Wer in der Erwachsenenbildung tätig ist, hat sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit schon damit auseinandergesetzt, wie ein Seminar, ein Lehrgang oder das Programm der Bildungseinrichtung lernergebnisorientiert ausgerichtet werden können. Ganz besonders kann die Orientierung didaktischen Handelns an den Ergebnissen von Lernprozessen als Schlüssel zu qualitätsvollen, lerntransfergesicherten und Qualifikationsstandards zuordenbaren Bildungsangeboten fungieren. Dementsprechend große Aufmerksamkeit kommt der Lernergebnisorientierung in bildungspolitischen Forderungen und in bildungspraktischem Handeln zu. Ein reflektierter Umgang mit Lernergebnisorientierung ist ein wichtiger Bestandteil professionellen Handelns und eröffnet vielfältige Möglichkeiten für die Erwachsenenbildung.
In diesem Beitrag werde ich die Lernergebnisorientierung aus mehreren Blickwinkeln betrachten. Zu Beginn geht es um Lernen als Teil der alltäglichen Lebenspraxis und um unterschiedliche Formen des Lernens. Dann werde ich fragen, wo die Unterschiede zwischen Lernergebnissen und Lernzielen liegen sowie einige Beispiele aus der Geschichte und aus aktuellen bildungspolitischen Initiativen geben. Schließlich werde ich Chancen und Risiken in Bezug auf die vier Bereiche didaktisches Handeln, politische Steuerung, Lernergebnisanerkennung und Vergleichbarkeit von Lernergebnissen nennen. Ich schließe mit einem Ausblick. Für eine weiterführende Lektüre zum Thema empfehle ich die Studie von Peter Schlögl (2012).
Lernen als alltägliche Lebenspraxis
Bereits ein kurzer Blick in die wissenschaftliche Literatur und in politische Dokumente der letzten Jahre zeigt, dass der ‚Lernbegriff‘ den ‚Bildungsbegriff‘ als Hintergrundfolie und Horizont für die Erwachsenenbildung abgelöst hat. Es handelt sich dabei in vielerlei Hinsicht um eine tendenziell funktionale Ausrichtung des Lernbegriffs. Die Tendenz zum funktionalen Lernbegriff wird unterstützt durch die Überschneidung unterschiedlicher Faktoren, die allesamt in Zusammenhang stehen mit Internationalisierung, Ökonomisierung, Empirisierung und Individualisierung. Diese Entwicklungen durchziehen Politik, Bildungspraxis und Wissenschaft. Im Gegensatz zu Bildung, die als schwer zu fassendes Konzept bestehen bleibt, wird Lernen als beobachtbare, kontrollierbare und steuerbare Variable vor dem Hintergrund eines liberal-pragmatischen Gesellschaftsbildes positioniert.
Fasst man Lernen ganzheitlich, kommt man nicht umhin, zu erkennen, dass Menschen ständig lernend tätig sind und sich die Welt lernend aneignen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Aneignung der Welt innerhalb oder außerhalb von organisierten Lernsettings passiert, ob wir von lebenslang oder lebensweit, von formal, non-formal oder informell sprechen, ob die Aneignung explizit oder implizit, in Bildungseinrichtungen, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit geschieht: Lernen ist Lebensgrundlage, ganz besonders in einer Welt, die als ein ständig veränderter Problemzusammenhang wahrgenommen wird. In diesem fundamentalen Sinne ist Lernen, wie das z. B. auch Etienne Wenger (2008) argumentiert hat, ein integraler Bestandteil der alltäglichen, sozial eingebundenen Lebenspraxis.
