussion & Ausblick
Wie lassen sich aus diesen Ergebnissen weitere Schritte zur Entwicklung der SeniorInnenbildung in Österreich formulieren? Prinzipiell zeigt sich die SeniorInnenbildung in Österreich einer starken Segmentierung unterworfen – sowohl auf der Ebene der anbietenden Organisationen als auch aufgrund einer starken Heterogenität innerhalb der Zielgruppe. Möglichkeiten zur Steigerung der Bildungsbeteiligung werden aus ExpertInnensicht einerseits in der Entwicklung eines erweiterten Bildungsbegriffs gesehen: Durch Schaffung von lernaffinen Räumen außerhalb von Bildungsinstitutionen, z. B. in Kunst und Kultur, könnten Möglichkeiten für neue Ausdrucksformen entstehen und ein breiteres Spektrum der heterogenen Zielgruppe der älteren Menschen mit Bildungsangeboten erreicht werden (De Groote: 2013; Bubolz-Lutz et al.: 2010). Andererseits könnte der Ausbau zielgruppenspezifischer Beratung Überblick in einer Vielzahl an Bildungsangeboten in der nachberuflichen Phase bieten: In einer Studie aus dem Jahr 2015 gaben 40 Prozent der Befragten zwischen 55 und 75 Jahren in der nachberuflichen Phase an, sie fühlten sich schlecht über Bildungsangebote informiert. 12,6 Prozent machten darüber hinaus die Angabe, die gesuchten Informationen nicht gefunden zu haben (Kolland et al.: 2014). Diese Ergebnisse machen deutlich, dass zielgruppenspezifische Beratungs- und Informationsangebote für Personen in der nachberuflichen Phase eine Möglichkeit darstellen könnten, um die Bildungsbeteiligung in dieser Lebensphase nachhaltig zu fördern.
Wichtig ist in diesem Kontext, dass die Lernmotivation und Interessenslagen im höheren Alter nicht aus institutionellen Arrangements, sondern persönlichen Wünschen und Bedürfnissen entstehen (Kolland: 2015). BildungsanbieterInnen können diesem Umstand Rechnung tragen und Programme inhaltlich, didaktisch und methodisch an die Bedürfnislagen von SeniorInnen anpassen, um so sinnstiftende und nachhaltige Angebote zu gewährleisten. Die kulturelle Bildung, die bis dato wenig Anknüpfungspunkte zur SeniorInnenbildung aufweist, wird hier von ExpertInnen als Bereich mit Potenzial beschrieben. Denkt man an Poetry Slams, Schreibwerkstätten, interaktive Fotokurse oder SeniorInnentheater wird deutlich, dass kulturelle Bildung dabei helfen könnte, der österreichische SeniorInnenbildung neue Impulse zu liefern und einer heterogenen Zielgruppe neue Ausdrucksformen zu verleihen.
Die SeniorInnenbildung in Österreich steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen: Sie will einen umfassenden Bildungsauftrag erfüllen, die Qualität der Angebote gewährleisten und gleichzeitig positivere Bilder des Alters schaffen. Folgende Strategien könnten als neue Impulse der SeniorInnenbildung in Österreich dienen:
-
Entwicklung von Netzwerken
Eine etablierte Gesamtstruktur könnte helfen, die SeniorInnenbildung aus ihrer randständigen Stellung zu befreien und die Grundlage für Weiterentwicklung zu bieten. Die aktuell vorherrschende eher personenbasierte, informelle Netzwerkbildung könnte in einer institutionalisierten Form größere Öffentlichkeit für SeniorInnenbildung schaffen und den Aufbau eines professionellen Netzwerks fördern.
