Biodiversität ist alles – alles hat mit Biodiversität zu tun. Auf die Gefährdung dieser Bedingung unserer Existenz wollen die beiden Autoren, anerkannte Wissenschaftsjournalisten bei „Terra X“ und der Wochenzeitung „Die Zeit“, mit ihrer Publikation aufmerksam machen. Vor allem deswegen, weil Menschen gerade zu einem der größten Artensterben, dem Verlust biologischer Vielfalt, in der Geschichte des Planeten beitragen.
Biodiversität, die Vielfalt des Lebens, umfasst das Zusammenspiel der Stoffkreisläufe verschiedener tausender Spezies von Pflanzen, Pilzen, Tieren und Mikroben. Biodiversität, definieren die Autoren als „ein Mosaik aus unüberschaubar vielen Steinchen, riesig großen und winzig kleinen“. (S. 70). Sie lässt sich in drei Kategorien gliedern:
– Vielfalt der Ökosysteme, Lebensräume wie z. B. Wälder, Flüsse, Wiesen;
– Vielfalt der Arten: Tiere, Pflanzen, Pilze;
– Vielfalt der Genome, von denen jedes Lebewesen ein einzigartiges hat.
Im ersten Teil des Buches schildern die Autoren kenntnisreich die Vielfalt dieses globalen Systems der Lebenserhaltung, wovon die Menschen ein Teil sind. Das erfolgt abwechslungsreich und mit vielen Beispielen aus dem Naturgarten der Welt. Wer von Fernsehbildern, z. B. Terra X, verwöhnt ist, wird den Stil leicht mit der Abfolge entsprechender Sendungen über die Natur assoziieren.
Vielen detailreichen Informationen stehen viele offene Fragen gegenüber, was alles nicht gewusst wird. Doch Unwissen soll die Menschheit nicht vom Handeln entbinden, der durch sie bewirkten Zerstörung der Natur Einhalt zu gebieten. Auch wenn es in der Erdgeschichte schon etwa fünf große Artensterben gab – nach dem letzten vor etwa 66 Millionen Jahren und dem Aussterben der Dinosaurier entwickelten sich erst die Säugetiere inklusive dem Homo sapiens – dieses jetzt vor sich gehende, könnte unser Ende sein. Befinden wir uns im Dinosaurier-Moment unserer Geschichte, fragen die Autoren?
Menschen haben in ihrer erdgeschichtlich kurzen Anwesenheit fundamentale Veränderungen bewirkt, Artensterben ist eine offensichtliche Konsequenz, die auch die eigentliche Lebensgrundlage der Menschheit gefährdet. Das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, scheint in eine dramatische Selbstzerstörung zu steuern.
Im zweiten Teil des Buches sammeln die Wissenschafter, der Maxime „Optimismus ist Pflicht“ folgend, Informationen, Beispiele, Initiativen und ermutigen, diesen düsteren Weg nicht weiterzugehen.
Eindrucksvoll wird am Beispiel des Flusssystems des Mississippi gezeigt, wie dieser begradigt, verbaut, wie seine Landschaft, Pflanzen, Tiere und ursprüngliche Bevölkerung beeinträchtigt wurden und werden. Als geopferte Zone, „sacrificed zone“, zahlen die verarmten Fischer im Süden dadurch den Wohlstand reicher Farmer im Norden. Sieht man den Fluss als Person, argumentieren die Autoren, könnte er die Verantwortlichen klagen, z. B. wegen zu viel Gift im Dünger, und Schadenersatz fordern. Eingemahnt wird eine neue Geschäftsgrundlage für unsere Gesellschaft, ein neu auszuhandelnder Weltvertrag zwischen Menschen und allem anderen Leben auf der Erde. Wobei zu bedenken ist, dass bei Schäden an der Umwelt immer auch Menschen Leidtragende sind.
In diesem Sinne wenden sich die Autoren anhand positiver Alternativen gegen räuberischen Kapitalismus und Aushöhlung von Demokratie. Sie fordern unter anderem, die „Corona-Krise“ als Chance zu nutzen, wissenschaftlichen Erkenntnissen mehr Bedeutung für Entscheidungen und Handlungen zu geben. Sie empfehlen, eine positive Vorstellung von der Zukunft zu entwickeln – Nachdenken über ein „gutes Anthropozän“ sei dringend gefragt.
Hier liegt kein Buch über den nahen Weltuntergang vor. Abwechslungsreich im journalistischen Stil verfasst, werden Informationen, Fallbeispiele und Ereignisse aus der ganzen Welt, aufklärende globale Zusammenhänge sowie Zahlen und Fakten vorgestellt. (Fernseh-)Bilder entstehen dabei im Kopf. Wir nähern uns dem Abgrund, wir sind aber noch nicht gestürzt.
Das Buch eignet sich sicherlich für den naturwissenschaftlichen Bereich, belegt aber auch anschaulich die Vernetzung öko-sozialer Fragen mit allen Lebensbereichen. //
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