Lernen, integriert in die Lebenspraxis, verläuft laut Bernd Hackl (2017) entlang von drei miteinander in Verbindung stehenden Funktionsaspekten: dem Probieren eines Handlungsvollzugs, dem Imitieren eines Handlungsverlaufs und dem Reflektieren einer Handlungsproblematik. Zusammengenommen charakterisieren diese drei Funktionsaspekte Lernen als ein Handeln. Nicht nur das Lernen an sich, sondern auch die beiden grundlegendsten Ergebnisse des Lernens – ‚etwas wissen‘ und ‚etwas können‘ – verweisen auf ein Handeln. Können meint, dass wir fähig sind, zielgerichtete Handlungen auszuführen und wissen meint, dass wir fähig sind Sinnzusammenhänge denkend zu vergegenwärtigen. (Vgl. Hackl: 2017, 18).
Erweiterung der Handlungsfähigkeit
Lernen baut auf vorhandenen gemeinschaftlichen und individuellen Erfahrungsbeständen auf. Jedes Lernen markiert die Fortführung von in der Vergangenheit bereits Gelerntem und die Grundlage für in Zukunft zu Lernendes. Damit hat es eine kulturelle und biographische Vergangenheit und einen kulturellen und biographischen Horizont. Menschen partizipieren an einer gemeinschaftlichen Praxis, indem sie Kultur schaffen, konservieren und verändern. Das in die Lebenspraxis integrierte Lernen führt dazu, dass die individuelle Handlungsfähigkeit in Bezug auf die eigene Lebensgestaltung und die gemeinschaftliche Praxis (privat, beruflich wie politisch) erweitert und die Identität im Wechselspiel von Individualisierung und sozialer Integration geformt wird.
Unterschiedliche Formen des Lernens bringen unterschiedliche Lernergebnisse. Dies will ich mit den folgenden Beispielen aufzeigen. Horst Rumpf unterscheidet zwischen Lernen als Erledigung oder Lernen als Vollzug. Bei Ersterem versuchen Lernende „den Reibungswiderstand durch die Herausforderung des Neuen und Unbekannten [zu] minimieren […]“ und greifen „kaum, dass etwas Nichtpassendes ihm in den Weg tritt – sofort zu Instrumenten, um den Bruch unspürbar oder unkenntlich zu machen, um möglichst ungestört und ohne Zeitverzug voranzukommen […].“ (Rumpf: 2008, 23). Im Gegensatz zum Lernen als Erledigung meint Lernen als Vollzug ein tiefgehendes Lernen, bei dem man sich „auf die Unbekanntheiten, die Unstimmigkeiten, die auch bedrohlichen Offenheiten“ einlässt. Diese Art des Lernens „nimmt Risiken des Probierens auf eigene Faust hin, es vertraut nicht der Autorität, die Instrumente zum Zeitgewinn und Wegabkürzung bereit hält [sic].“ (Ebd.). Ohne konkrete Beispiele zu nennen, zeigen schon die abstrakten Beschreibungen, dass die Ergebnisse der jeweiligen Lernformen unterschiedliche Qualitäten haben werden.
Eine etwas verkürzte Darstellung findet man in den Definitionen von Lernen und von Lernen durch Praxis, wie sie von CEDEFOP, der Berufsbildungsagentur der Europäischen Union vorgeschlagen werden. Im aktuellen bildungspolitischen Glossar wird Lernen definiert als ein „Prozess, in dem eine Person Informationen, Ideen und Werte aufnimmt und sich auf diese Weise wissen, Know-how, Fähigkeiten und/oder Kompetenzen aneignet. Anmerkung: der Lernprozess entsteht durch selbstständiges Reflektieren, Rekonstruieren sowie durch soziale Interaktion […]“ in formalen, non-formalen und informellen Settings. (CEDEFOP: 2014, 155). Mit Lernen durch Praxis verweist das Glossar dann auf „Lernen mit oder ohne vorherige Anleitung durch wiederholtes Durchführen einer bestimmten Arbeitsaufgabe. Oder[:] Lernen durch Veränderung der geistigen Ressourcen, die aus der Konfrontation mit der Realität herrührt und zu neuen Kenntnissen und Fertigkeiten führt.“ (Ebd., 157).