-
Berücksichtigung der Diversität älterer Menschen
‚Mainstreaming Ageing’ im Bildungsbereich – verstanden als stärkere Berücksichtigung der Langlebigkeit, als Abbau von Vorurteilen und Altersdiskriminierung sowie als Ausgestaltung positiver Rahmenbedingungen für eine aktive Mitwirkung älterer Menschen – ist für die Konzeption alterssensibler Bildungsangebote notwendig. Statt den Fokus auf die heterogene Altersgruppe der Über-50-Jährigen zu legen, könnte die Berücksichtigung von speziellen Zielgruppen innerhalb der Älteren dazu beitragen, neue Gruppen für SeniorInnenbildung erreichbar zu machen (Kolland & Klingenberg: 2011). Eine Koexistenz von altershomogenen und altersgemischten Angeboten kann nützlich sein, um Vielfalt zu gewährleisten und den älteren TeilnehmerInnen Wahlmöglichkeiten zu geben. Bildung im Alter sollte bedürfnisorientiert gedacht werden – ein breites Angebot (sowohl inhaltlich wie auch infrastrukturell) verringert Zugangsbarrieren, die räumlicher, individueller oder milieubedingter Herkunft sind.
-
Generationenübergreifende Lernangebote
Intergenerationelles Lernen, verstanden als Lernen verschiedener Generationen miteinander wie auch voneinander, verbindet Lebenswelten unterschiedlicher Altersgruppen und kann dazu beitragen, Generationenkonflikte zu thematisieren: „Viele Aspekte der Lebenspraxis werden für beide Lebensalter in vergleichbarer Weise fraglich. Indem sie beide aufs Lernen verwiesen sind, scheint die Vision einer gemeinsamen Praxis auf, die Chancen für neue Brückenschlage eröffnet“ (Steinhoff: 2008, S. 141).
-
Betonung eines lebensweltlichen Bildungsbegriffs
Die Zuwendung zu lebensweltlicheren Themen kann dabei helfen, neue Zielgruppen innerhalb der Älteren für SeniorInnenbildung zu erschließen. Relevante Themenbereiche sind hier nach wie vor alle Facetten der Digitalisierung (vom technischen Umgang über digitale Kompetenz bis hin zu Datenschutz und Sicherheit im Netz), aber auch kulturelle Bildung, die ein neues Anwendungsfeld für SeniorInnenbildung im Kulturbereich erschließen könnte. Kulturelle Bildung verfügt über ein hohes Potenzial zur Weiterentwicklung eines Verständnisses von aktivem Altern sowohl in der Gesamtgesellschaft als auch in der Gruppe der SeniorInnen selbst, und kann Integrationsprozesse stärken (Fuchs: 2013). Durch das Medium der Künste finden individuelle Lern- und Auseinandersetzungsprozesse mit sich, der Umgebung und der Gesellschaft statt. Veränderungsprozesse können reflektiert, kommuniziert und verarbeitet werden (Zembylas: 2007).
Abschließend zeigt sich aus der Darstellung der institutionellen Rahmenbedingungen und Beteiligungsraten an der SeniorInnenbildung in Österreich, dass Bildung in der nachberuflichen Lebensphase nicht nur als eine individuelle Gestaltungsaufgabe älterer Menschen, sondern als gesellschaftspolitische Gesamtaufgabe verstanden werden kann: „Es ist aber ein Missverständnis, Lebenslanges Lernen […] nur als eine individuelle Bringschuld zu verstehen. Was als Anforderung an die Individuen beschrieben ist, markiert zugleich und unabdingbar eine Verpflichtung für Gesellschaft und Politik, den institutionellen Rahmen und die sozialen Verhältnisse so zu gestalten, dass die Individuen die Anforderungen bewältigen und die dafür notwendigen Kompetenzen ausbilden und weiterentwickeln können“ (Kolland: 2016). Für die Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung in der nachberuflichen Phase braucht es in Österreich damit nicht nur neue Generationen von älteren Menschen, die sich aktiv in die Gesellschaft einbringen wollen, sondern auch institutionelle Strukturen und Rahmenbedingungen, die älteren Menschen diesen aktiven Platz in unserer Gesellschaft einräumen. //
Kommentare