Um die bisherige Argumentation zusammen zu fassen, sei gesagt, dass das Lernen als Erledigung oder das Lernen, wie es von CEDEFOP definiert wird, in vielen Bereichen des Lebens wichtig ist. Jedoch handelt es sich in diesen beiden Fällen um Lernen, dass eine Anpassungsleistung darstellt. Ich möchte hervorheben, dass aber gerade der Umgang mit Offenheit, Irritationen oder Konfrontationen – wie es im Lernen als Vollzug bzw. im Lernen durch Praxis aufgegriffen wird – ein zentraler Bestandteil eines Lernens ist, das Veränderungen hervorbringen kann. Die Erwachsenenbildung als Feld hat eine lange Tradition darin, besonders offen zu sein für jenes Lernen, das Veränderung hervorbringt und ist damit gewissermaßen prädestiniert dafür, dieses tiefergehende Lernen zu fördern.
Lernergebnisse oder Lernziele?
Der Lernergebnisdiskurs in der Erwachsenenbildung erhält durch bildungs- und arbeitsmarktpolitische Vorstellungen der Europäischen Union (EU) eine starke Prägung. Die EU fungiert als Katalysator und Koordinator unterschiedlichster Perspektiven auf Lernen und Bildung und versucht dabei, den kleinsten gemeinsamen Nenner unter den politisch beteiligten AkteurInnen zu finden. Die vom Parlament und dem Rat der Europäischen Union ausgegebene Empfehlung zum Europäischen Qualifikationsrahmen versteht unter Lernergebnissen ganz allgemein und unspezifisch „Aussagen darüber, was ein Lernender weiß, versteht und in der Lage ist zu tun, nachdem er einen Lernprozess abgeschlossen hat.“ (Zit. nach: CEDEFOP: 2014, 165).
Lernergebnisse manifestieren sich, dem weit verbreiteten Verständnis der EU nach, als Kenntnisse, Fertigkeiten oder Kompetenzen. Damit ist im Großen und Ganzen gemeint, was eine Person an theoretischem oder faktischem Wissen („Kenntnisse“), an Problemlösungsstrategien („Fertigkeiten“), ergänzt durch Verantwortungsbewusstsein und Selbstständigkeit („Kompetenzen“) am Arbeitsplatz oder in die Gesellschaft einbringen kann. Diese drei Arten von Lernergebnissen beanspruchen für sich, kategorisiert, operationalisiert, überprüft, gemessen sowie validiert und anerkannt werden zu können. Damit ist impliziert, dass die Lernergebniserreichung – sprich: Wissensaneignung, Fertigkeitstraining, Kompetenzentwicklung – und insbesondere deren Rückbindung an didaktisch-methodisches Handeln einer verstärkten planenden Steuerung unterworfen werden kann.
Zürcher (vgl. 2012, 10) weist darauf hin, dass Lernergebnisse den Gegenpol zu Lernzielen bilden. Wie erwähnt, beziehen sich Lernergebnisse auf Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen, die sich Personen im Laufe eines Lernprozesses aneignen. Bei der didaktischen Planung muss man davon ausgehen, dass Lernergebnisse nicht oder nur sehr bedingt vorausgesagt oder vorausgeplant werden können, da sie nicht einer kausalen Logik folgen, sondern vielmehr emergente Phänomene sind. An Lernergebnissen ausgerichtetes Handeln folgt daher der Frage: Wie kann Lernen optimal unterstützt und ermöglicht werden?
Auf der anderen Seite beziehen sich Lernziele auf die Intentionen der Lehrenden (intentional fremdgesteuertes Lernen) oder Lernenden (intentional selbstgesteuertes Lernen) und die im Anschluss daran gewählten Inhalte oder dementsprechend gestalteten methodischen Vorgehensweisen. Lernzielerreichung ist leichter steuerbar, da Lernziele operationalisiert und in kleinere Schritte unterteilt werden können. Es steht die Vorgabe von Ergebnissen, formuliert als Ziele und operationalisiert im inhaltlich-methodischen Handeln im Zentrum. Man folgt den Fragen: Was soll erreicht werden und wie kann es erreicht werden?
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet die Gegenüberstellung von Lernergebnis und Lernziel für didaktisches Handeln: Lehrende können einen Rahmen schaffen, offen bleiben für alle möglichen Ergebnisse bleiben und auf die Lernenden vertrauen, oder normativ agieren und mit adäquaten Methoden auf ein bestimmtes Ziel hinwirken. Lernergebniserreichung steuern zu wollen scheint mir nach dieser Gegenüberstellung nicht ganz vereinbar mit den dahinterstehenden Annahmen – zumindest soweit es die Verwendung der Begriffe betrifft.
Bildung und Lernen am Leben orientiert
Historisch gesehen hat die Forderung, Bildungsangebote an Lernergebnissen auszurichten eine lange Tradition. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts forderten Bildungsreformer, von inhaltsbasierten zu lernergebnisbasierten Pflichtschul- und Ausbildungslehrplänen überzugehen. Diese Forderung entsprach sowohl einer aus dem Scientific-Management kommenden, funktional-beruflichen Sichtweise, in der das Schlagwort „Lernergebnisse“ dominierte (z. B. Franklin Bobbitt, 1876–1956), als auch einer aus der Reformpädagogik kommenden, humanistischen Sichtweise, in der das Schlagwort „Kind-/Lernendenzentriertheit“ dominierte (z. B. John Dewey, 1859–1952). Was beide Sichtweisen gemeinsam hatten, war die Fixierung darauf, die Erfordernisse der Praxis (Arbeitswelt bzw. Lebenswelt) als Ausgangspunkt für die Organisation bzw. Reform von Bildungssystemen und die Erstellung von Lehrplänen heranzuziehen und nicht abstrakte Inhalte und Vorstellungen von Lehrenden. (Vgl. Allais: 2014, 29–36). Die geforderte Lernergebnisorientierung dieser Zeit kann sehr schön am Beispiel von Franklin Bobbitt aufgezeigt werden. Er war ein Verfechter der Idee, dass man in die Welt hinausgehen müsse, um zu entdecken, was eigentlich gelernt werden sollte. Bildungseinrichtungen hätten seiner Ansicht nach genau diese Situationen der Lebens- und Berufspraxis als Ausgangspunkt für Lehrpläne heranzuziehen.
Zum Beispiel benannte Bobbitt zehn Lernbereiche, nachdem er mehr als 2.500 Erwachsene nach ihren täglichen Aktivitäten befragt hatte. Die zehn Bereiche waren Sprachen, physische Gesundheit, Bürgerkunde, allgemeine gesellschaftliche Aktivitäten, Freizeitaktivitäten, mentale Gesundheit, Religion, Elternschaft, unspezifische bzw. nicht-berufliche Aktivitäten und Arbeit seiner Wahl („the labor of one`s calling“). Von diesen zehn Bereichen ausgehend formulierte er 160 (!) Lernergebnisse. Inkludiert waren dabei u. a. die Fähigkeit, Sprache effektiv einsetzen zu können, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben oder die Fähigkeit, den eigenen Schlaf so zu gestalten, dass er zur Aufrechterhaltung physischer Vitalität beiträgt. (Vgl. Eisner: 1967, 33 f.).
Bobbitt befürwortete überdies, dass PraktikerInnen in die Bestimmung von Lernzielen massiv eingebunden werden und Lehrende ihre Aufgaben darauf reduzieren, Lernprozesse zu begleiten. Die Bildungsforschung reklamierte er als empirische Sozialforschung, mit der Aufgabe, Evidenzen für weitere Entscheidungen zu liefern. (Vgl. Ebd., 35 f.). Aus heutiger Perspektive gesprochen waren Bobbitts Vorstellungen sehr modern und nahmen vieles vorweg, was in den letzten Jahren besonders im Bereich der Zusammenarbeit von Politik, Praxis und Wissenschaft umgesetzt wurde.
Bildungspolitische Revolution?
In den letzten Jahrzehnten haben sich zwei weiterführende Themenbereiche der Lernergebnisorientierung aufgetan, nämlich die Objektivierung und die Nachweisbarkeit von Lernergebnissen. Die beiden Themenbereiche weisen große Schnittmengen auf und drehen sich im Wesentlichen um die Frage, wie Lernergebnisse aus unterschiedlichsten Bereichen der Lebenspraxis – zumeist begrifflich gefasst als Ergebnisse bzw. Kompetenzen formalen, non-formalen und informellen Lernens – explizit und sichtbar gemacht werden können. Ziele, die dabei verfolgt werden, individuelle Lernaktivitäten zu stärken und wertzuschätzen, Transparenz und die Vergleichbarkeit von Lernergebnissen sicherzustellen und damit die Kommunikation über die Handlungsfähigkeit einer Person zu verbessern.
Objektivierung und Nachweisbarkeit von Lernergebnissen sind in erster Linie Forderungen, die aus dem Kontext nationaler und internationaler Arbeitsmarktpolitik hervorgehen. Sie manifestieren sich in Qualifikationsrahmen wie dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), Leistungspunktesystemen wie dem Europäischen Punktesystem für die berufliche Aus- und Weiterbildung (ECVET) oder Maßnahmen der Validierung und Anerkennung von Lernergebnissen bzw. Kompetenzen.
Ein Blick auf bildungspolitische und bildungspraktische Aktivitäten der letzten zehn Jahre zeigt, dass sowohl Qualifikationsrahmen als auch Kompetenzvalidierung und -anerkennung regen Zuspruch finden, der schon zur Umsetzung konkreter Maßnahmen geführt hat. Zwei erfolgreiche Beispiele aus Österreich seien hervorgehoben: Der aus einer Empfehlung der Europäischen Union hervorgegangene Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) entwickelt seine Wirkung auf struktureller Ebene, und die im Bereich der Erwachsenenbildung agierende Weiterbildungsakademie Österreich (wba) führt zur Erweiterung individueller Handlungsfähigkeit.
Wie auf der Website des Österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) zu lesen ist, soll der Nationale Qualifikationsrahmen (NQR) „Systematik in der komplexen österreichischen Bildungslandschaft schaffen, anhand derer nationale Qualifikationen zueinander in Verbindung gestellt und miteinander verglichen werden können. Ziel ist es, […] für Klarheit und Verständlichkeit über die verschiedensten Bildungsabschlüsse zu sorgen.“ (BMBWF). Der NQR-Umsetzungsprozess ist angelaufen, denn seit September 2018 sind die Vergleichbarkeit der Lernergebnisse und damit die Gleichwertigkeit des Meistergrades der Lehrausbildung und des Bachelorgrades der Hochschulbildung möglich. Für die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) verbirgt sich hinter dem NQR daher „eine bildungspolitische Revolution“ (WKO).
Die Forschung von Petra Steiner (2018) hebt hervor, dass das lernergebnisorientierte Anerkennungsmodell der wba positive Effekte hat, die vor allem auf Ebene der individuellen Professionalisierung der zertifizierten Personen zu erkennen sind. Personen, die das Verfahren durchlaufen haben, geben an, eine besser reflektierte Perspektive auf ihre eigene berufliche Tätigkeit und ihre individuellen Kompetenzen entwickelt sowie eine bessere Anbindung an die Profession Erwachsenenbildung gefunden zu haben. Auf struktureller Ebene gibt es allerdings noch Potenzial, was die Akzeptanz der Abschlüsse am Arbeitsmarkt betrifft. (Vgl. Steiner: 2018, o. S.). Die bessere Verwertbarkeit der Abschlüsse, im Sinne von Ein-, Auf- oder Umstiegsmöglichkeiten im Berufsfeld ist ein Ziel, auf das es in Zukunft hinzuarbeiten gilt.
Paradigmenwechsel
In der Bildungsgemeinschaft wird davon gesprochen, dass die Orientierung pädagogischen Handelns an Lernergebnissen statt an Lernzielen einen Übergang vom Lehren zum Lernen und damit einen Paradigmenwechsel im gesamtpädagogischen Feld anzeigt. Mit diesem Übergang sind vielfältige Implikationen verbunden, die sowohl in bildungspolitischer als auch in bildungsorganisatorischer Hinsicht zum Tragen kommen, wie die folgenden Beispiele andeuten sollen.
Die Aufmerksamkeit pädagogischen Handelns wird stärker auf die Lernenden und deren individuelle Bedürfnislagen, auf ihre Selbsttätigkeit, ihre biografische Situationsgebundenheit oder auf ihre individuelle Leistungsfähigkeit gelegt. Daran anschließend wird eine Abkehr von traditioneller Inhaltsvermittlung eingeleitet, da diese nicht die Bedürfnisse der Lernenden, sondern die Vorstellungen der Lehrenden widerspiegelt. Räumlich-zeitliche Kontexte und Interaktionsrahmen werden zunehmend entformalisiert, d. h. die Bedeutung informellen, selbstgesteuerten Lernens steigt gegenüber der Bedeutung formalen oder non-formalen, fremdgesteuerten Lernens. All das führt zu einer durchaus bemerkenswerten Veränderung der Rolle von pädagogisch Tätigen und der Aufgaben von Bildungsorganisationen. Der Aktualität halber sei noch erwähnt, dass auch die fortschreitendende technologische Transformation die Lernenden in den Mittelpunkt stellt und den Aspekt des Lehrens – trotz aller Bemühungen um eine durchdachte didaktisch-methodische Aufbereitung von E-Learning Angeboten – tendenziell marginalisiert.
Zusammenfassend ergibt sich für mich bei genauerem Studium ein Bild, in dem deutlich wird, dass die Lernergebnisorientierung in der Erwachsenenbildung großen Nutzen stiftet, aber auch Probleme mit sich bringt. Eine ausführliche Liste dazu findet man bei Zürcher. (Zürcher: 2012, 19–22). Ich konzentriere mich auf Chancen und Risiken, die ich im Hinblick auf didaktisches Handeln, politische Steuerung, Lernergebnisanerkennung und Vergleichbarkeit sehe. Vorweg möchte ich festhalten, dass die Erwachsenenbildung politisch, organisatorisch bzw. didaktisch beide weiter oben angesprochenen Lernformen – das Lernen als Erledigung bzw. Lernen und das Lernen als Vollzug bzw. Lernen durch Praxis – anerkennen, anbieten bzw. ermöglichen sollte. Auch wenn unter dem Trend der Qualitäts- und Effizienzsteigerung das funktionale Lernen als Erledigung und Anpassung vorgezogen wird, darf nicht darauf vergessen werden, dass tiefgehende Lernprozesse, die durch Irritationen ausgelöst werden und nicht steuerbar sind, das Potenzial in sich tragen, vielschichtige individuelle und gesellschaftliche Veränderungen anzuregen.
Chancen und Risiken
1. Didaktisches Handeln: Eine Chance für didaktisches Handeln bestünde darin, Lernangebote nach der Lernform und den dadurch ermöglichten Lernergebnissen auszurichten, und nicht umgekehrt danach, welche Lernziele/Lernergebnisse durch Standards empfohlen oder selbst vorformuliert werden, und die Lernform, die dadurch impliziert wird. Meines Erachtens bietet Ersteres die Möglichkeit, durch das Wissen um die Lernform Raum für Selbsttätigkeit, Kreativität oder Innovation zu schaffen. Zweiteres birgt das Risiko, durch das weitgehende Ausblenden der Lernprozesse einen Methodenfetischismus zu begünstigen, der sich einzig darum bemühen muss, die erhofften Ergebnisse zu ermöglichen. Ausgangspunkt einer an Lernformen orientierten Didaktik könnte ein Ansatz sein, in dem Lernen – wie oben beschrieben – als Handeln, d. h. durch das Zusammenspiel von Probieren, Imitieren und Reflektieren ermöglicht wird.
2. Politische Steuerung: Neue Ansätze der bildungspolitischen Steuerung sehen eine stärkere Mitsprache von AkteurInnen aus der Praxis vor. Ziel ist es, die Bedarfe des Arbeitsmarktes oder der Zivilgesellschaft verstärkt aufzunehmen und damit gleichzeitig eine höhere Selbstbindung und Selbstverpflichtung der AkteurInnen gegenüber politischen Initiativen zu schaffen. Die Chancen bestehen darin, durch eine stärkere Bindung und Abstimmung die Relevanz und Akzeptanz von Bildung in unterschiedlichsten Bereichen der Arbeitswelt und der Zivilgesellschaft zu stärken. Da politische Prozesse aber immer von Ressourcen und Macht abhängig sind, besteht das Risiko wohl darin, Bedarfen einzelner AkteurInnen bzw. AkteurInnengruppen mehr Gewicht beizumessen und andere abzuwerten. Geht die Definitionsmacht der als ‚wichtig‘ und ‚richtig‘ angesehenen Lernergebnisse zu sehr in eine Richtung, ist das ein Risiko, dessen man sich bewusst sein sollte.
3. Validierung und Anerkennung: Auch in der Lernergebnisanerkennung sehe ich Chancen, nämlich ganz besonders dann, wenn es der Erwachsenenbildung gelingen sollte, die Validierung von non-formalen und informellen Lernergebnissen als Tätigkeitsfeld für sich zu beanspruchen. Personen, die in der Erwachsenenbildung tätig sind, sind meines Erachtens adäquat sensibilisiert, um Validierungs- und Anerkennungshandeln den Feinheiten unterschiedlicher Lernergebnisse entsprechend durchzuführen. Was mir risikobehaftet erscheint, ist die Formalisierung und konsequenterweise die Standardisierung von Lernergebnissen, die sich in ihrer Anhäufung als ständig entwickelnde individuelle und einmalige Biographie eigentlich einer Formalisierung und Standardisierung entziehen sollten.
4. Vergleichbarkeit: Die Vergleichbarkeit von Lernergebnissen und Qualifikationen ist ein wichtiger Teil bildungspolitischer Initiativen und impliziert große Chancen besonders für die Durchlässigkeit des Bildungssystems und den Umgang mit dem Angebot-Nachfrage-Problem am Arbeitsmarkt. Ob es aber gelingt, Modelle zu schaffen, die eine auf Standards basierende Vergleichbarkeit forcieren und damit dem Risiko zu entgehen, eine Vereinheitlichung von Bildungsanforderungen zu verstärken, ist eine Frage, die aus meiner Perspektive erst in Zukunft geklärt werden kann.
Ausblick
Ich denke, die Lernergebnisorientierung stellt eine wichtige Aufgabe der Erwachsenenbildung dar. Sie hat das Potenzial, professionelles Handeln im Feld zu stärken, gerade auch weil die Erwachsenenbildung im Vergleich zu anderen Bildungsbereichen von ihrer Grundausrichtung her offener ist für unterschiedliche Zugänge zu Lernen und Bildung. In diesem Sinne ist die Erwachsenenbildung sensibilisiert dafür, Bedarfe der alltäglichen Praxis zu erkennen und als Handlungsimpulse für die Gestaltung von Lerngelegenheiten heranzuziehen. Doch die Lernergebnisorientierung darf nicht zur Leerformel werden. Sie bedarf eines reflektierten Umgangs, der Erkenntnisse wissenschaftlicher Theoriebildung und empirischer Forschung genauso wie Praxiserfahrungen und politische Zielstellungen gleichermaßen berücksichtigt. //
Kommentare